Alle Macht den Nutzerinnen und Nutzern – unter diesem Motto stand der Abend des 23.5.2011, an dem die grüne Bundestagsfraktion zur langen Verbrauchernacht „Verbrauchermacht im Netz“ eingeladen hatte.

Auf Einladung der verbraucherpolitischen Sprecherin Nicole Maisch und des netzpolitischen Sprechers Konstantin v. Notz diskutierten 150 Gäste online wie offline über die neue Macht der Verbraucher, ökologisches und soziales Einkaufen, die Möglichkeiten des Netzes zur politischen Mobilisierung, die Risiken von Monopolen im Netz und besseren Datenschutz in sozialen Netzwerken.

Auf der Bühne des Grünen Salons der Berliner Volksbühne begrüßte Moderator Christian Stahl dazu Gerd Billen vom Bundesverband der Verbraucherzentralen, Helmut Hagemann von ecoshopper.de, Christoph Bautz von Campact, Jan Kottmann von Google und Luc Delany von Facebook zum Dialog.

“Im Netz hast Du die Macht”

Verbrauchermacht im Netz ist für uns Grüne ein absolutes Muss. Sie stellt die Grundlage für Bürgerrechte in der Digitalen Gesellschaft dar. Als User entscheiden wir mit jedem Klick, wie ein lebenswertes Netz aussehen soll. Proteste, Portale und Pilotprojekte sind aber kein Ersatz für starke Verbraucherrechte. Auch im Netz muss die Informationsqualität geprüft und Marktmissbrauch verhindert werden. Hersteller sollen das Netz mehr als bisher nutzen, um Transparenz über ihre Produkte und Dienstleistungen zu schaffen.

Verbrauchermacht braucht klare Standards für Verbraucherinformation

Die Fraktionsvorsitzende Renate Künast forderte eingangs klare Standards ein, an denen sich Verbraucherinnen und Verbraucher im Internet orientieren können. Auch im Netz ist Unterstützung durch kritische Fachleute nötig, deren Wissen die User durch anbieterunabhängige Verbraucherinformationen unterstützt. „Ich richte mich nach Siegeln und Zeichen, mit denen man schnell informiert wird“, so Künast – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass damit keine Gängelung der Nutzerinnen und Nutzer beabsichtigt ist. Im Gegenteil, ihnen kommt die Freiheit und Gestaltungsmacht zu, im Netz selber nach ihren eigenen Werten zu entscheiden. Dem Staat obliegt dabei die Aufgabe zu, Gesetze und Strukturen zu schaffen, die den Rahmen für ein faires Miteinander setzen.

Gerd Billen, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), stimmte Renate Künast zu und forderte, dass die Informationsansprüche der Bürgerinnen und Bürger gesetzlich abgesichert werden. Die Verbraucherzentrale hat in den eigenen Untersuchungen von Bewertungsportalen feststellen müssen, dass viele Anbieter Daten unredlich aggregieren und eher Quelle von Fehlinformationen sind. Der vzbv versucht mit dem eigenen Portal „Wahrheit und Klarheit“ für den Lebensmittelbereich ein positives Gegenmodell zu entwickeln.

Keine Verbrauchermacht ohne Selbstbestimmungsrecht für Daten

Einig waren sich Künast und Billen auch beim Datenschutz. Ob es ein Selbstbestimmungsrecht über die eigenen Daten gibt oder nicht, stellt ein entscheidendes Kriterium der Verbraucherfreundlichkeit dar. Billen forderte die Grünen auf, die immer noch auf sich warten lassende Stiftung Datenschutz voranzutreiben.

Durch Konsum das Netz verändern? Ja, aber bitte fair, nachhaltig und transparent

Nicole Maisch und Helmut Hagemann diskutierten anschließend über die Möglichkeiten, durch bewusste Wahl auch im Internet ökologisch und sozial zu handeln. „Nachhaltiger Konsum und das Netz gehen Hand in Hand“, so Maisch. Es sei nicht unmöglich, fair und nachhaltig zu produzieren. Mit dem Internet haben die Verbraucherinnen und Verbraucher das optimale Medium an der Hand, um Druck zur Veränderung von Märkten auszuüben. Helmut Hagemann, der selbst das Portal ecoshopper.de betreibt, bezweifelte angesichts der Tendenz zum Greenwashing von Produkten, ob es den schnellen Weg zur klaren Orientierung beim Netzkonsum schon gäbe. Er bekräftigte aber, dass online viele Hilfen existieren, auch wenn gerade die großen Anbieter noch keinen allgemein akzeptierten Standards für Ethik und Nachhaltigkeit folgen. Nicole Maisch appellierte abschließend an Anbieter wie Konsumierende: „Wir müssen Möglichkeiten zur Verhaltensänderung netzgestützt nutzen.“

Partizipation, Protest und das große Dafür im Internet

Wie sich politische Mobilisierung, Bürgerrechte und Datenschutz im Internet vereinen lassen, fragten im Anschluss Christoph Bautz von campact und Robert Heinrich, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von Bündnis 90/Die Grünen. Bautz verwies darauf, wie wichtig die Verbindung von Onlinemobilisierung und Offlineprotest sei. Heinrich knüpfte daran an und stellte fest, dass Internet-Kampagnen die Hemmschwelle zur Beteiligung deutlich gesenkt haben. Es handele sich dabei um einen „Riesen-Fortschritt“, wenn auch nicht ohne qualitative Abstufungen. 500.000 Emails an Angela Merkel bewirken weniger als eine Menschenkette zwischen den AKWs Brunsbüttel und Krümmel mit 120.000 Teilnehmenden. Protest für etwas im Netz, so räumte Heinrich auf Nachfrage des Moderators ein, lässt sich deutlich schwieriger organisieren. Er verpufft zudem – wie man am Beispiel der Pro Guttenberg-Gruppe auf Facebook sehen konnte – wenn es keine Rückbindung an den Protest auf der Straße gibt. Allerdings gilt auch: Protest gegen etwas beinhaltet immer, dass man für eine andere Lösung von Problemen eintritt.

Die Beteiligung der Netzbürger hat aber auch Grenzen. Bautz bekannte sich dazu  in einem kleinen Team die relevanten Themen auszwählen, gerade auch um schnell zu bleiben. Robert Heinrich unterstrich, dass das Netz der perfekte Kanal sei, um Bürgerinnen und Bürgern auf allen Ebenen zuzuhören. Echte Partizipation über das Netz ist möglich, bei den Grünen aber eng mit der Mitgliedschaft verbunden.

Jenseits der Monopole? Vielfalt und Transparenz im Web

Jan Kottmann von Google und Malte Spitz, Mitglied des Bundesvorstands von Bündnis 90/Die Grünen, debattierten danach angeregt über Monopole im Netz. Spitz erzählte, wie er im Vorfeld versucht hatte, einen Tag ohne Google auszukommen. Dies sei „verdammt schwierig“. Jan Kottmann bekannte sich auf die Frage nach der Transparenz Googles zur Devise, Vertrauen zu halten und zu beweisen. Die Firma nehme den Datenschutz sehr ernst, biete viele Privacy-Produkte an und sei mitnichten der Rattenfänger aus Mountainville. Malte Spitz merkte dazu aus grüner Sicht an, dass Datenschutz nicht heißt, dass man keine Daten mehr preisgibt. Vielmehr ginge es um Selbstbestimmung über die eigenen Daten.

Kottmann erläuterte auf Nachfrage das Verhältnis der einzelnen Google-Anwendungen zueinander. Eine Verknüpfung der Daten aus verschiedenen Anwendungen, z.B. von Google Analytics – einem Tool zur Auswertung von Websiteverkehr – und der Suchfunktion von Google fände nicht statt. Stattdessen wären die Daten voneinander in einzelnen Datensilos getrennt, ein YouTube-Account bliebe im YouTube-Datensilo. Eine Verknüpfung sei nur für eingeloggte Anwender im „Google Dashboard“ möglich.

Malte Spitz bemängelte, das Google weiterhin ein Transparenzproblem hat, schon durch die Unüberschaubarkeit der Standorte einzelner Server. Er forderte das Unternehmen auf, seine Produkte stärker zu öffnen. Würde die Netzneutralität aufgehoben, würde ein Monopol negative Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit haben. Kottmann bekannte sich daraufhin zu einem offenen, innovativen Internet.

Schöner Netzwerken mit gutem Datenschutz

Abschließend diskutierten Luc Delany, Policy Director bei Facebook, der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix und Konstantin von Notz über Daten- und Verbraucherschutz in Sozialen Netzwerken. Facebook Europa hat seinen Sitz in Irland, was Luc Delany mit einem Bekenntnis des Unternehmens zum europäischen Datenschutzrecht verband. Man wolle die Plattform entlang der bestehenden sozialen Normen formen. Alexander Dix und Konstantin von Notz begrüßten beide ausdrücklich, dass Facebook ein stärkeres Bewusstsein für mehr Privatsphäre als Nutzerrecht entwickeln will. Von Notz erinnerte daran, dass die interfraktionelle Facebook Privacy NOW-Gruppe innerhalb der Plattform 75.000 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden hat. Den Austritt der Verbraucherschutzministerin Aigner bezeichnete er demgegenüber als kontraproduktiv.

Alexander Dix wies darauf hin, dass nach den bestehenden deutschen Gesetzen die anonyme und pseudonyme Nutzung von Internetdiensten ein Recht der Nutzerinnen und Nutzer darstellt. Demgegenüber verteidigte Delany die Klarnamen-Politik Facebooks: Es gäbe Orte im Internet für pseudonyme Nutzung, aber Facebook sei nicht dieser Ort. Facebook sei die sicherste Umgebung, um Informationen mit Freunden im Internet zu teilen. Angesichts der bekannt gewordenen Datenschutzmängel des Friendfinders – einer Anwendung, mit der man sein Mailkonto nach möglichen Facebook-Freunden durchsuchen kann – zeigte sich Alexander Dix davon nicht überzeugt. Konstantin von Notz hakte nach und fragte, wie der immer weiter verbreitende Like-Button das Surfverhalten der User durch Facebook überwacht. Delany verwies generell auf die Einstellungsmöglichkeiten durch das sogenannte „Application Dashboard“. Diese beträfen auch die Anwendungen von Drittanbietern, nach deren Umgang mit personenbezogenen Daten das Publikum kritisch fragte.

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