Wie Thomas Stadler vollkommen zurecht in einem Beitrag erwähnte, haben sich EU-Kommission und EU-Parlament, genauso aber die schwarz-gelbe Bundesregierung, was den Schutz personenbezogener Daten angeht, in letzter Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert: Im Rahmen von bilateralen Verträgen wie dem SWIFT-Abkommen und dem jüngst ausgehandelten Fluggastdatenabkommen der EU mit den USA liefert man den USA die Bankdaten europäischer Bürgerinnen und Bürger sowie die Daten von Fluggästen, die in die USA reisen, praktisch auf dem Silbertablett.

Nachdem die letzten Wochen und Monate vor allem das EU/USA-Fluggasdatenabkommen im Fokus der Diskussion stand (wir hatten immer wieder darüber berichtet) gerät nun mehr und mehr das zweite Fluggastdatenprojekt in den Vordergrund. Im Rahmen des EU-Fluggastdatenprojekts fordern zahlreiche Innenminister von EU-Mitgliedsstaaten, auch die personenbezogenen Daten von Passagieren innerhalb Europas für fünf Jahre zu speichern. Die Debatten hierzu auf europäischer Ebene sind in vollem Gange.

In Deutschland wird die Debatte vor allem vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung diskutiert. Da es sich bei der Fluggastdatenspeicherung um nichts anderes handelt als eine weitere Vorratsdatenspeicherung stellt sich angesichts einer immens langen Speicherdauer von fünf Jahren die Frage, wie diese mit den engen rechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, das bereits die deutsche Umsetzung der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie, die eine „nur“ sechsmonatige Speicherung vorsah, einkassiert hatte.

Völlig zu Recht weist Thomas Stadler, wie wir es auch schon an verschiedenen Stellen getan haben, auf den Umstand hin, dass das derzeitige Vorhaben der Kommission kaum mit den ambitionierten Zielen einer grundlegenden Verbesserung des EU-Datenschutz in Einklang zu bringen ist. Vor dem Hintergrund einer ganz ähnlichen Diskussion um die EU-Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten hatten ich den beiden zuständigen Kommissarinnen aufgefordert, mal gemeinsam einen Kaffee trinken zu gehen.

Damals schrieb ich:

Die Kommissarinnen Reding und Malmström wären gut beraten, mal in Ruhe miteinander einen Kaffee trinken zu gehen, um eine sinnhafte gemeinsame Linie abzustimmen. Bislang widersprechen sich ihre Ansätze grundsätzlich. Frau Malmström hintertreibt mit ihrem Beharren auf die grundrechtsgefährdende Vorratsdatenspeicherung und eine Totalüberwachung der Bürgerinnen und Bürger den ambitionierten und überfälligen Reformvorschlag für den EU-Datenschutz ihrer Kollegin.

Anlasslose Massenspeicherungen beschädigen die Schutzmechanismen des Datenschutzes insgesamt und sind deshalb abzulehnen. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ein wichtiges Urteil gesprochen. Angesichts zahlreicher weiterer diskutierter Massenspeicherungen bestehen erhebliche Zweifel, ob die vom Gericht errichteten Hürden überhaupt genommen werden können. Gerade den breiten Anwendungswünschen auch in Fällen mittlerer und leichter Kriminalität oder gar zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche hat das Gericht jedoch jede Grundlage entzogen.

Mit Hinweis auf ein wirklich groteskes Interview von  EU-Kommissarin Cecilia Malmström, in dem die Kommissarin auf die Frage, ob man die Richtlinie über die verdachtsunabhängige  Vorratsdatenspeicherung nicht dahingehend ändern könnte, dass den Mitgliedsstaaten eine Umsetzung freigestellt wird, und der sinngemäßen Antwort der Kommissarin, dass nur durch eine  zwingende Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung das Recht der Bürgerinnen und Bürger der EU auf Datenschutz und Privatsphäre zu gewährleisten sei, verweist Stadler vollkommen zu Recht auf das grundlegende Datenschutzprinzip der Datenvermeidung.

In der Zeit, als man noch ernsthaft versucht hat, Datenschutz zu betreiben, galt das Prinzip der Datenvermeidung als die oberste Maxime des Datenschutzrechts. Dieses Grundprinzip des Datenschutzrechts möchte die EU-Kommission offenbar in sein Gegenteil verkehren und die massenhafte und anlasslose Datenspeicherung zum neuen Leitbild erheben.

Diese Gefahr ist angesichts des gestrigen Beschlusses der EU-Innenminister, die sich darauf verständigt hatten, die Flugastdaten nicht nur fünf Jahre speichern, sondern sie auch rastern zu wollen, real. In der Tat wird das Ausmaß des zunehmenden EU-Überwachungswahns durch die jetzige Diskussion um das EU-Fluggastdatenabkommen einmal mehr sichtbar. Vor unseren Augen nimmt ein Überwachungsregime Gestalt an, das den demokratischen Rechtsstaat gefährdet und die Grundrechte aller Bürgerinnen und Bürger einschränkt. Die jetzt geplante anlasslose Massenspeicherung der EU-Fluggastdaten ist nur ein weiterer trauriger Höhepunkt einer eindimensionalen, am Generalverdacht ausgerichteten Politik.

Erst vor wenigen Monaten wurde die mehrjährige Massenspeicherung und Übermittlung der Finanztransaktionsdaten von EU-Bürgern an die USA (SWIFT-Abkommen) vom EU-Parlament abgesegnet. Vergangene Woche hat das Parlament ein Fluggastdatenabkommen mit den USA über unfassbar lange Speicherzeiten von 15 Jahren durchgewunken. Die Vorratsspeicherung aller Telekommunikationsdaten aller Bürger will EU-Kommissarin Malmström vor Gericht erzwingen.

Das Schweigen und die Enthaltung von Innenminister Friedrich in der Ministerrunde sind skandalös. Anstatt sich schützend vor unsere Verfassung und die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürgern zu stellen und gegen das schon wegen der fünfjährigen Speicherdauer klar grundgesetzwidrige Vorhaben zu votieren, legt er die Hände in den Schoß. Die Überwachungsideologie der CDU/CSU führt im Ergebnis zu konkreten Einschränkungen der Rechte der Bürgerinnen und Bürger, während die Sicherheitsversprechen wolkig bleiben und durch nichts belegt sind.

Dabei hätte die Schaffung der riesigen EU-Fluggastdatenbank auch Folgen für die Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese nur unter der Bedingung für zulässig gehalten, dass in einer ,,Überwachungsgesamtrechnung“ nicht noch anderweitige Massenspeicherungen bestehen, welche eine Neubewertung erforderlich machen würden. Damit bestehen gute Chancen, dass auch ein neuer Versuch die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie umzusetzen, erneut in Karlsruhe scheitern würde.

Angesichts der Gesamtentwicklung bleibt es vordringliches Ziel der grünen Netz- und  Innenpolitik, verloren gegangene Freiheitsräume zurückzugewinnen und die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger aktiv zu stärken.

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