Heute Morgen wird sich der Innenausschuss mit #PRISM beschäftigen. Der Deutschlandfunk hat mich zu den NSA-Abhörpraktiken interviewt. Das Interview, das ihr im Original auf den Seiten des Deutschlandfunks findet (hier auch zum Nachhören), dokumentieren wir auch an dieser Stelle noch einmal.

„Massenhafte Verletzung von Grundrechten“

Grünen-Politiker hält NSA-Abhörpraktiken für verfassungswidrig

Konstantin von Notz im Gespräch mit Jasper Barenberg

Die Datensammlung des US-Geheimdienstes NSA verletzt viele deutsche Bundesbürger in ihren Grundrechten, sagt Konstantin von Notz, Netzpolitiker der Grünen. Angela Merkel müsse von Barack Obama die Einstellung der Methoden und die Löschung aller bisher gespeicherten Daten fordern.

Jasper Barenberg: Sie haben keine Ahnung, was alles möglich ist. Das sagt Edward Snowden über die Spionagemöglichkeiten der US-Geheimdienste. Der 29-jährige Computertechniker war es, der die Washington Post und den britischen Guardian mit Dokumenten und Informationen versorgt hat – Informationen über ein offenbar gigantisches Überwachungssystem, mit dem die amerikanischen Dienste Unmengen an Kommunikationsdaten im Ausland sammeln, durchleuchten und auswerten, vor allem Nutzerdaten von Google, Yahoo, Microsoft oder Facebook. Deckname Prism, Prisma. Es geht um E-Mails, um Chats, Fotos und Videos.

Kritik also in den USA an dem Abhörprogramm. Das ungeahnte Ausmaß lässt aber auch in Berlin und in Brüssel Alarmglocken schrillen. Während sich Innenminister Friedrich überrascht gibt und seine Beamten gerade einen Fragenkatalog ausarbeiten lassen, geißelt Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger schon den Speicherwahn der US-Geheimdienste. Und der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber geht in seiner Wortwahl noch einen Schritt weiter:

„Ich halte die Abhörmethoden der USA für inakzeptabel. Das sind Stasi-Methoden auf Amerikanisch. Die Amerikaner als der Staat, der immer für Freiheit und Menschenrechte eintritt, tritt das mit Füßen, wofür er in der Welt kämpft. Das macht ihn unglaubwürdig und er sollte sofort alles beenden, was hier stattfindet.“

Barenberg: Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber. – Am Telefon begrüße ich Konstantin von Notz, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Schwerpunkt Innen- und Netzpolitik. Schönen guten Morgen, Herr von Notz.

Konstantin von Notz: Guten Morgen, Herr Barenberg.

Barenberg: Stasi-Methoden auf Amerikanisch, wie es der CSU-Abgeordnete Markus Ferber gerade formuliert hat. Trifft das die Sache?

von Notz: Na ja. Was geschieht oder bei dem, was wir wissen, muss man ja immer dazu sagen, was dort praktiziert wird mit diesem Programm Prism, ist schon ausgesprochen kritikwürdig und eine völlig ungeahnte Dimension der anlasslosen und massenhaften Abgreifung, Speicherung und Rasterung von Daten, und man kann sagen, dass das zumindest für die betroffenen Bundesbürgerinnen und Bürger eine massenhafte Verletzung ihrer Grundrechte ist.

Barenberg: Herr von Notz, das Ausmaß mag ja groß sein, aber es geschieht ja auf der Grundlage von Recht und Gesetz. Der Kongress hat dem zugestimmt. Wo ist der Stein des Anstoßes?

von Notz: Gegen die Daten, die von Bundesbürgerinnen und Bürgern gespeichert werden, da hat der Kongress ja nun keine direkte Zuständigkeit, sondern für die gilt unsere Verfassung. Und man merkt ja auch an der Diskussion in den USA, dass dort die Diskussion kippt und dieses immer weitere Drehen an der Sicherheitsschraube keine Akzeptanz mehr findet. Man muss sich den umgekehrten Fall mal vorstellen: Die Bundesrepublik Deutschland würde sozusagen Verfahren anwenden, die massenhaft die Verfassungsrechte von Amerikanerinnen und Amerikanern angreift. Das wäre schon ein erhebliches Problem. Und so ist es eben auch umgekehrt und deswegen werden wir heute Morgen im Innenausschuss schon sehr genau zuhören und sehen, ob die Bundesregierung diese Problematik erkannt hat. Sie hat selbst wenig für den Datenschutz getan in den letzten vier Jahren und jetzt ist eben die Frage, ob sie erkennt, dass wir in dieser Debatte an einem absoluten Wendepunkt sind, und endlich beginnt, etwas für dieses – der Datenschutz ist das Grundrecht des Internet-Zeitalters – Grundrechte von Millionen von Bundesbürgern etwas zu tun.

Barenberg: Und für die wirft sich ja ganz offenkundig die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ins Zeug mit ihrer Kritik, die sie schon geäußert hat, während auf der anderen Seite ja beispielsweise der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich erst mal selber sagt, dass er nur aus der Zeitung davon erfahren hat, und jetzt erst mal in aller Ruhe ein paar Fragen aufschreiben will. Wie schätzen Sie diese Reaktion, diese erste aus der Bundesregierung, ein?

von Notz: Ja das ist die typische Verzögerungs- und Vernebelungstaktik der Bundesregierung. Frau Leutheusser-Schnarrenberger gibt die aufrechte Bürgerrechtskämpferin und Herr Friedrich macht den scharfen Sicherheitsinnenminister, und am Ende passiert gar nichts. So ist es auch nur zu erklären, dass im Bereich des Datenschutzes in dieser Legislatur gar nichts passiert ist, obwohl das eine wirklich drängende Problematik ist, und insofern bin ich sehr skeptisch, dass diese, ich sage mal, „Good Cop, Bad Cop“-Methode am Ende dazu irgendwie führt, dass die Bürgerinnen und Bürger einen besseren Schutz erhalten. Wir haben auch schon einen interessanten Fragenkatalog für Herrn Friedrich vorbereitet. Insofern werden wir sehen, ob die Bundesregierung Ernst macht und mehr für den Datenschutz tut. Frau Merkel hat ja gesagt, sie wird beim Obama-Besuch das Thema ansprechen. Das ist aber eigentlich gar nicht so eine interessante Information. Interessant wäre, wie sie es anspricht, ob sie es kritisiert und ob sie fordert, dass diese Praktiken eingestellt werden, und dass vor allen Dingen die Milliarden von Daten, die offenbar schon gespeichert und gerastert worden sind, dass die auch wieder gelöscht werden.

Barenberg: Die Gelassenheit oder sagen wir, die Zurückhaltung von Teilen der Bundesregierung mag ja auch damit zusammenhängen, dass die Sicherheitsbehörden hierzulande unter anderem von Informationen profitiert haben und mutmaßlich weiter profitieren, die von diesem NSA-Geheimdienst gesammelt worden sind. Das gilt, heißt es aus Sicherheitskreisen, beispielsweise für die Aufklärung der Sauerland-Gruppe und der geplanten Anschläge dieser Gruppe. Können wir uns wirklich über ein System beschweren, das am Ende auch in Deutschland hilft, Terror zu vermeiden, zu verhindern?

von Notz: Wir können uns über ein System beschweren, das verfassungswidrig ist und das die Grundrechte der Menschen verletzt. Das ist in der Tat eine der interessanten Fragen für die nächsten Wochen, inwieweit auch die Sicherheitsbehörden anderer Länder auf diese Informationen zugreifen konnten. Das wäre natürlich die absolute Krönung des Skandals, wenn Drittländer praktisch in Ignoranz gegenüber den Verfassungen einzelner Länder bestimmte Methoden anwenden und dann die Behörden der Bundesrepublik Deutschland auf diese Datenpools zugreifen können. Das wäre auch für das Bundesverfassungsgericht sicher eine interessante Information, wenn die Exekutive da so agiert. Insofern: Da brauchen wir dringend Aufklärung. Und wenn das tatsächlich eine Praxis ist, die besteht, dann muss sie zwingend abgestellt werden.

Barenberg: …, sagt Konstantin von Notz, Bundestagsabgeordneter der Grünen und Netzpolitiker seiner Partei. Ich danke Ihnen für das Gespräch heute Morgen.

von Notz: Sehr gerne.

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