Wie heise online berichtet, spricht sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung in einem aktuellen Thesenpapier für die Erhaltung der Netzneutralität als Grundlage fairen Wettbewerbs aus.

Die Thesen sind im Rahmen der Future Internet-Konferenz am 5. und 6. Juli 2011 vorgestellt worden. Neue Dienste sollen laut dem Papier nur „mit Bedacht“ der gleichberechtigten Datenübertragung gegenübergestellt werden. Zudem spricht sich das BMBF gegen Tendenzen zur Entwicklung eines Zwei-Klassen-Internets aus, wie wir Grüne dies mit unserem Antrag zur Netzneutralität in Europa (BT-Drucksache 17/3688) bereits im November 2010 getan haben.

Hier die sechste These im Wortlaut:

Das Internet lebt von der Vielfalt seiner unterschiedlichen Informationsangebote und Dienste. Einige dieser Dienste stellen dabei erhöhte Anforderungen an die Geschwindigkeit und Qualität, mit der ihre Daten übertragen werden. Diese Anforderungen müssen mit Bedacht dem klassischen, gleichberechtigten Ansatz der Datenübertragung gegenübergestellt werden. Ein fairer Umgang mit allen Nutzern auf der Basis der Netzneutralität ist zu gewährleisten, um der Entwicklung eines Zwei-Klassen-Internets entgegenzuwirken.

Für Kennerinnen und Kenner der Debatte kommt diese Positionierung des Forschungsministeriums — die der Haltung der Bundesregierung und des Wirtschaftsministeriums deutlich widerspricht — nicht überraschend. Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hatte bereits im Februar in ihrem Jahresgutachten für 2011 der Bundesregierung explizit geraten, die Netzneutralität im neuen Telekommunikationsgesetz zu verankern.

Die Empfehlungen der Kommission lauten:

  1. Die Blockierung von Anwendungen und Inhalten sollte untersagt werden.
  2. Allen Internetteilnehmern muss größtmögliche Transparenz und das Recht auf einen schnellen und unbürokratischen Anbieterwechsel eingeräumt werden.
  3. Wenn im Netz Kapazitätsengpässe auftreten, ist eine Preisdifferenzierung nach Qualitätsabstufungen gerechtfertigt: Diensteklassen müssen vom Netzwerk diskriminierungsfrei angeboten werden. Die Entscheidung darüber, welche Anwendungen welche Diensteklasse erhalten sollen, ist aber allein den Endnutzern zu überlassen.
  4. Um eine strategisch motivierte Behinderung des Datenverkehrs zu verhindern, sollte die Bundesnetzagentur Mindestanforderungen an die Dienstequalität festlegen und darüber hinaus Verstöße kontrollieren und sanktionieren können.

Zwar wird auch hier, immerhin mit starken Einschränkungen, auf die von uns Grünen abgelehnten nicht-neutralen „Diensteklassen“ zurückgegriffen, die man zur Bewältigung von Kapazitätsengpässen nicht notwendigerweise braucht. Aber offenbar zieht das BMBF nun die richtigen Konsequenzen aus der wissenschaftlichen Bewertung der Netzneutralitätsdiskussion. Das ist zunächst einmal erfreulich.

Damit ist das Ministerium schon deutlich weiter als die Koalition, die in der Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaft die Verabschiedung des Berichts der Projektgruppe Netzneutralität blockiert. Aus gegebenem Anlass weisen wir nach der turbulenten Sitzung vom 4. Juli 2011 noch einmal auf das ordnungsgemäß eingebrachte gemeinsame Sondervotum vieler Sachverständiger und der Fraktionen von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, SPD und LINKEN hin.

Es stimmt nicht nur in den Grundlinien mit der Haltung des Forschungsministeriums weitgehend übereint, sondern unterbreitet konkrete und konstruktive Handlungsempfehlungen, insbesondere zur gesetzlichen Absicherung der Netzneutralität. Wir hoffen, dass diese auch in der nächsten Enquête-Sitzung nach der Sommerpause die bereits absehbar gewordene Mehrheit finden werden.

By the way hier noch die Rede von Prof. Dr. Jürgen Mittelstraß zur Zukunft des Internet [PDF – 46,1 kB].

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