Der Branchenverband BITKOM hat im Vorfeld seines 22. Politischen Abends am 25. Februar 2013 die Obleute der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ aller fünf im Bundestag vertretenen Fraktionen um eine kurze Bewertung der Arbeit der Kommission gebeten.

In meinem Beitrag habe ich mich vor allem mit drei Fragen beschäftigt: Wie ist die Arbeit der Enquete insgesamt – auch mit Blick auf die Zusammenarbeit mit Sachverständigen und anderen Fraktionen – zu beurteilen? Was sind die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit? Wie geht es jetzt, nach Beendigung der gemeinsamen Arbeit im Rahmen der Enquete, netzpolitisch weiter?

Meinen Beitrag, den Ihr im Original auch direkt auf digitalewelt.org nachlesen könnt, dokumentieren wir auch hier noch einmal. Wie immer gilt: Über Eure Kritik und Anregungen freue ich mich.

Internet-Enquete: Vom Experimentierfeld zur dauerhaften Verankerung der Netzpolitik

Ihrer Aufgabe, den digitalen Wandel unserer modernen Wissens- und Informationsgesellschaft umfassend zu beleuchten, ist die Enquete-Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ gerecht geworden. Letztendlich ist es  gelungen, sich auf realistische, teils sogar visionäre Bestandsaufnahmen und – oftmals fraktionsübergreifend formulierte – durchaus progressive Handlungsempfehlungen zu verständigen. Von der Arbeit der Kommission kann der Bundestag noch lange profitieren.

In den letzten drei Jahren hat sich der Deutsche Bundestag derart intensiv mit netzpolitischen Fragen beschäftigt, wie es kaum ein anderes Parlament dieser Welt bisher getan hat. Und das hat Früchte getragen: Die anfängliche Skepsis gegenüber dem, im Bundestag bislang doch eher am Rande wahrgenommenen Thema Netzpolitik, ist letztendlich einem breiteren, fraktionsübergreifendem Verständnis für die gravierenden Änderungen, die mit der Verbreitung des Internets und der Digitalisierung einhergehen, gewichen. Diese neue Offenheit ist der wohl größte Gewinn der dreijährigen Arbeit der Kommission. Auf sie gilt es nun aufzubauen.

Von Widerständen von gestern zum „Parlament der Zukunft“
Die Zusammenarbeit mit den anderen Fraktionen und den Sachverständigen war weitestgehend erfreulich konsensorientiert, was nicht heißt, dass wir uns als Grüne hier und da nicht noch etwas progressivere Positionen und etwas mehr Mut gewünscht hätten. Während die Zusammenarbeit mit dem Enquete-Sekretariat und den dort beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die oftmals unter hohem persönlichen Einsatz, spätere Konsense erst ermöglicht haben, sehr gewinnbringend war, gab es, gerade zu Beginn der Arbeit der Kommission nicht unerhebliche Schwierigkeiten, im Hinblick auf Zusammenarbeit von Kommission und Verwaltung.

Alle Fraktionen waren sich von Anfang an einig, dass es nicht nur Ziel der Kommission sein muss, möglichst gute inhaltliche Ergebnisse vorzulegen, sondern auch eine möglichst hohe Transparenz während der Arbeit selbst zu gewährleisten. Darüber hinaus war es der Kommission ein wichtiges Anliegen, Erfahrungen bezüglich neuer Beteiligungsmöglichkeiten zu erschließen, auf die das Parlament später aufbauen können sollte. Während das Streaming der einzelnen Sitzungen und die Etablierung von WLAN in den Ausschusssälen vergleichsweise unproblematisch realisiert werden konnten, gab es erhebliche Widerstände, als es darum ging, die Beteiligungsplattform Adhocracy auf den Seiten des Bundestages zu installieren. Letztlich gelang es leider lediglich Adhocrcy mittelbar zu nutzen.

Erfolgreiche Einbindung des „18. Sachverständigen“
Nur durch das hohe ehrenamtliche Engagement der Beteiligten war es schließlich möglich, die von vornherein durch einen Beschluss des Bundestages gewünschten Beteiligungsmöglichkeiten auch tatsächlich zu etablieren. Nur hierdurch konnten wir, eine Beteiligung gewährleisten, die weit über das Maß alles bisher Dagewesenen hinausging: So war es  interessierten Bürgerinnen und Bürger während den Enquete-Anhörungen möglich, eigene Fragen per Twitter an die geladenen Sachverständigen zu richten und die inhaltliche Arbeit der einzelnen Projektgruppen durch eigene Vorschläge zu bereichern. In der Rückschau haben sich sämtliche Befürchtungen, was die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger in die Arbeit des Parlaments anbelangt, als unbegründet erwiesen. Vielmehr hat die gesamte Kommission gewaltig von der Einbringung eigener Ideen, Formulierungsvorschläge und Handlungsempfehlungen der Bürgerinnen und Bürger profitiert.

Vorherrschendes Lagerdenken verunmöglichte noch progressivere Beschlüsse
Insgesamt war die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen sowie den insgesamt 17 Sachverständigen, die eine wirkliche Bereicherung für die inhaltliche Arbeit der Kommission darstellten, stets von großer Kollegialität geprägt. Allerdings, auch das soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, war nicht jede Abstimmung frei von Koalitions-Oppositions-Mechanismen und natürlich war es schwierig, Konflikte in parallel laufenden tagespolitischen Diskussionen gänzlich auszublenden. Das ist bedauerlich, wurde doch so in einigen Bereichen die Chance vertan, über tagespolitische Ereignisse hinaus fraktionsübergreifend tatsächlich Visionäres zu entwickeln. Gleichzeitig gibt es aber durchaus zahlreiche erfreuliche konsensuale Handlungsempfehlungen. Sie alle aufzuzählen, würde den Rahmen hier sprengen. Daher seien  exemplarisch zwei Projektgruppen erwähnt:

Beim Datenschutz wurde ein, von uns stets gefordertes, klares Bekenntnis zur Anonymität im Netz abgegeben sowie eine Empfehlung, datenschutzrechtliche Grundsätze bereits bei Entwicklung neuer Technologien zu beachten (privacy by design) und datenschutzfreundliche Voreinstellungen verstärkt zu nutzen (privacy by default). Im Urheberrecht bekannte man sich zu einem zeitgemäßeren Schutz der nichtkommerziellen, privaten Nutzung urheberrechtlich relevanter Inhalte im Netz, zu der Vereinfachung urheberrechtlicher Vorschriften, der Ablehnung einer weiteren Verlängerung von Schutzfristen und einer verstärkten Förderung und Nutzung von Creative Commons-Lizenzen. In anderen Handlungsempfehlungen sprach sich die Kommission für eine weitergehende Öffnung öffentlicher Dokumente, öffentlicher Daten und Forschungsdaten im Sinne des Open Data Ansatzes aus. Auch für die Gewährleistung der Netzneutralität, die für die weitere Entwicklung des Netzes essentiell ist, aber von der Bundesregierung sträflich vernachlässigt wird, sprach sich die Kommission aus. Ferner bekannte man sich klar zu Open Access, zu freiem Zugang zu Forschungsergebnissen, die mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden, zu freier Software für Lehrmittel und Laptops für Schülerinnen und Schüler sowie zu mehr Open Source Software in der öffentlichen Verwaltung. Schließlich erkannte die Enquête u.a. auch die Notwendigkeit einer umweltfreundlicheren IuK-Technik.

Strukturen überdenken – sowohl im Parlament als auch in der Bundesregierung
Jetzt gilt es, auf die gemeinsamen Handlungsempfehlungen aufzubauen und die wichtigen Erfahrungen, die im Zuge der Arbeit in der Kommission  gesammelt wurden, auch langfristig im Parlament zu verankern. Zudem gilt es zu überlegen, in welchem Rahmen die Netzpolitik zukünftig im Parlament bearbeitet werden soll  und wie es gelingen kann, die neu geschaffenen Beteiligungswerkzeuge auch in anderen Gremien zu verankern bzw. zu verbessern. Die Kommission selbst empfiehlt die Etablierung eines ständigen Ausschusses für diese so wichtigen Themen und die Etablierung von Beteiligungswerkzeugen in möglichst allen Gremien des Bundestages. In der letzten Sitzung der Enquete-Kommission einigte man sich erfreulicherweise zudem darauf, den Abschlussbericht unter einer CC-Lizenz zu veröffentlichen und ihn auch komplett übersetzen zu lassen, wodurch die internationale netzpolitische Debatte weiter vorangebracht werden soll.

Netzpolitik als digitale Gesellschaftspolitik ist heute elementarer Bestandteil praktisch jedes Politikfeldes. Es ist außerordentlich wichtig, Netzpolitik als eines der größten Querschnittsthemen unserer Zeit zu begreifen und sie zukünftig stets und selbstverständlich mitzudenken. Hierfür bedarf es einer Koordination, sowohl innerhalb des Parlaments als auch bei der Bundesregierung. Die parlamentarische Arbeit zu digitalen Aspekten des gesellschaftlichen Lebens muss nun dauerhaft in unserem Parlament an prominenter Stelle verankert werden. Daher begrüße ich es, dass  noch in dieser Wahlperiode erste Gespräche geführt werden, die den Weg für einen ordentlichen Bundestag-Ausschuss für „Internet und Gesellschaft“ in der kommenden Legislatur ebnen. Auch innerhalb der Bundesregierung müssen die bisherigen Strukturen, muss die Koordination, das zeigen die kaum vorhandenen netz- und innenpolitischen Ergebnisse dieser Legislatur leider sehr deutlich, dringend weiter entwickelt werden. Eine koordinierende Stelle an herausgehobener Position scheint aus heutiger Perspektive ein erfolgsversprechender Ansatz. Die Ergebnisse der Enquete-Kommission liefern noch viele andere solcher Ansätze.

Dr. Konstantin v. Notz ist innen- u. netzpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion. Er war Obmann seiner Fraktion in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft. Auch ist er Mitglied des Innenausschusses, stellvertretendes Mitglied des Rechtsausschusses und des Unterausschusses Neue Medien. Außerdem vertritt Konstantin v. Notz die grüne Bundestagsfraktion in der IuK-Kommission des Bundestages.

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