Acht Zeitungsverlage haben in Köln Klage gegen die Tagesschau-App für Smartphones eingereicht. Sie kritisieren, dass die Textbestandteile der App den Wettbewerb mit den privaten Anbietern verzerren. Die privaten Bezahlmodelle würden nicht genutzt, weil die öffentlich-rechtlichen Angebote kostenlos dem Markt zur Verfügung stünden. Aufgrund dessen fordern die Zeitungsverlage, dass die Applikation um die Textbestandteile reduziert wird und nur noch Video- und Online-Beiträge angeboten werden.
Ich sehe das anders. Wenn ARD und ZDF junge Menschen nicht erreicht – und diese nutzen nun mal in erster Linie das Netz und immer weniger den klassischen Rundfunk – hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk langfristig verloren. Bereits heute schauen sich viele Menschen auf dem Computer ihre Tagesschau an, in Zukunft werden es immer mehr über Smartphones, oder Tablets tun. Vernachlässigt der öffentlich-rechtliche Rundfunk diese Geräte, vernachlässigt er auch seinen Auftrag. Dieser Auftrag lautet, die Grundversorgung (was im Übrigen keine „Minimalversorgung“ bedeutet) sicherzustellen. Das rechtfertigt die Gebühren, die wir zahlen. Aber wer glaubt noch ernsthaft, dass diese Grundversorgung in fünf Jahren immer noch hauptsächlich über den Fernseher oder das Radio erfolgt? Die Empfangsmedien wandeln sich, sie konvergieren.
Hinzu kommt: ARD und vor allem das ZDF haben seit Jahren mit dem Problem einer zunehmenden „Vergreisung“ des Publikums zu kämpfen. Die Abwanderung der jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauer zu den privaten Anstalten stellt die Aufgabenerfüllung der öffentlich-rechtlichen in Frage, die mediale Grundversorgung für die ganze Gesellschaft zu gewährleisten.
Bei einer Smartphone-Applikation handelt es sich nicht um ein neues Angebot, sondern lediglich um eine Optimierung der Verbreitungsmöglichkeit. Anstatt auf die mobile Internetseite der Tagesschau zuzugreifen, benutzt man eine App als Zugang, um die gleichen Angebote zu nutzen. Mit anderen Worten: Es werden keine anderen Texte für die Tagesschau-App geschrieben, als sie über www.tagesschau.de zugänglich sind. Nun beklagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Dietmar Wolff, dass mit Gebührengeldern Pressetexte geschrieben und digital verbreitet würden. Dieser Streit wurde bereits bei den bisherigen Webangeboten der Öffentlich-Rechtlichen geführt mit dem Ergebnis des Drei-Stufen-Tests. Dank diesem musste sich der immer so beklagte Verwaltungsapparat des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wochenlang mit dem Internetangebot befassen, hunderte Seiten Berichte verfassen und tausende Seiten des Angebotes von ARD und ZDF „depublizieren“. Bei allem Verständnis für die Finanzierungsprobleme gerade kleiner Verlage: Dieses Vorgehen läuft dem Sinn des Internets völlig zuwider. Ob es den Verlagen etwas gebracht hat, weiß ich nicht.
Gleichermaßen abwegig ist die Forderung, die Tagesschau-App mit einem Einkaufspreis zu belegen, um den Wettbewerb mit privaten Anbietern nicht zu verzerren. Fernsehsendungen wie Internetauftritt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden durch die Zahlung der GEZ-Gebühr aller Bürgerinnen und Bürger finanziert – und zwar auch von Zuschauerinnen und Zuschauern, die lediglich ein Smartphone besitzen. Dementsprechend kann von diesen niemand verlangen, zweimal zu zahlen.
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