Pünktlich zur Messe „Moderner Staat“ hat Bundesinnenminister Friedrich am 8. November 2011 den ersten bundesweiten Wettbewerb um die besten Anwendungen für offengelegte Daten gestartet. Eigentlich müssten sich darüber alle Netzpolitikerinnen und Netzpolitiker freuen. Auf jeden Fall ist es ein von uns Grünen längst geforderter richtiger Schritt. Allen engagierten Beteiligten gebührt hierfür Anerkennung. Dennoch besteht bei uns ein gewisser Vorbehalt gegen die Aktion. Anstelle sich in die Tradition der Apps4Democracy-Wettbewerbe zu stellen, hat man bewusst einen Titel mit nationaler Färbung gewählt. Die bisher so wichtige demokratiepolitische Motivation, mehr Transparenz, Informationsfreiheit und Partizipation zu ermöglich, gerät unnötig in den Hintergrund.

Zwar muss man nicht gleich von einer „Bundesdatenschau“ sprechen und, wie es Lorenz Matzat im Freitag getan hat, lediglich ein politisches Feigenblatt vermuten. Dass Innenminister Friedrich tatsächlich ein Mann des offenen Regierungshandelns ist, darf aber bezweifelt werden. Ich frage mich, ob die zivilgesellschaftlichen Initiatoren – die Open Knowledge Foundation, das Government 2.0-Netzwerk und das Open Data Network – nicht der Gefahr ausgesetzt sind, durch das Innenministerium und Sponsoren wie Microsoft oder den kooperierenden IT-Branchenverband BITKOM vereinnahmt zu werden. Ich hätte mir noch weitere zivilgesellschaftliche Kooperationspartner gewünscht, die sich erkennbar stärker der Informationsfreiheit verschrieben haben. Im aktuellen Feld finden sich jedoch vor allem die üblichen Akteure aus dem Geschäftsfeld E-Government.

Aber: In einem offenen Wettbewerb kommt es vor allem auf die Beiträge an. Von daher laden wir alle kreativen Hacker und Häcksen ein, die Kerngedanken von Open Data und Open Government auch in diesen Wettbewerb hineinzutragen. Ideen müssen bis zum 15. Dezember 2011 eingereicht werden, Anwendungen bis zum 1. Februar 2012. Eine Jury aus Wissenschaftlern und „Vertretern der Zivilgesellschaft“ wird die Einreichungen bewerten. Geldpreise gehen an die drei besten Vorschläge in jeder Kategorie. Sonderpreise gibt es von den Open-Data-Vorreitern Bremen und Berlin für Einreichungen, die Daten dieser Bundesländer nutzen.

Besonders gespannt darf man darauf sein, wie Behörden die Möglichkeit zur proaktiven Publikation von Datensätzen nutzen, die ebenfalls Teil des Wettbewerbs ist. Positiv ist auch die durch den Wettbewerb gegebene Orientierung in der Lizenzfrage. Auf die Erfahrungen mit dem Einsatz von Creative-Commons-Lizenzen darf man gespannt sein. Allerdings ersetzt der Wettbewerb keine nachhaltige, politische Strategie für offene Daten, die auch die europäische Dimension des Zugangs zu Informationen des öffentlichen Sektors mit bedenkt. Die grüne Bundestagsfraktion hat bereits im Juni dieses Jahres ein Positionspapier (PDF) verabschiedet, dass die Reform der Informationsfreiheit mit dem Recht auf offengelegte Daten verbindet. Unsere zentralen Forderungen sind:

  1. Wir sprechen uns für die Aufnahme der Informationsfreiheit als Grundrecht in unsere Verfassung aus.
  2. Wir Grünen setzen uns für novellierte Informationsfreiheitsgesetze in Bund und Ländern ein, die die Informationsrechte der Bürgerinnen und Bürger stärken. Dazu gehört insbesondere mehr Transparenz durch die proaktive Publikation offener Daten im Internet.
  3. Wir prüfen, ob ein einheitliches Informationszugangsgesetz, das auch Umwelt- und Verbraucherinformationen umfasst, die bessere Lösung ist.
  4. Das Stellen von Anträgen nach dem Informationsfreiheitsgesetz über das Internet muss zur Selbstverständlichkeit werden: Wir fordern öffentliche Dokumentenverzeichnisse/-register im Internet, die das Auffinden relevanter Information überhaupt erst ermöglichen. Zudem soll eine zentrale Informationsplattform des Bundes mit dezentral gepflegten Inhalten im Internet geschaffen werden.
  5. Ein zukunftsfähiges Open-Data-Konzept muss entwickelt werden, das die technische und rechtliche Offenheit der zur Verfügung gestellten Informationen garantiert. Die Informationen sollen grundsätzlich kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
  6. Wir definieren im Anschluss an die zivilgesellschaftlichen Vorschläge Open-Data-Prinzipien, die als anzustrebendes Reformziel handlungsleitend für Politik und Verwaltung sind.
  7. Innerhalb einer neuen Verwaltungskultur sollen Behörden und gesellschaftliche Initiativen miteinander zusammen arbeiten und voneinander lernen.
  8. Wir schlagen schnell realisierbare Open-Data-Projekte auf Bundesebene vor, darunter ein Portal für alle wichtigen rechtlichen Texte und eine deutliche schnellere Realisierung des Open-Data-Portal des Bundes bis Mitte 2012.

Mit „Apps für Deutschland“ kommt zwar etwas in Gang, aber wir stehen immer noch vor der grundsätzlichen Herausforderung, die Prinzipien offenen Regierungs- und Verwaltungshandelns rechtlich und praktisch umzusetzen. Hierfür kann ein Wettbewerb ein Anfang und Aufbruchsignal sein. Wir brauchen aber vor allem eine Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen und einen Wandel unserer Verwaltungskultur. Wird letzteres politisch liegengelassen und gleichzeitig lediglich ein medienwirksamer Wettbewerb initiiert, handelt es sich bei „Apps für Deutschland“ tatsächlich um nicht mehr als ein politisches Feigenblatt.

Grüne Initiativen zur Informationsfreiheit 2.0, Open Data und Open Government

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