Am Freitag, den 30. März debattiert der Deutsche Bundestag ein von uns vorgelegtes umfassendes Reformpaket für den Datenschutz, bestehend aus insgesamt drei Initiativen. Ziel ist es, der Bundesregierung die Dringlichkeit des Schutzes von Daten und Informationen der Bürgerinnen und Bürger angesichts der gegenwärtigen massiven Veränderungen in der Datenverarbeitungspraxis ins Gedächtnis zu rufen. Die Passivität und das zum Teil offen zutage tretende Desinteresse der Bundesregierung am Datenschutz zeigt eine bedenkliche Ignoranz gegenüber den Bürgerrechten, gefärdet das hohe Ansehen der Bundesrepublik in Sachen Grundrechtsschutz und stellt ein Armutszeugnis nicht zuletzt für die selbst ernannte Bürgerrechtspartei FDP dar.

Zum einen forderen wir die Bundesregierung mit unserem Antrag „EU-Datenschutzreform unterstützen“ (Link wird nachgereicht) auf, ihren Widerstand gegen das anspruchsvolle und dringend notwendige Reformvorhaben der EU-Kommission zu beenden und konstruktiv an einem europäischen Datenschutzrahmen mitzuarbeiten. Zum anderen fordern wir in unserem Antrag „Völlige Unabhängigkeit für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz“ (BT-DrS 17/6345) die Loslösung des Bundesbeauftragten aus der EU-rechtswidrigen Aufsicht durch den Bundesminister des Inneren sowie die Ausstattung mit Sanktionskompetenzen gegenüber den von ihm beaufsichtigten Privatunternehmen insbesondere der Telekommunikationsbranche. In unserem Antrag „Datenschutz in sozialen Netzwerken stärken“ (2./3. Lesung) legen wir detailliert spezifische Regelungserfordernisse für Soziale Netzwerke vor, denen mit Sicherheit nicht im Wege der Selbstregulierung beizukommen ist, wie das Datenschutzverständnis insbesondere des Marktführers Facebook, aber auch das von Google zeigt. Denn im Umgang des Gesetzgebers mit Social Media-Plattformen entscheidet sich ganz wesentlich die Zukunft des Internet-Datenschutzes, Selbstregulierungen laufen im Datenschutz bislang weitestgehend leer.

Unmittelbarer Anlass der Debatte ist die am 12. April 2012 ablaufende Frist für die Erhebung einer Subsidiaritätsrüge gegenüber den zwei Regelungs-Entwürfen der KOM zur Modernisierung des EU-Datenschutzes.  In unserem dazu vorgelegten Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, sich mit aller Kraft und vor allem konstruktiv für den Erfolg des Reformvorhabens einzusetzen. Nicht zuletzt wegen den ständig an Bedeutung gewinnenden vielfältigen Nutzungen des Internet müssen neben nationalen Bestimmungen auch umfängliche EU-Vorgaben treten, wenn die Anwendbarkeit und Durchsetzbarkeit des Datenschutzes sichergestellt werden soll. Die Grünen unterstützen deshalb im Grundansatz das lange überfällige Projekt der Reform des EU-Datenschutzes und den ambitionierten Reformvorschlag der Kommissarin Reding. Der Bundesrepublik Deutschland kommt eine besondere Bedeutung im Reformprozess zu: bereits bei der Entstehung der grundlegenden EU-Datenschutzrichtlinie 95/46 wurde den bundesdeutschen Vorschlägen besondere Aufmerksamkeit zuteil, wurden die tragenden Strukturprinzipien unseres Datenschutzrechts auf EU-Ebene übernommen. Zudem gilt unser Datenschutzrecht als ein im internationalen Vergleich besonders hoher Schutzstandard, weil durch das bereits seit über 30 Jahren bestehende aufsichtsbehördliche Schutzsystem zwar eine verbesserungswürdige, aber vergleichsweise gute Aufsicht und Kontrolldichte besteht.

Die Datenschutzbeauftragten sowohl des Bundes als auch der Länder haben kürzlich bereits wichtige Vorschläge zur Verbesserung der Aufsicht gemacht. Auch die Empfehlungen des Bundesrates etwa zur Datenschutz-Grundverordnung enthalten im Detail viele zutreffende Bewertungen und Forderungen. Leider schießen insbesondere die konservativ regierten Bundesländer mit ihren geplanten Subsidiaritätsrügen gegen die EU-Vorlagen weit über das Ziel hinaus und  beschädigen damit die Reformbemühungen der Kommission, die erstmalig eine Justizkommissarin mit dem Schwerpunktthema Bürgerrechte und Datenschutz aufweisen kann. Die Subsidiaritätsrüge mag mit Blick auf das gewählte Rechtsinstrument der Verordnung dann vertretbar erscheinen, wenn insoweit mildere Harmonsierungsalternativen zur Verfügung stehen. Allerdings hat die Kommission überzeugend dargelegt, in welchem Umfang die bisherigen EU-Datenschutzvorgaben nicht oder nur unvollständig umgesetzt wurden und wie unterschiedlich der Vollzug der Bestimmungen in den Mitgliedstaaten gehandhabt wird. Vor dem Hintergrund des mit dem Lissabon-Vertrag ebenfalls maßgeblich gewordenen Grundrecht auf Datenschutz der Grundrechte-Charta kann die Kommission zudem auf eine handfeste Schutzverpflichtung verweisen. Schließlich zeigt die dynamische Veränderung der Informationstechnik und der anhaltende Siegeszug des Internet samt Social Media-Plattformen die Dimension der Herausforderungen, welche auf nationaler oder gar auf Länderebene nicht mehr ausreichend regel- und verfolgbar erscheinen.

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