Medial wird das Thema Netzneutralität, trotz des eG8-Forum mit Schwerpunkt Internet, kaum beachtet. Die Probleme von Telekom-Nutzern mit YouTube, die sich über zu lange Ladezeiten beschwerten, führten zwar zu einer Reaktion innerhalb intressierter Kreise und der damit verbundenen Ankündigung der Telekom, die Kapazität für YouTube zu verdreifachen, dass die Telekom dafür aber in Zukunft Gebühren erheben möchte und dies das Ende der Netzneutralität bedeuten würde, blieb weitestgehend unkommentiert.
Vergangene Woche fand in Berlin eine Diskussion der American Chambers of Commerce (AmCham) zu ein Jahr Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ – Zwischenbilanz und Ausblick“ statt, bei der vor allem Jens Koeppen (Obmann der CDU/CSU-Fraktion in der Enquete) deutlich machte, dass er keinen Handlungsbedarf bei der Frage zur Netzneutralität sieht, da die „Hütte noch nicht brennt“. Ich habe da ein grundsätzlich anderes Politikverständnis. Politik sollte nicht erst reagieren, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist oder „die Hütte brennt“, sondern gerade bei solch grundsätzlichen Fragen frühzeitig mit klarem Kompass agieren. Daher auch mein Einsatz für eine klare gesetzliche Regelung der Netzneutralität, wie ich sie letztes Jahr schon mit der Initiative Pro Netzneutralität mit angestoßen habe.
Auf der Veranstaltung der AmCham hielt auch der Wirtschaftswissenschaftler der Helmut-Schmidt-Universität, Prof. Dr. Jörn Kruse, eine Präsentation, in der er aufzeigte, welche Handlungsmöglichkeiten er in der Debatte sieht. In seinem Fazit legte sich Prof. Dr. Kruse auf das „Priority Pricing“ fest, also Sondergebühren für besonders schnell zugängliche Inhalte im Netz und damit ein Systemwechsel bei der Datendurchleitung. Meine Gegenfrage, wieso nicht das Flatrate-System der Provider beendet werden könnte, wenn sich der „ungezügelte Netzzugang“ als solches Problem erweisst, wurde mit einem Nicken verstanden aber sonst nicht beantwortet. Den Unternehmen ist die Einführung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft im Internet offensichtlich angenehmer als den Kunden die „Unwirtschaftlichkeit“ der Flatrates zu erklären, wenn es denn wirklich dieses Problem des „Datenstaus“ gibt, was ich weiterhin in Frage stelle. Oder „Priority Pricing“ wird als neuer Weg angesehen, mit dem höhere Renditen und eine zunehmende Monopolisierung vorangetrieben werden kann, die angeblichen Engpässe im Netz aber lediglich zur Begründnung oder als Legitimation benötigt werden. An dieser Stelle lohnen sich Nachfragen in allen Debatten zu diesem Thema, denn das Ende der Netzneutralität ist nicht und darf nicht die Antwort sein in dieser Debatte, wie sie allerdings ansonsten gerne von interessierten Gruppen kommuniziert wird. Die Folien von Prof. Dr Kruse bieten einem zudem genügend Ansätze für weitere Diskussionen um die Netzneutralität.
Zum Glück finden weitere Diskussionen in Teilen der Gesellschaft zur Netzneutralität statt, auch wenn sie dort nicht im zentralen Fokus steht. Erst heute wurde eine Stellungnahme des „Katholischen Deutschen Frauenbund“ (KDFB) zu dem Thema veröffentlicht. Dort wird eindringlich pro Netzneutralität Stellung genommen und gefordert: „Das Internet darf nicht zu einem Zweiklassensystem werden, in dem Anbieter und NutzerInnen, die mehr bezahlen, mehr Rechte haben. Ein „Einklassennetz“ als Basis für eine allumfassende Teilhabe muss zum ethischen Leitprinzip einer digitalisierten Welt werden.“ Die Stellungnahme vom KDFB kann als PDF heruntergeladen werden.
Disclaimer: Gleichzeitig hat der KDFB heute eine Stellungnahme veröffentlicht wo Internetsperren im Kampf gegen Missbrauchsdarstellungen nicht ausgeschlossen werden.
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