Gestern tagte das Bundeskabinett. Unter anderem verabschiedete das Kabinett einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetztes und der Stellung des/der Beauftragten für den Datenschutz. Der Gesetzesentwurf wurde nebenan auf netzpolitik.org veröffentlicht. Eine solche Änderung war einerseits lange überfällig, andererseits springen die vorgeschlagenen Änderungen viel zu kurz.  In einer ersten Einschätzung lässt der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte, Peter Schaar, kein gutes Haar an dem Entwurf und kritisiert diesen als „völlig unzureichend“. Auch wenn wir die Intention der Initiative, welche die Bundesregierung wohlgemerkt um Jahre zu spät und erst nach einer erneuten Mahnung von europäischer Seite vorgelegt hat, die Datenschutzaufsicht auf Bundesebene zu stärken, grundsätzlich begrüßen, sehen wir noch erheblichen Nachbesserungsbedarf. Meine Kritik, die ich an dieser Stelle noch einmal ausführlich darlege, hat das Handelsblatt bereits aufgegriffen.

Zum Hintergrund: Dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit obliegt bislang die Kontrolle über die Einhaltung der Datenschutzvorschriften bei den öffentlichen Stellen des Bundes sowie im Bereich der Telekommunikations- und der Postdiensteanbieter. Er ist damit zuständig für die Gewährleistung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes – GG) und des EU-Grundrechts auf Datenschutz (Artikel 8 der EU-Grundrechtecharta). Artikel 8 Absatz 3 der EU-Grundrechtecharta, der die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des EU-Rechts bindet (Artikel 51 der EU-Grundrechtecharta), schreibt die Überwachung der Datenschutzvorschriften durch eine unabhängige Stelle vor.

Nach den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) unterlag der Bundesbeauftragte für den Datenschutz bislang der Rechtsaufsicht der Bundesregierung und der Dienstaufsicht durch den Bundesminister des Innern (§ 22 Absatz 4, 5 BDSG). Das bedeutete, dass die Bundesregierung ihre Rechtsauffassung gegenüber dem Bundesbeauftragten durchsetzen und der Bundesminister des Innern Disziplinarmaßnahmen gegen diesen verhängen konnte.

Die Personalstellen des Bundesbeauftragten waren gemäß § 22 Absatz 5 Satz 4 BDSG im Einvernehmen mit ihm zu besetzen. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit verfügte demnach nicht über eine eigene Personalhoheit. Vielmehr musste er sich rechtlich wie tatsächlich aus dem Personalpool des Bundesministeriums des Innern bedienen. Als oberster Dienstherr entschied der Bundesminister des Innern über Einstellung, Versetzung, Disziplinierung und Aufstieg der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.

Angesichts der bisherigen Stellung des/der Bundesbeauftragten konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Aufsichtsfunktionen des Bundesministeriums des Innern sowie die maßgebliche Rolle bei Personalentscheidungen einer unabhängigen Ausübung der Datenschutzkontrolle durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einzelfall im Wege stehen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte in seinem Urteil vom 9. März 2010 (C-518/07) die Bedeutung der völligen Unabhängigkeit der Datenschutzkontrolle festgestellt und erläutert. Am 6. April 2011 hatte die Europäische Kommission die Bundesregierung mit einem Brief aufgefordert, binnen zwei Monaten die nach dem EuGH-Urteil erforderliche Reform der Datenschutzaufsicht in Deutschland zu verwirklichen. Allein schon vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass erst jetzt eine entsprechende Regelung vorgelegt wurde. Eine entsprechende Initiative von Seiten der Bundesregierung war lange überfällig. Während die Länder reagiert und entsprechende Anpassungen vorgenommen haben, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung diese, trotz der sehr klaren Aufforderungen, bislang verweigert.

Dabei hatten wir eine entsprechende Diskussion immer wieder angestoßen. Bereits im Juni 2011 hatten wir als Grüne Bundestagsfraktion die Bundesregierung durch die Vorlage eines entsprechenden Antrags aufgefordert,  so schnell wie möglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die völlige Unabhängigkeit des/der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit garantiert und weitere Präzisierungen vornimmt und die Stellung der Datenschutzaufsicht auf Bundesebene insgesamt stärkt.

Wir hatten die Bundesregierung in unserer Initiative aufgefordert, im Einklang mit dem Europarecht sicherzustellen, dass der/die Bundesbeauftragte die vollständige Personalhoheit über seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erlangt, der Bundesbeauftragte von der Dienstaufsicht durch den Bundesminister des Innern oder andere Regierungsbehörden befreit wird, die Dienstaufsicht über den Bundesbeauftragten vielmehr auf Maßnahmen beschränkt wird, die seiner völligen Unabhängigkeit nicht entgegenstehen, der Bundesbeauftragte und seine Behörde keiner Rechtsaufsicht unterliegen, der Bundesbeauftragte und seine Behörde auch weiterhin keiner Fachaufsicht unterliegen, der Bundesbeauftragte auch für die Bereiche der Post- und Telekommunikation wirksame Befugnisse im Sinne von Artikel 28 Absatz 3 Spiegelstrich 2 der Richtlinie 95/46/EG bekommt, insbesondere die Befugnisse, Anordnungen zu treffen, unzulässige Datenverarbeitungen zu untersagen, Bußgelder zu verhängen und betriebliche Datenschutzbeauftragte abzuberufen. Nicht zuletzt ging es uns in unserer Initiative darum, die finanzielle Unabhängigkeit des Amtes des Bundesbeauftragten und damit eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung des Bundesbeauftragten für die effektive Wahrnehmung seiner wachsenden Kontrollaufgaben gesetzlich abgesichert wird.

Seit langem in der Diskussion befindliche, weitere Vorschläge werden leider nur unzureichend umgesetzt. Zwar steht der/die Bundesbeauftragte in Zukunft einer obersten Bundesbehörde vor und ist somit nicht mehr in die Strukturen eines Ministeriums eingebunden. Insbesondere entfällt endlich die Anbindung an das durch seine extreme Frontstellung gegen den Datenschutz bekannte Innenministerium.  Weitere immer wieder angemahnte Schritte wurden jedoch nicht unternommen. Stattdessen werden einzelne Befugnisse des/der Beauftragten, wie beispielsweise die Regelungen zur Zeugenvernehmung, durch die Vorlage der Initiative sogar eingeschränkt, was angesichts der derzeitigen Herausforderungen für die Datenschutzaufsicht insgesamt und die Zusammenarbeit im Rahmen der Aufklärung des Überwachungs- und Geheimdienstskandals durch den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages schlicht inakzeptabel ist.

Auch die Vorgabe des Dienstsitzes (Bonn) mutet so an, als solle hiermit signalisiert werden, dass man es begrüßt, wenn sich der/die Bundesbeauftragte nicht allzu sehr in tagespolitische Belange einmischt. Wir haben es stets als großen Gewinn empfunden, dass der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte in Berlin sehr präsent war und dem Parlament auch auf kurzfristige Anfragen stets als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung stand. Auch vor dem Hintergrund, dass sich die Mehrzahl der von dem/der Bundesbeauftragten zu kontrollierende Bundesbehörden längst in Berlin befinden, sollte sich Ihr Dienstsitz zumindest perspektivisch auch in Berlin befinden.

Ein weiterer, schwerwiegender Kritikpunkt ist, dass der/die Bundesbeauftragte auch in Zukunft keine Sanktionsmöglichkeit gegen Unternehmen der Post- und Telekommunikationswirtschaft, die seiner Datenschutzaufsicht unterliegen, eingeräumt werden sollen. Ob dies mit der im EU-Recht angelegten Verpflichtung, die Datenschutzbehörden mit wirksamen Instrumenten zur Durchsetzung des Datenschutzes auszustatten, tatsächlich in Einklang zu bringen ist, gilt es noch in Ruhe zu bewerten. Neben diesen Punkten ist zu bemängeln, dass keine substanzielle Aufwertung des Postens der/des Bundesbeauftragten insgesamt vorgenommen wird, mit Ausnahme einer Gehaltsaufbesserung für Frau Vosshoff. Die bisherige Ausstattung der Behörde wird den aktuellen Herausforderungen der Datenschutzaufsicht auf Bundesebene nicht ansatzweise gerecht. Obwohl, darauf weist Peter Schaar in seinem Beitrag vollkommen zurecht hin, die geplanten Umstrukturierungen zu einem erheblichen Mehraufwand innerhalb der neuen Behörde führen werden, werden der neuen Obersten Bundesbehörde durch die Bundesregierung nur sage und schreibe vier neue Stellen zugebilligt. Das ist absolut unzureichend und beweist leider, auch vor dem Hintergrund anderer, jüngster Personalentscheidungen, welchen Stellenwert der Datenschutz auch innerhalb der neuen Bundesregierung tatsächlich hat.

Im Zuge der weiteren parlamentarischen Beratungen der nun von der Bundesregierung vorgelegten Initiative werden wir unsere Kritikpunkte am Vorgehen der Bundesregierung deutlich formulieren und werden nach 2011 auch in dieser Legislaturperiode einen eigenen Vorschlag zur tatsächlichen Stärkung der/des Bundesbeauftragten vorlegen.

Tags

Comments are closed

Archive