Unter der Überschrift „Geheimer Krieg“ berichten die Süddeutsche Zeitung und der NDR derzeit darüber, dass US-Sicherheitskräfte auf deutschen Flughäfen Personenkontrollen und Verhaftungen vornehmen. Die US-Firma Computer Sciences Corporation (CSC) hat den Berichten zufolge ein dubioses Beratungs- und Sicherheitsdienstleistungsnetzwerk in Deutschland aufgebaut, welches die USA in der Vergangenheit für ihre Verschleppungsflüge („extraordinary renditions“) genutzt haben, und an das die Bundesregierung seit der Wiedervereinigung 180 Millionen Euro für verschiedenste Aufträge gezahlt hat. Weiter wird berichtet, das US-amerikanische Militär- und Sicherheitseinrichtungen in Deutschland mit Unterstützung der Bundesregierung für zweifelhafte Aktivitäten im „Krieg gegen den Terror“ genutzt werden. Der Verdacht, dass von Ramstein und anderen Orten in Deutschland gezielte Tötungen durch US-Drohnen in Afrika gesteuert werden, ist ungeheuerlich – aber nicht neu.

Aus den Reihen der grünen Bundestagsfraktion haben Abgeordnete in den vergangenen Jahren immer wieder Fragen über die Kenntnisse der Bundesregierung an US-amerikanischen Missionen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus und die deutsche Beteiligung gestellt. Als Grüne fordern wir die Bundesregierung seit nunmehr mehreren Wochen auf, zu diesen schwerwiegenden und zum Teil nochmals neuen Erkenntnissen Stellung zu nehmen. Wir hatten beantragt, dass der Deutsche Bundestag am 28. November 2013 zu einer Sondersitzung zusammentritt und die Bundesregierung sich in einer Fragestunde den Fragen der Abgeordneten stellt.

Bundesregierung hat keine Erkenntnisse…

Die Antworten fielen äußerst mau aus. Aus den floskelhaften Antworten ging vor allem eines hervor: Die Bundesregierung will auch in diesem Fall US-amerikanischer Aktivitäten in Deutschland keine eigenen Erkenntnisse haben und findet dies auch – wie bereits in der NSA-Affäre – keineswegs problematisch. Statt Aufklärung zu betreiben, versteckt man sich erneut hinter Zusicherungen der US-Regierung.

Während der Beantwortung der von den Grünen Abgeordneten gestellten Fragen wiederholten die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung gebetsmühlenartig, dass die Bundesregierung „keine eigenen Erkenntnisse“ über von deutschem Boden ausgehende völkerrechtswidrige Handlungen habe. Die Bundesregierung vertraue auch nicht auf entsprechende Medienberichte, sondern auf den amerikanischen Außenminister Kerry und Präsident Obama, die wiederholt zugesichert hätten, deutsches Recht zu achten. Die Frage, wie belastbar derartige Zusicherungen sind, steht zumindest seitdem die US-amerikanische Regierung einräumen musste, das Handy der deutschen Bundeskanzlerin abgehört zu haben, in Frage. Hinsichtlich der Auftragsvergabe der deutschen Bundesregierung an die CSC bestätigt der Staatssekretär des Bundesministeriums des Inneren, es habe insgesamt 424 Aufträge an diese Firma gegeben. Die Bundesregierung sehe „keine Veranlassung“ der Computer Sciences Corporation keine weiteren Aufträge zu erteilen. Klar wurde im Zuge der Fragestunde zudem, dass Menschen- und Bürgerrechte bei der Vergabepraxis keinerlei Rolle spielen, Voraussetzung sei allein ein „fachkundiger und leistungsfähiger Auftragnehmer“.

Leider konnte ich aufgrund der Tatsache, dass ich als Grünes Mitglied des Hauptausschusses, der parallel eingesetzt wurde, nicht persönlich an der Fragestunde teilnehmen. Dennoch habe ich Fragen an die Bundesregierung eingereicht, die von der Bundesregierung schriftlich beantwortet wurden.

Meine erste Frage im Wortlaut:

Wie erklärt sich die Bundesregierung die erheblichen Abweichungen hinsichtlich der ihr offiziell gemeldeten Beschäftigtenzahlen des US-Generalkonsulats (521, siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 17/ 14739 vom 12. September 2013) gegenüber den Zahlen der „Süddeutschen Zeitung“ vom 19. November 2013 (900 Mitarbeiter), und welche konkrete Informationslage hatte die Bundesregierung bzw. den Geheimdienstkoordinator veranlasst, in der letzten Augustwoche 2013 (Bericht der Frankfurter Rundschau vom 9. September 2013) einen Hubschrauberüberflug über das Gelände des Generalkonsulats mit Kräften des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu veranlassen?

Die Antworten erreichten mich nun schriftlich. Hier die Antwort auf meine erste Frage:

In der Antwort auf die Kleine Anfrage in Bundestagsdrucksache 17/14739 hat die Bundesregierung die ihr vorliegenden Zahlen – 521 Mitarbeiter – zutreffend mitgeteilt. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Informationsgrundlage und die Zählweise der Süddeutschen Zeitung vor. Im Rahmen des gesetzlichen Auftrages der Spionageabwehr werden einzelne Lie­genschaften bestimmter ausländischer Staaten vom BW bereits seit Längerem routi­nemäßig oder anlassbezogen aus der Luft begutachtet. Zu dem von Ihnen ange­sprochenen Sachverhalt hat die Bundesregierung in der gebotenen Form das Parla­mentarische Kontrollgremium unterrichtet.

Meine zweite Frage im Wortlaut:

Was hat die Bundesregierung nach Bekanntwerden des Betreibens von mutmaßlichen Abhöranlagen auf den Dächern der Botschaften der USA, Großbritanniens und Russlands zwischenzeitlich veranlasst, um die von diesen Anlagen ausgehenden Gefahren für die nationale Sicherheit sowie bundesdeutsche Interessen konkret zu beheben, und seit wann wusste die Bundesregierung bzw. der Geheimdienstkoordinator konkret von diesen Anlagen (ZEIT ONLINE vom 19. November 2013)?

Die Antwort der Bundesregierung auf die zweite Frage lautet:

Auf die sich aus der Natur der Sache ergebende erhöhte Gefahr einer Ausspähung mobiler Kommunikation im Regierungsviertel Berlins haben die Sicherheitsbehörden regelmäßig sensibilisierend hingewiesen. Dementsprechend werden einzelne Liegenschaften bestimmter ausländischer Staaten vom Bundesamt für Verfassungs­schutz (BfV) im Rahmen des gesetzlichen Auftrages der Spionageabwehr bereits seit Längerem routinemäßig oder anlassbezogen aus der Luft begutachtet. Die im Rah­men derartiger Flüge festgestellten verdeckten Aufbauten lassen jedoch nicht zwangsläufig auf das Vorhandensein von SIGINT-Technik schließen. Die Bundesregierung nimmt die aktuell gegen die USA und Großbritannien gerichte­ten Spionagevorwürfe sehr ernst und prüft intensiv die im Raum stehenden Behaup­tungen. Die Aktivitäten der Nachrichtendienste der verbündeten Staaten unterlagen bislang keiner systematischen, sondern ausschließlich anlassbezogenen Beobach­tung bzw. Bearbeitung in begründeten Einzelfällen. Wenn sich Anhaltspunkte für eine Spionagetätigkeit befreundeter Staaten ergeben, gehen die Verfassungsschutzbe­hörden diesen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nach. Die Spionageabwehr dient der nationalen Souveränität. Sie muss stärker als bisher auch vermehrt Antworten auf den grundlegenden Wandel durch Globalisierung und geopolitische Änderungen geben. Hierfür werden im BfV auch im Lichte der aktuell gegen befreundete Nachrichtendienste im Raum stehenden Vorwürfe alle bisherigen Schwerpunkte überprüft. Die Spionageabwehr wird sich auf diese neuen Herausfor­derungen einstellen. Dies nicht nur in personeller, finanzieller und organisatorischer Hinsicht, sondern gerade auch im Hinblick auf eine notwendige weitere Ertüchtigung, um mit den technischen Möglichkeiten Schritt halten zu können. Dies gilt insbeson­dere auch für die Verstärkung der Cyberspionage-Abwehr. Die Bundesregierung steht zudem in engem Kontakt mit ihren Partnern, um die ge­gen US-amerikanische und britische Nachrichtendienste erhobenen Vorwürfe einzu­ordnen und aufzuklären. Das für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständige Parlamentarische Gremium wird hierüber regelmäßig unterrichtet.

Die grüne Bundestagsfraktion wird auch weiterhin intensiv zu dem Komplex arbeiten. Derzeit erarbeiten wir verschiedenen Kleinen Anfragen, über die wir in Kürze hier noch einmal gesondert berichten werden.

UPDATE: Auch nebenan auf netzpolitk.org hat man sich die Antworten der Fragestunde nochmal genauer angeschaut.

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