Abgeordnete des Europäischen Parlaments sowie der Parlamente in Deutschland, Österreich und Luxemburg haben einen Offenen Brief veröffentlicht, der vor den Plänen einer Chatkontrolle warnt. Im Brief werden die nationalen Regierungen dazu aufgerufen, sich für eine sichere Kommunikation, starke Verschlüsselung und digitale Privatsphäre einzusetzen und daher den aktuellen Kompromissvorschlag der belgischen Ratspräsidentschaft abzulehnen. Der grüne Obmann im Innenausschuss und Erstunterzeichner des Briefes Tobias B. Bacherle gibt einen Überblick zum Stand der Debatte und zum Anliegen der Initiative.
Die belgische EU-Ratspräsidentschaft scheint entschlossen, eine allgemeine Ausrichtung der stark umstrittenen CSA-Verordnung ohne Rücksicht auf Verluste zu erreichen. Damit setzt sie die Privatheit unserer aller Kommunikation aufs Spiel. Gegen diese Pläne wehren wir uns in einem gemeinsamen offenen Brief, unterzeichnet von 36 Parlamentarier*innen aus nationalen Parlamenten der EU, sowie aus den Reihen des Europäischen Parlaments.
Für uns ist klar, dass wir sexualisierte Gewalt an Kindern und die Ausbeutung von Kindern, einschließlich der Verbreitung solchen Materials, entschlossen und im Einklang mit dem Rechtsstaatsprinzip bekämpfen müssen. Wenn wir dieses wichtige Thema allerdings im Sinne der EU-Kommission angehen, riskieren wir, dass weder Kinder geschützt werden noch zentrale Aspekte der Verordnung überhaupt mit den europäischen Grundrechten vereinbar sind.
Wir sind alarmiert und befürchten, dass der gegenwärtige Vorschlag des EU-Rates schlichtweg die Vertraulichkeit privater Kommunikation aushebeln würde. Trotz eines Kompromissvorschlags, der die Verpflichtung zum Scannen privater unverschlüsselter sowie verschlüsselter Inhalte auf Video- und Bildmaterial einschränkt, bleibt dieser nach wie vor ein Eingriff in die digitalen Grundrechte. Tatsächlich ähneln die belgischen Vorschläge bemerkenswert den ersten Plänen der Kommission, die im Dezember 2021 bekannt wurden.
Als nationale und europäische Parlamentarier*innen sind wir überzeugt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht mit den europäischen Grundrechten vereinbar sind. Wir setzen uns für die Wahrung des Rechts auf anonyme und pseudonyme Nutzung des Internets sowie für eine Stärkung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ein. Denn eine sichere private Kommunikation ist für jeden Menschen von größter Bedeutung. Dies gilt auch für Kinder, Opfer und Betroffene von sexualisierter Gewalt, um sichere Not- und Hilfsdienste zu ermöglichen – insbesondere in Ländern, in denen sich Menschen nicht auf die Unterstützung und Vertraulichkeit der staatlichen Strafverfolgungsbehörden verlassen können.
Was wir jetzt statt Überwachungsträumen brauchen, ist ein Ansatz, der den Schutz und die Prävention von sexualisierter Gewalt an Kindern in den Vordergrund stellt. Hierfür braucht es mehr Ressourcen und eine gezieltere Koordinierung der europäischen Strafverfolgungsbehörden, die Opferunterstützung im Einklang mit den Grundrechten stärkt.
Unser gemeinsamer Brief ist eine dringliche Warnung, das europäische Bekenntnis zu sicherer Kommunikation und digitaler Privatsphäre sowie den Menschenrechten im digitalen Raum ernst zu nehmen und zu wahren. Daher haben wir alle verhandelnden Regierungen im AStV dringend dazu aufgefordert, die allgemeine Ausrichtung auf der Grundlage des von Belgien vorgelegten Kompromissvorschlags abzulehnen.
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