Dienstag fand vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die mündliche Verhandlung des ZDF-Staatsvertrags statt und eine lange Reise nähert sich dem Ende. Wir erinnern uns: Vor vier Jahren  haben einige wenige Landeschefs einen unabhängigen Chefredakteur aus dem Amt gekickt. Weil er ihnen nicht passte. Weil er zu unbequem war. Mich als frisch gewählte Abgeordnete und ehemalige ZDF-Redakteurin machte es 2009 schier fassungslos, dass solche Schachzüge möglich sind in einem demokratischen Land, das zwei Diktaturen erlebt hat, welche die Macht der Medien schamlos für ihre Zwecke missbrauchten.

Stein des Anstoßes war ein Mann namens Nikolaus Brender, der damalige Chefredakteur des ZDF. Sein Vertrag sollte auf Vorschlag des ZDF-Intendanten Schächter verlängert werden. Dass diese Verlängerung nicht stattfand – was einem Rauswurf gleichkommt- dafür war der damalige hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) maßgeblich verantwortlich. Mit einem Handstreich wurde deutlich, wer bei ARD und ZDF  wirklich das Sagen hat: Die roten und schwarzen Funktionäre in den Aufsichtsgremien. Dabei wäre es ihre Aufgabe, das Programm zu kontrollieren, anstatt es zu bestimmen. Mit der Brender-Affäre haben Koch und Konsorten dem ZDF großen Schaden zugefügt- und damit auch dem gesamten öffentlichrechtlichen Rundfunk. Wer glaubt nach diesem Vorgang noch ernsthaft, das Programm sei frei von politischem Einfluss? Wenn der Chefredakteur schon von der Gnade der Länderchefs abhängt, wie können Zuschauer dann sicher sein, dass Nachrichten und Kommentierung der Politik nach Relevanz und nicht nach politischer Nähe ausgewählt und bewertet werden?

Nun bezahlen aber seit diesem Jahr alle Haushalte in Deutschlandeinen nicht unerheblichen Beitrag für den Rundfunk. Wer das von den Bürgerinnen und Bürgern verlangt, der muss auch dafür sorgen, dass sie dafür ein Programm für sich und nicht für den Staat bekommen. Für uns lag daher eine Klage gegen den ZDF-Staatsvertrag auf der Hand.

Wir wollen keinen Schwarzfunk, keinen Rotfunk und auch keinen Grünfunk. Der Rundfunk muss unabhängig sein. Deshalb müssen die Ministerpräsidenten und Chefs der Staatskanzleien raus aus den Aufsichtsgremien des ZDF, genauso wie aus denen der ARD-Anstalten. Wir als grüne Bundestagsfraktion haben deshalb direkt als Reaktion auf die Brender-Affäre eine Antragsschrift vom renommierten Mainzer Medienrechtler Prof. Dr. Dieter Dörr erstellen lassen, um in Form eines Normenkontrollverfahrens beim Bundesverfassungsgericht gegen den ZDF-Staatsvertrag zu klagen. Dazu braucht es ein Viertel aller Bundestagsabgeordneten oder ein Bundesland, die einen solchen Antrag stellen. Eigentlich kein Problem, denn die Opposition im Bundestag war damals deutlich größer als ein Viertel. Die Linke war sofort dabei, aber die SPD-Bundestagsfraktion hatte dann doch zu große Bedenken, vielleicht weil sie ihrem eigenen Landesvater Kurt Beck, damals Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder, zu sehr ins Handwerk gepfuscht hätte. Von der Union konnten wir uns für die Rundfunkfreiheit eh keine Stimmen erhoffen und auch von der FDP, die damals noch im Bundestag saß, gab es keine Stimme für die Freiheit. So fehlten uns genau 12 Stimmen, um unsere Klage einzureichen.

Dennoch haben wir Grüne erreicht, dass es nun doch zur Verhandlung über den ZDF-Staatsvertrag in Karlsruhe kommt. Durch unsere Antragsschrift und unseren Protest war der öffentliche Druck dann zu hoch: Wir mussten zwar Ministerpräsident Beck zum Jagen tragen, aber am Ende musste seine Landesregierung Rheinland-Pfalz selbst klagen. Auch wenn es etwas kurios ist, dass Beck sich sozusagen selbst beklagt, schließlich hatte er den Staatsvertrag mit den anderen Ministerpräsidenten beschlossen.

Uns kann es letztlich egal sein, wer die Klage einreichte, so lange das Bundesverfassungsgericht jetzt die Staatsferne des ZDF-Fernseh- und Verwaltungsrates prüft. Die Gremienzusammensetzung ist so brisant, weil hier Entscheidungen über das Programm getroffen werden. Das Gericht steht nun vor einem komplizierten Zahlenspiel: Wie viele Politiker sitzen drin, was entscheiden sie, wer darf zur sogenannten Staatssphäre hinzugerechnet werden? Wenn man genau hinschaut, wird deutlich, dass der Staatseinfluss einfach zu groß ist, weil Landesregierungen etwa Vertreter für weitere Gremienpositionen auswählen. So spinnt sich ein Netz, das nicht in erster Linie mit unabhängigem Rundfunk zu tun hat, sondern interessengelenkt ist. Damit muss endlich Schluss sein. Das zeigen wir auch in unserer Stellungnahme auf, die wir als grüne Bundestagsfraktion bei Karlsruhe eingereicht haben.

Nun wird also vier Jahre später der Fall endlich verhandelt. Die Mühlen des Gerichts mahlen langsam, aber sie mahlen. Ich hoffe, dass mit dem Urteil, was innerhalb der kommenden drei Monate erwartet wird, Klarheit geschaffen wird.  Ich erwarte vom Bundesverfassungsgericht Leitplanken, an denen sich auch andere Rundfunkanstalten orientieren können. Denn auch hier ist einiges im Argen. Dabei sollte die Chance genutzt werden, die Gremien nicht nur staatsferner, sondern auch transparenter und zukunftsgerichteter zu gestalten. Dazu gehört auch, eine Besetzung mit den heutigen tatsächlich relevanten gesellschaftlichen Gruppen. Welche Gruppen das genau sind, das könnte meiner Meinung nach am besten eine unabhängige Kommission, besetzt mit Sozialwissenschaftlern und Rechtsexperten definieren. Die Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Die Bürger organisieren sich zwar auch weiterhin in Parteien – aber eben auch in anderen Gruppierungen, zum Beispiel in Nichtregierungsorganisationen oder Vereinen. Die Vertreter in den Aufsichtsgremien von ARD und ZDF sollten die Gesellschaft widerspiegeln. Einige Rundfunkanstalten wie etwa der SWR haben ihre Gremien deshalb auch schon angepasst, dort sind etwa neben anderen Religionsgemeinschaften auch Muslime vertreten. Andere nicht. Mir persönlich fehlen zum Beispiel jüngere Menschen und auch Frauen in der Aufsicht.

Ich bin sehr gespannt, was das Urteil bringen wird. Es wäre schön, wenn wir es letztlich geschafft hätten, diese lange Reise zu einem glücklichen Ende zu führen.

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