Derzeit macht der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Überwachungs- und Geheimdienstaffäre erneut Schlagzeilen. Dabei stehen leider nicht immer die inhaltliche Arbeit und die unbestrittenen Aufklärungserfolge des Gremiums im Vordergrund der Berichterstattung. In einem aktuellen Interview, das ich mit dem Weserkurier führte, gehe ich auf die Entwicklungen im Ausschuss ein und skizziere unsere Vorhaben im Zuge der nächsten Sitzungen. Die CDu fordere ich auf, die im Raum stehenden Fragen schnellstmöglich und umfassend zu beantworten, so dass sich der Ausschuss wider auf seinen Aufklärungsauftrag konzentrieren kann. Hier findet Ihr den Originalbeitrag auf den Seiten des Weser-Kuriers. Wie immer gilt: Über Eure Kommentare und Anregungen freue ich mich.

KONSTANTIN VON NOTZ ÜBER DIE ARBEIT IM NSA-AUSSCHUSS

Alexander Pitz 15.02.2015

Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags wird ständig durch Unregelmäßigkeiten beeinträchtigt. Erst der Rückzug des Vorsitzenden Clemens Binninger (CDU), nun das dubiose Ausscheiden des CDU-Obmanns Roderich Kiesewetter, dazu staatsanwaltliche Ermittlungen gegen den neuen Vorsitzenden Patrick Sensburg (ebenfalls CDU). Alexander Pitz hat mit Ausschussmitglied Konstantin von Notz (Grüne) über seine schwierige Arbeit gesprochen.

„CDU muss Klarheit schaffen“

Herr von Notz, ist es unter solch chaotischen Umständen überhaupt möglich, die Spionageaffäre um den US-Geheimdienst NSA vernünftig aufzuarbeiten?

Konstantin von Notz: Ja, das ist möglich. Die Unstetigkeiten bei der CDU sind natürlich ein Problem. Dennoch kommt die Ausschussarbeit voran. Wir haben mehr als 1000 oft als geheim oder streng geheim eingestufte Aktenordner bekommen, die wir systematisch durcharbeiten. Auch die Zeugenvernehmungen funktionieren sehr gut.

Aber viele wichtige Akten bekommen Sie doch gar nicht, weil Bundesnachrichtendienst und Bundesregierung sie nicht herausgeben. Erst kürzlich hat sich der Ausschuss deshalb bei Bundestagspräsident Norbert Lammert beschwert.

Es stimmt, dass uns der Zugang zu bestimmten Informationen strikt verwehrt wird. Wenn sich daran nichts ändert, werden wir dagegen klagen. Allerdings sind die Akten, die wir bereits haben, schon sehr ergiebig. Und das, obwohl viele Sachen geschwärzt, manche auch fragwürdiger Weise herausgenommen wurden.

Welche Informationen enthält man Ihnen denn vor?

Bei Geheimoperationen auf deutschem Boden, die mit Partnern anderer Länder stattfanden, liegen uns zum Beispiel immer nur die Schreiben des BND vor. Wir bekommen nicht die Dokumente der ausländischen Dienste, die ebenfalls zu den Akten gehören. Das ist so, als würde man bei einem Liebesbriefverkehr nur die Briefe der einen Seite lesen: Ein schiefes Bild entsteht. Wenn der NSA mit dem BND ans deutsche Glasfasernetz geht, um Daten abzugreifen, ist der Grundrechtseingriff einfach zu gravierend, als dass man dem Bundestag entscheidende Dokumente vorenthalten darf.

Wer blockiert am meisten, BND oder Bundeskanzleramt?

Das kann man im Detail nicht genau sagen. Aber das Kanzleramt trägt die politische Verantwortung und hat dafür zu sorgen, dass das Parlament seinen Auftrag erfüllen kann. Insofern kann ich nur an die Verantwortlichen appellieren, ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Es wäre für einen Rechtsstaat wie die Bundesrepublik fatal, wenn der Verdacht aufkäme, dass da etwas vertuscht werden soll.

CDU-Kanzleramtsminister Peter Altmaier hat beklagt, die Ausschussmitglieder hätten schon öfter geheime Daten über die Kooperation von BND und NSA an die Öffentlichkeit weitergegeben. Ist der Vorwurf berechtigt?

Ich habe es so verstanden, dass er sich allgemein darüber beklagt hat, dass einige wenige Informationen nach außen gedrungen sind. Das ist unbestreitbar der Fall. Wer aber was wo durchsteckt, ist ganz und gar nicht klar. Es gibt viele Leute auch auf Regierungsseite, die diese Akten bekommen. Eine pauschale Schuldzuweisung an das Gremium weisen wir geschlossen zurück. Es gibt jedenfalls keinen akzeptablen Grund, das Parlament nicht zu informieren. Geheimdienste müssen sich der parlamentarischen Kontrolle stellen, gerade bei so sensiblen und problematischen Vorgängen, wie wir sie untersuchen.

Welche Folgen müssen die westlichen Dienste überhaupt befürchten, wenn bei der Kontrolle Verstöße bekannt werden?

Sie stehen jetzt unter enormem Druck, weil sie ein milliardenteures globales Überwachungssystem aufgebaut haben, das sich vor den eigenen Gerichten sukzessive als rechtswidrig erweist. So hat ein britisches Gericht vor einigen Tagen die Praktiken des britischen GCHQ als illegal verurteilt. Genau darum geht es: Recht und Ordnung müssen wiederhergestellt werden.

Lassen Sie uns über Roderich Kiesewetter sprechen, der sich als CDU-Obmann aus dem NSA-Ausschuss zurückgezogen hat, weil Verbindungen des BND zum Reservistenverband bekannt wurden, dessen Vorsitzender er ist. Der einstige BND-Fürsprecher sagt nun, er sei vom Geheimdienst hintergangen worden.

Ich sage ganz ehrlich: Ich weiß nicht im Detail, was den Kollegen Kiesewetter da getrieben hat und was genau zu seiner Entscheidung führte. Ich weiß nur, dass die CDU schnellstmöglich für Klarheit sorgen muss.

Ebenfalls heikel sind die Ermittlungen gegen den amtierenden Ausschussvorsitzenden Patrick Sensburg, der seine Freundin geschlagen haben soll. Kann er seinen Aufgaben noch nachkommen?

Ich weiß darüber nur, was in der Presse berichtet wird. Und ich lege großen Wert auf das Prinzip der Unschuldsvermutung, auch bei Bundestagsabgeordneten. Aber die Sache vereinfacht unsere Arbeit nicht. Sollten sich die Vorwürfe erhärten, erwarte ich, dass Sensburg und die CDU sehr schnell entsprechende Konsequenzen ziehen.

Haben Sie eigentlich das Gefühl, dass die Aufklärungsarbeit des Ausschusses gezielt sabotiert wird?

Sagen wir besser: Sie wird bewusst erschwert. Aber wir werden uns von all diesen Querelen nicht entmutigen lassen. Ich arbeite sehr vertrauensvoll mit meinem Kollegen Hans-Christian Ströbele und auch den beiden Ausschussmitgliedern der Linken zusammen. Dieser Ausschuss will und wird die Sache voranbringen und weiter aufklären, was Edward Snowden aufgedeckt hat.

Zur Person
Konstantin von Notz (44) Seit 2009 für die Grünen im Bundestag. Der Jurist aus Schleswig-Holstein ist Obmann seiner Partei im Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre.

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