Am 25.10.2010 fand im Unterausschuss Neue Medien des Bundestages ein Expertengespräch mit Sachverständigen zum Thema Netzsperren statt. Zu den ausführlichen Hintergründen der Anhörung haben wir gebloggt. Im Vorfeld der Anhörung haben alle Fraktionen Fragen an die Bundesregierung gestellt.

Eine unserer Fragen bezog sich auf die technische und personelle Ausstattung des BKAs. Die Frage lautete konkret:

Sind der Bundesregierung die von Fachleuten immer wieder geäußerten Unzulänglichkeiten bezüglich der personellen (z.B. Problem der Beförderungswege) als auch der technischen (z.B. veraltete Bilderkennungssoftware) Ausstattung deutscher Behörden bei der Verfolgung von Straftaten im Sinne von § 184 b StGB bekannt und welche Pläne von Seiten der Bundesregierung gibt es, diese Mängel zu beheben, um so die Strafverfolgung zu effektivieren?

Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Frage verblüffte uns. Die genauen Hintergründe könnt ihr hier nachlesen. So hieß es in der Antwort der Bundesregierung lapidar:

„Verbesserungsmöglichkeiten für das Vorgehen auch im Hinblick auf das eingesetzte Personal werden ständig geprüft und entsprechende Hinweise hierauf stets sorgfältig erwogen.

Verblüfft hat uns vor allem die Tatsache, dass von Seiten der Bundesregierung anscheinend nichts unternommen werden soll, die angesichts der Bedeutung des Themas gering anmutende Zahl von  Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern innerhalb des BKAs aufzustocken, um so die Löschbemühungen zu verstärken, die sich nach Aussagen des Amtes als nach wie vor sehr schwierig erweisen.

Wir erinnern uns: Durch eine Kleine Anfrage der Linken zum “Sachstand `Löschen statt Sperren´” vom 20. Oktober 2010 hat sich herausgestellt, dass innerhalb des BKAs gerade einmal 6, 3 Vollzeitstellen für die Löschung von Seiten, die den sexuellen Missbrauch von Kindern dokumentieren, zur Verfügung stehen.

Durch eine Frage meines Kollegen Martin Dörrmann (SPD), die ebenfalls die Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden zum Inhalt hatte und die Bundesregierung am 15. Oktober 2010 beantwortete, heißt es von Seiten der Bundesregierung:

“Das BKA setzt nach eigener Einschätzung(Hervorhebung durch Verfasser dieses Beitrags) ausreichend Personal zur Bekämpfung der Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie ein. Auch die im BKA zur Verfügung stehende und eingesetzte technische Ausstattung zur Erfüllung dieser Aufgabe ist ausreichend.”

Wir wussten also bislang, sowohl durch die Antwort der Bundesregierung als auch durch die gleichlautenden Aussagen des BKA-Präsidenten Ziercke während der Anhörung im Unterausschuss Neue Medien am 25.10.2010,dass das BKA die personelle Ausstattung als ausreichend empfindet.

Von großem Interesse war nun natürlich die Frage, ob die Bundesregierung die Aussage, dass die personelle Ausstattung des Bundeskriminalamtes für einen effektiven Kampf gegen derartige Missbrauchsdarstellungen auf Internetseiten (der so effektiv nach der eigenen Darstellung des BKA ja bisher nicht verläuft) genauso bewertet. Aus diesem Grund habe ich die Bundesregierung am 28. Oktober 2010 in einer weiteren schriftlichen Frage gefragt:

Wie bewertet die Bundesregierung, auch vor dem Hintergrund, dass man im Zuge der Aussetzung des Zugangserschwerungsgesetzes das Bundeskriminalamt in einem Ministererlass dazu angewiesen hat, Darstellungen von sexuellem Kindesmissbrauch im Internet zu löschen, bzw. deren Löschung zu veranlassen, den Umstand, dass nun bekannt wurde, dass innerhalb des eigens zu diesem Zwecke neu geschaffenen “BKA-Arbeitsschwerpunktes `Löschen statt Sperren´” nach Aussagen des Bundeskriminalamtes lediglich 6,3 Vollzeitstellen für die Erledigung dieser Aufgabe zur Verfügung stehen und ist die Bundesregierung, unabhängig von den Aussagen des Bundeskriminalamtes, der Ansicht, dass ihr Ziel einer möglichst effektiven Löschung von Internetseiten, die den sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet dokumentieren, angemessen verfolgt werden kann?

Am 3. November 2010 ist die Antwort der Bundesregierung eingetroffen. Sie lautet folgendermaßen:
Das Hinwirken auf die Löschung kinderpornographischer Inhalte im In- und Ausland gehört seit jeher zu den Aufgaben des Referates „Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen“ des Bundeskriminalamtes (BKA). Die Veranlassung der Löschung kinderpornographischer Inhalte im Inland fällt dabei regelmäßig in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Zur Veranlassung der Löschung kinderpornographischerInhalte im Ausland werden seitens des BKA folgende Arbeitsschritte durchgeführt.

1) Hinweisaufnahme zu kinderpornographischen Internetseiten.
2) Prüfung, ob die gemeldete Internetseite tatsächlich Missbrauchsdarstellungen von Kindern enthält.
3) Feststellung des Staates in dem der Rechner betrieben wird, der das gemeldete Material bereitstellt

4) Meldung an die Strafverfolgungsbehörden des zuständigen Staates und Bitte um unverzügliche Löschung über den Interpolmeldeweg; parallele Meldung an die Beschwerdestelle „jugendschutz.net“ mit der Bitte, die Löschung über den INHOPE-Partner im Standortland des Rechners bzw. durch unmittelbare Kontaktaufnahme zum Betreiber zu betreiben.
5) Kontrolle, ob der Inhalt unter der gemeldeten Adresse nach sieben Tagen noch verfügbar ist; bei fortdauernder Abrufbarkeit der Seite erneute Meldung verbunden mit erneuter Löschbitte an den Staat, in dem der Rechner betrieben wird.
6) Führen der Evaluierungsstatistik.

Für die Aufgaben werden 6,3 Vollzeitäquivalente im BKA eingesetzt. Weiteres Personal ist in anderen Arbeitseinheiten mit unterstützenden Tätigkeiten befasst. Im Mittel werden ca. 150 kinderpornographische Webseiten pro Monat durch das BKA an das Ausland gemeldet. Verbesserungsmöglichkeiten für das Vorgehen auch im Hinblick auf das eingesetzte Personal werden ständig geprüft.

Zur Bewertung der Antwort auf meine Frage vom 28. Oktober 2010:
Die Antwort der Bundesregierung ist leider keine. Zumindest keine auf die von mir gestellte Frage nach der Position der Bundesregierung, ob sie der Meinung ist, dass 6,3 Vollzeitstellen ihrer Ansicht nach ausreichen, das verfolgte Ziel einer möglichst effektiven Löschung von entsprechenden Inhalten zu erreichen. Die von ihr ausgeführten Aufgaben des BKAs beziehen sich nicht nur nicht auf meine Frage, sie sind zudem längst bekannt. Sie fußen auf dem Ministererlass, der im Zuge der Aussetzung des Zugangserschwerungsgesetzes an das BKA übermittel wurde. Auch der letzte Satz der „Antwort“ bezieht sich weder auf meine Frage, noch ist er neu: Er stand – beinahe wortgleich – in der bereits oben von mir erwähnten Antwort der Bundesregierung.

Ihrer Auskunftspflicht bezüglich meiner Frage ist die Bundesregierung durch diese Aneinanderreihung bekannter Tatsachen leider nicht nachgekommen. Aus diesem Grund habe ich heute das Innenministerium noch einmal in einem persönlichen Brief um eine tatsächliche Beantwortung der von mir gestellten Frage gebeten.

Über die Antwort der Bundesregierung halten wir Euch abermals auf dem Laufenden.

UPDATE: Die Antwort der Bundesregierung wurde uns am 18. Nov. 2010 zugeleitet. Sie lautet:

Sehr geehrter Herr Dr. von Notz,

für Ihr Schreiben vom 9. November 2010 in welchem Sie um Bewertung der Frage bitten, ob mit 6,3 Vollzeitstellen beim Bundeskriminalamt das Ziel einer möglichst effektiven Löschung von Internetseiten, die den sexuellen Missbrauch von Kindern dokumentieren, angemessen verfolgt werden könne, danke ich Ihnen. Ihrer Bitte um Stellungnahme zu dieser Frage, die aus Ihrer Sicht im Rahmen der Beantwortung einer von Ihnen gestellten schriftlichen Frage nicht hinreichend beantwortet wurde, komme ich wie folgt nach:

Bei ca. 1 875 Hinweisen auf kinderpornografische Webseiten, welche im Bundeskriminalamt (BKA) pro Jahr eingehen, hat jeder der eingesetzten Beamten mehr als vier Arbeitsstunden zur Verfügung, um einen Hinweis zu bearbeiten. Angesichts der im Rahmen der Antwort auf Ihre schriftliche Frage angeführten Aufgaben ist diese Zeit ausreichend bemessen. Auch tatsächlich werden alle Hinweise innerhalb weniger Stunden abschließend bis zur Weiterleitung bearbeitet. Somit ist der Personaleinsatz des BKA weder nach den Regeln der Personalbedarfsberechnung, noch nach dem tatsächlichen Ergebnis zu beanstanden.

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