Vor einigen Wochen wurden interne Dokumente geleakt, die zeigten, dass das Auswärtige Amt seine IT-Systeme seit Herbst letzten Jahres aufwändig auf die in der Bundesverwaltung dominierende Windows-Software umrüstet. Unter der rot-grünen Bundesregierung war ein Großteil dieser Arbeitsplatzrechner auf Open-Source-Software umgestellt worden. Seitdem wurde das Auswärtige Amt immer wieder gerne als Open-Source-Leuchtturmprojekt herangezogen.

Trotz wiederholter Bescheinigung der Wirtschaftlichkeit wird nun aber an den Arbeitsplätzen im Auswärtigen Amt und in den Botschaften weltweit in einem zweistufigen Verfahren erst Windows XP und dann Windows 7 installiert. Als Begründung werden von der Bundesregierung „höhere Wirtschaftlichkeit“ und  mangelnde Benutzerfreundlichkeit der verwendeten Freien Software angeführt (Siehe Antwort auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion, PDF).

Es ist zwar gut nachvollziehbar, dass es für die Mitarbeiter einfacher und vertrauter ist, das gewohnte Windows zu verwenden. Unverständlich ist hingegen, dass das Auswärtige Amt nicht in die Benutzerfreundlichkeit der verwendeten Software investiert hat und, wie aus den geleakten Dokumenten hervorging, beispielsweise veraltete Versionen des Mailprogramms Thunderbird verwendete. Denn: Wenn nicht dauerhaft auf die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer eingeht, liegt es auf der Hand, dass eine solche Umstellung nur schwer durchzusetzen ist. Dass die Umstellung auf Freie Software auch eine Erfolgsgeschichte sein kann, hat das Beispiel der Stadt München gezeigt.

Als Grüne unterstützen wir die stärkere Verbreitung Freier Software, die umfassende Vorteile bietet, seit langem. Freie und quelloffene Software stellt eine sichere, wirtschaftliche und nachhaltige Alternative zu proprietärer Software dar, die oftmals mit einer marktbeherrschenden Stellung weniger Anbieter einher geht, wodurch sich vielfältige, v.a. auch sicherheitstechnische Nachteile ergeben. Freie Software ist dabei dadurch definiert, dass sie von jedem Menschen für jeden Zweck verwendet, ihre Funktionsweise mit Hilfe des Quellcode verstanden, kostenlos oder gegen ein Entgelt verbreitet und verändert werden darf.

Nutzerinnen und Nutzer von freier und quelloffener Software sind durch die Bereitstellung des Programmcodes in der Lage, die Anwendungen unabhängig von wirtschaftlichen Interessen einzelner Unternehmen und den Lebenszyklen eines Produktes weiterzuentwickeln. Sicherheitslücken können somit schneller gefunden und behoben werden. Die Förderung freier und quelloffener Software bietet somit nicht nur wirtschaftliche und sicherheitstechnische Vorteile, sie ist auch für eine am Gemeinwohl orientierte Politik essentiell. Darüber hinaus kann ein verstärkter Einsatz von freier und quelloffener Software einen wichtigen Beitrag leisten, Unternehmen in innovativen Wirtschaftsfeldern am Wirtschaftsstandort Deutschland zu fördern.

Die Haltung der Bundesregierung bezüglich der Unterstützung freier und quelloffener Software ist  leider weiterhin unklar: Obwohl mittlerweile ein Open-Source-Kompetenzzentrum des Bundesverwaltungsamtes zur Einführung von quelloffener Software in den Verwaltungen eingerichtet wurde und trotz der Empfehlung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zum vermehrten Einsatz Freier Software ist eine einheitliche und nachhaltige Strategie noch immer nicht erkennbar.

Dass auf den vielen Rechnern des Auswärtigen Amt nun wieder Microsoft Word und Outlook eingesetzt werden soll, verwundert auch vor dem Hintergrund , dass von Seiten des BSI immer wieder angeführt wird, dass die Vielfalt von Software nach wie vor ein „zentraler Aspekt innerhalb der IT-Strategie des Bundes“ wäre und es das Ziel der Bundesregierung sei, Monokulturen zu vermeiden, „weil diese leichter angreifbar und daher sicherheitstechnisch bedenklich“ seien.

Obwohl das BSI „bedeutende strategische Vorteile“ durch den Einsatz freier und quelloffener Software im Prozess der Sicherung von IT-Systemen sieht und auch das Open-Source-Kompetenzzentrum auf seiner Website auf diese Sicherheitsvorteile verweist, werden die unbestrittenen Sicherheitsvorteile Freier Software von der Bundesregierung bisher leider weitestgehend ignoriert.

Angesichts der beinahe zeitgleichen Einrichtung eines Cyber-Abwehrzentrums und der Tatsache, dass nach Aussagen von Vertretern der Bundesregierung die Angriffe auf das deutsche Regierungsnetz in jüngster Vergangenheit stark zugenommen haben, ist die Abkehr von Freier Software im Endanwenderbereich aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar.

Insgesamt macht das jüngste Vorgehen in Sachen Auswärtiges Amt den fehlenden politischen Willen der Bundesregierung deutlich, im Feld der freien und quelloffenen Software auch weiterhin ihrer Vorbildfunktion gerecht zu werden und sich die umfassenden Vorteile freier und quelloffener Software zu Nutze zu machen.

Auch nach der Beantwortung einer Kleinen Anfrage der SPD-Fraktion (PDF, Drs.-Nr. 17/4567) durch die Bundesregierung blieben etliche Fragen offen. Wir haben daher eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, um weitergehende Antworten bezüglich des Umschwenkens des Auswärtigen Amtes im Speziellen, aber auch zum aktuellen Stand der IT-Strategie der Bundesregierung und der Rolle Freier Software im Allgemeinen zu bekommen.

Den kompletten Fragekatalog, den wir an die Bundesregierung gerichtet haben, könnt ihr hier (Update: nun auch als Drucksache 17/5589) nachlesen. Sobald eine Antwort der Bundesregierung vorliegt, werden wir euch hier darüber informieren.

Kurz zur Begrifflichkeit: Freie Software wird oft auch Open-Source-Software genannt, bezeichnet wird damit von der Definition her das gleich. Eine diese beiden Bezeichnungen und Strömungen verbindende Formulierung ist „Free and Open Source-Software“ (FOSS, in unserer Kleinen Anfrage eingedeutscht in „freie und quelloffene Software“).

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