Auch in der letzten Sitzungswoche hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Überwachungs- und Geheimdienstaffäre des Bundestages seine Aufklärungsarbeit fortgesetzt. An dieser Stelle möchte ich kurz vom Verlauf der letzten Sitzung berichten. Heute tagt der Ausschuss erneut. Geladen sind abermals zwei Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND), die vor allem zur Operation EIKONAL, also dem Datenabgriff des BND an einem Netzknoten in Frankfurt, und der Weitergabe der Daten an die NSA in den Jahren 2002-2008 aussagen sollen. Wie immer berichtet netzpolitik.org mit einem Liveblog, so dass alle Interessierten die Möglichkeit haben, den öffentlichen Teil der Sitzung nachzuvollziehen.

Massenüberwachung des Bundesnachrichtendienstes
Langsam fügt sich das Späh-Puzzle zu einem Bild. Trotz des enormen Vernebelungsaufwandes der Bundesregierung. Trotz verzögerter und gänzlich zurückgehaltener Akten, trotz der Schwärzungen gelieferter Akten und der Bockbeinigkeit einiger BND-Zeugen. Die letztwöchige Zeugenvernehmung war zum einen geprägt von einem insgesamt sehr vorsichtig auftretenden BND-Zeugen, der sich nach eigenen Angaben über das Blog von Netzpolitik.org erkennbar sorgfältig auf die Sitzung vorbereitet hatte. Er weigerte sich durchgehend, strukturierende Hilfen und Angaben für die Abgeordneten darüber zu machen, über welche Datenarten und welche Datenquellen er jeweils sprach und berief sich insoweit auf „Methodenschutz“, der vom Verweigerungsgrund des Staatswohles umfasst sei.

Auch hinsichtlich der für die Rechtmäßigkeit zentralen Frage nach der Funktionsweise der zum Schutz von Grundrechtsträgern betriebenen Filtervorkehrungen ließ der Zeuge vieles offen und blieb vage: So blieb unter anderem unbeantwortet, aus welchen Quellen konkret welche Arten von Daten ausgespäht und welche von diesen Datenarten für welche Form der Weitergabe an die NSA zur Verfügung stehen. Klar wurde aber, dass die Zahl von 500 Millionen (korrigiert) Daten monatlich nicht bezweifelt wurde, auch wenn der Zeuge die geringe Zahl von 20 Meldungen dagegenhielt. Meldungen sind bereits ausgearbeitete Berichte, sie sind hinsichtlich des Inhalts an personenbezogenen Daten unspezifisch und können durchaus größere Mengen enthalten. Die zweite Zeugin sprach insoweit von 8-bis 10.000 monatlichen Meldungen insgesamt, die aus den verschiedensten Stellen des BND zusammenlaufen.

Vor allem wollte der erste Zeuge nichts zum Umfang der von den US-Amerikanern zur Verfügung gestellten Rastermerkmale sagen. Insbesondere bei den sogenannten „harten Selektoren“ kann es sich um ganz konkrete Merkmale von Einzelpersonen handeln wie z.B. E-Mailadressen; IP-Adressen; Telefonnummern uv.m. , welche gewissermaßen im Auftrag der NSA gerastert werden. Insgesamt lieferten beide Zeugen ein sehr schillerndes Bild von der Zusammenarbeit mit der NSA, die ja bis heute in Bad Aibling eine Präsenz von Mitarbeitern unterhält. Mal wurde betont, seit der Übergabe habe die alleinige Federführung beim BND gelegen. Dann wurde eingeräumt, die überlassenen Gerätschaften und Programme seien Blackboxes, und auch die Führungsstrukturen seien gedoppelt nebeneinander sprich mehr offene Kooperation als Führung des BND.

Der Blick weitet sich
Über den Einstieg der Zeugenvernehmungen mit Bad Aibling wurde ein für die Aufklärung sehr fruchtbarer Weg gefunden. Denn, das zeigt sich jetzt, gab es in Bad Aibling nicht nur Gruppen von Beamten, die direkt mit NSA-Kollegen tätig waren und teilweise noch sind. Dort lief, neben der Auswertung der Satellitenüberwachung für zentrale Krisenherde der Welt, auch ein Teil derjenigen Daten auf, die der BND projektweise in Frankfurt/Main, also auf deutschem Boden, an den dort verlaufenden Glasfasern erfasst hatte. Zunehmend deutlich wird, dass es sich bei den erfassten und verarbeiteten Daten um gewaltige Mengen handeln muss. Zwar taten die geladenen Zeugen auch im Zuge der letzten Sitzung alles, um konkretere Zahlen und Angaben zu vermeiden. Gleichwohl wurde klar, dass Menschen weltweit von der Massenüberwachung betroffen sind. Je nach Einsatzinstrument und betroffenem Medium erfasst der deutsche Auslandsgeheimdienst bereits heute Metadaten – also Informationen darüber, wer was wann und an welchem Ort getan hat – oder gleich Inhaltsdaten, also vollständige oder teilweise Kommunikationen wie z.B. Inhalte von Mails und Telefonaten.

Nicht mehr geleugnet wird, dass in Deutschland, wohl in Frankfurt/ Main massenhaft Daten an der Glasfaser ausgeleitet und abgegriffen wurden. Die Verteidigungslinie bezieht sich ausschließlich darauf, dass diese nicht massenhaft an die NSA weitergegeben wurden. Ansonsten steht nach wie vor der Verdacht im Raum, dass dieser Datenzugriff womöglich sogar noch stattfindet. Es handelt sich dabei um Massenüberwachung. Denn die eingesetzten Methoden beruhen auf der massenhaften, also Hunderttausende bis Millionen von Bürgern betreffenden Erfassung und zumindest Rasterung der Inhalte von bestimmten Medien wie etwa der Glasfaser, den Servern von Kommunikationsanbietern, den Satelliten oder Funkstrecken. Das haben die bisherigen Aussagen der Zeugen zu Bad Aibling ergeben. Oft werden dabei aus technischen als auch taktischen Gründen auch Massenspeicherungen von unterschiedlicher Dauer durchgeführt. Diese Überwachung erfolgt auch anlasslos. Denn sie erfolgt allein und ausschließlich auf der Grundlage der allgemeinen, insbesondere nach 2001 zusätzlich gewachsenen Wahrnehmung, dass u.a. das zentrale Sicherheitsthema Terrorismus

Rechtsstaatlich gebotene Einhegung der Dienste zum Schutz der Grund- und Menschenrechte
Noch einmal zur Klarstellung: Es geht uns keineswegs an dieser Stelle um die pauschale Abschaffung der Geheimdienste. Dies gilt insbesondere nicht für den Bereich des Auslandsgeheimdienstes, wenn und soweit sich dieser innerhalb der ihm von der Verfassung vorgegebenen Grenzen bewegt, sprich eine ungesetzmäßige Massenausspähung von Grundrechtsträgern nachweislich unterlässt. Wir wollen vielmehr die rechtsstaatlich gebotene Einhegung der Dienste zum Schutz der Grund- und Menschenrechte. Das Ausmaß der Spähaffäre und die immer neuen Details zu den offenkundig rechtswidrigen Verhältnissen im Umgang mit den Kontrollstrukturen, dem Datenschutz im Hause sowie den eingesetzten Instrumenten und Verfahren zwingt im besonders grundrechtssensiblen Bereich der streng abgeschottet arbeitenden und damit nur bedingt demokratisch wie rechtsstaatlich rechenschaftspflichtigen Geheimdienste zu drastischen Reformen, wenn man die zwingend vom Grundgesetz vorgegebene Bindung durch Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte zurückgewinnen möchte.

Sitzung des Untersuchungsausschusses am 13.11.2014
Im Rahmen der heutigen Sitzung werden wir unsere Aufklärungsarbeit fortsetzen. Geladen sind zwei Zeugen aus dem BND. Der erste Zeuge war der damals zuständige Referatsleiter für Abgriffe am Kabel und ist heute Unterabteilungsleiter für die Nachrichtengewinnung im BND. Der zweite Zeuge ist der damalige Leiter der Operation EIKONAL.

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