Derzeit sieht es so aus, als sei die schwarz-gelbe Koalition in Sachen Netzsperren endlich zur Vernunft gekommen. Die Entscheidung der Bundesregierung war überfällig. Die Erkenntnisse aus den zahlreichen Diskussionen der vergangenen Monate haben endgültig belegt: Netzsperren sind kein probates Mittel, die Verbreitung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen im Internet zu unterbinden. Im Gegenteil: Sie sind kontraproduktiv, verleiten zur Untätigkeit und verdecken die Sicht auf eine dringend benötigte mehrdimensionale Gesamtstrategie für den Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen.

Letztendlich ist die jetzige Entscheidung ein klarer Sieg der Argumente: Nachdem die von uns beschafften jüngsten BKA-Zahlen deutlich gemacht haben, dass das Löschen entsprechender Inhalte im Ausland durchaus möglich und auch effektiv ist und der eingeschlagene Weg, das Verfahren im Laufe des letzten Jahres immer wieder an die beim Löschen gemachten Erfahrungen anzupassen, ganz offensichtlich erfolgreich war, blieb der Bundesregierung gar nichts anderes übrig, als sich von dem Irrweg des Sperrens ein für allemal zu verabschieden. Wir begrüßen die jetzige Entscheidung daher ausdrücklich und freuen uns mit all denjenigen, die in den letzten zwei Jahren diesen Erfolg möglich gemacht haben und sich unermüdlich gegen Netzsperren eingesetzt haben.

Vor dem Hintergrund der durch das BKA selbst vorgelegten Zahlen irritiert es uns sehr, dass das BKA noch bis vor wenigen Tagen auch weiterhin offensiv an der Forderung nach der Einführung von Netzsperren festhielt. Ob es nach der endgültigen Ablehnung von Sperren durch die Bundesregierung auch auf Seiten des BKA zu einer neuen Positionierung kommt, ist eine spannende Frage, die wir aufmerksam verfolgen werden.

Nun, nachdem sich die Bundesregierung endlich dazu durchringen konnte, dem Sperren eine klare Absage zu erteilen, ist es wichtig, die nächsten Schritte zu gehen und sich endlich wirklich effektiven Strategien zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern zuzuwenden. Weil sich die Aktivitäten der Bundesregierung in den vergangenen Monaten darin erschöpft haben, über die Sinnhaftigkeit von Netzsperren zu diskutieren, ist der Nachholbedarf groß. Zu lange hat die Bundesregierung lieber Placebo-Politik betrieben und durch eine reine Fokussierung auf Internetseiten davon abgelenkt, dass sie keinerlei Plan hat, wie sie dem Problem des realen sexuellen Missbrauchs von Kindern angemessen begegnen will. Eine kohärente, mehrdimensional angelegte Strategie für den Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern, wie wir sie seit Anfang der Legislatur von der Bundesregierung einfordern, fehlt noch immer.

Nachdem die Bundesregierung zu guter letzt den Irrweg Netzsperren verlassen hat, muss sie nun endlich eine solche Strategie vorlegen. Ein wesentlicher Baustein einer solchen Strategie muss die Prävention sein. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf, den unter Rot-Grün auf den Weg gebrachten Aktionsplan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung schnellstmöglich wieder aufzulegen. Die Bundesregierung muss endlich darlegen, wie Prävention und Opferschutz insgesamt gestärkt und das Löschen auch im internationalen Kontext noch effektiver gestaltet werden kann. Dazu gehört es auch, endlich das zwischen dem BKA, den deutschen Beschwerdestellen (eco e.V. & FSM e.V. sowie jugendschutz.net) sowie der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nach wie vor in der Abstimmung befindliche Harmonisierungspapier zu unterschreiben. Am 14. Februar 2011 gab die Bundesregierung uns gegenüber in der Antwort auf eine schriftliche Frage an, dass die Unterzeichnung des Harmonisierungspapiers unmittelbar bevorstünde. Passiert ist noch immer nichts.

Parallel zur Erarbeitung einer dringend benötigten Gesamtstrategie, muss die Bundesregierung die Fragen bezüglich des weiteren Vorgehens in Sachen Zugangserschwerungsgesetz und Evaluierung der bisherigen Löscherfolge beantworten, die auch nach der jüngsten Entscheidung noch offen sind: So ist derzeit weiterhin völlig unklar, ob und gegebenenfalls wann die schwarz-gelbe Koalition tatsächlich einen eigenen Gesetzentwurf zur Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes vorlegen wird, um so den ganz offensichtlich verfassungswidrigen Zustand zu beheben. Auch blieben bislang sämtliche parlamentarischen Anfragen zur weiterhin ausstehenden Evaluierung der bisherigen Löschbemühungen unbeantwortet. So ist bis heute nicht klar, ob und ggf. wie die Bundesregierung die Evaluierung der bisherigen Löscherfolge voranbringen will.

Zur Klärung dieser Fragen haben wir zusammen mit der SPD-Fraktion eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zum verfassungswidrigen Zustand der Aussetzung, zur Zukunft des Zugangserschwerungsgesetzes und zum Stand der überfälligen Evaluation gestellt. Auf die Antworten sind wir schon gespannt. Sobald sie vorliegen, werden wir sie hier veröffentlichen.

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