eSport ist ein weltweites Phänomen, das Millionen junger und zunehmend auch älterer Menschen begeistert, sowohl als Spielerinnen und Spieler, als auch als Zuschauerinnen und Zuschauer bei Turnieren vor Ort, via Streaming im Internet oder im Fernsehen. Auch in Deutschland wächst die eSport-Szene rasant. Politik und Sport sollten davor nicht die Augen verschließen. Als grüne Bundestagsfraktion haben wir wiederholt eigene Vorschläge in die Debatte eingebracht. An dieser Stelle dokumentieren wir einen Gastbeitrag zur Gamesweekberlin 2019 von Monika Lazar, Sprecherin für Sportpolitik der grünen Fraktion, der im gestrigen Tagesspiegel erschien.

Wie weiter in der eSport-Debatte?

Der erhoffte Durchbruch in der eSport-Debatte blieb am 20. Februar leider aus. Vielmehr zeigte die öffentliche Anhörung zum eSport im Sportausschuss des Bundestags, dass die Positionen von Deutschem Olympischen Sportbund (DOSB) auf der einen und eSport-Bund Deutschland (ESBD) auf der anderen Seite festgefahren sind. Aber auch innerhalb und zwischen den Koalitionsfraktionen verlaufen Gräben zwischen der Sportpolitik auf der einen und der Digitalpolitik auf der anderen Seite.

Das eSport-Versprechen im Koalitionsvertrag

Dabei sollte der Fahrplan doch klar sein: Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, „E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht“ anzuerkennen. Das mag etwas unglücklich formuliert sein, denn eine Sportart anerkennen, kann die Politik nicht im Alleingang, wohl aber kann die Politik die steuerrechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen.

Die grüne Bundestagsfraktion hat einen konkreten Vorschlag dazu vorgelegt. Würden die Regierungsfraktionen ihrem Koalitionsvertrag folgen, hätten wir eine breite Mehrheit, um die Entwicklung des eSports in Deutschland zu fördern und Rahmenbedingungen zu gestalten.

Ablenkungsmanöver: Gewaltdebatte 2.0 …

Auf einmal werden nun aber nur allzu bekannte Ablenkungsmanöver geführt, um das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag wieder zurückzunehmen. Ja, unter den im eSport beliebten Titeln befinden sich auch Spiele, deren Inhalte nicht für alle Altersstufen geeignet sind. Die USK als unabhängige und teilstaatliche Stelle zur Einstufung der Spielinhalte nach Jugendschutzgesichtspunkten aber leistet eine sehr professionelle Arbeit. Die Einstufung der USK ist für die Zugänglichmachung von Spielen verpflichtend, selbstverständlich auch im eSport!

Man fühlt sich derzeit ein Stück weit an die völlig ergebnislose „Killerspiel-Debatte“ der 00er-Jahre zurückversetzt, die eigentlich längst überwunden schien. Irgendeinen Mehrwert, sie noch einmal zu führen, sehe ich nicht. Aber wenn wir sie tatsächlich nochmal aufwärmen wollen,  müssen wir uns auch über reale Gewalt im Sport unterhalten. Wer virtuelle Gewaltdarstellung in Games schrecklich findet (das ist durchaus legitim), aber gleichzeitig mit Gewaltdarstellung in anderen Kunstformen, wie im Film, oder mit ganz realer körperlicher Gewalt im Sport, etwa beim Boxen, wo auch mal bis zum K.O. gekämpft wird, gar kein Problem hat, der führt eine bigotte Debatte.

… und Autonomie des Sports vs. Gesetzgebungsfunktion des Parlaments

Der DOSB hat sich positioniert und spricht nur Sportsimulationen eine Existenzberechtigung im DOSB zu. Das ist sein gutes Recht, denn die Autonomie des Sports ist verfassungsrechtlich geschützt. Autonomie des Sports heißt aber andersherum nicht, dass die Politik allen Empfehlungen des Sports blind folgen muss. Wenn der Gesetzgeber die Förderung des eSports als gemeinnützigen Zweck in die Abgabenordnung aufnehmen will und somit die zahlreichen Amateur-eSport-Vereine und Sportvereine mit eSport-Angebot fördern will, dann kann der Bundestag eine einfache Gesetzesänderung auf den Weg bringen, ohne damit die Autonomie des Sports zu untergraben.

Lassen Sie uns doch in § 52 Abs. 2 Nr. 21 der Abgabenordnung formulieren: „Förderung des Sports (Schach gilt als Sport) und eSports“. Somit würde der Gesetzgeber der noch nicht abgeschlossenen gesellschaftlichen Debatte, ob eSport Sport ist, nicht vorgreifen, aber gleichzeitig die Möglichkeit schaffen, dass der ESBD in Zukunft vom DOSB aufgenommen werden kann. Und vor allem würden wir so das ehrenamtliche Engagement, das heute schon in zahlreichen Amateur-eSport-Vereinen geleistet wird, anerkennen und fördern. Auch dass  die  eSport-Industrie von der Gemeinnützigkeit profitieren würde, ist eine Chimäre. Gewinnerzielungsabsicht kann über die Gemeinnützigkeit nicht privilegiert werden.

Egal ob Sport oder kein Sport, eSport wächst und die Politik muss handeln

Ob eSport nun Sport ist oder nicht,  ist für die Politik sowieso zweitrangig. Die Politik hat darüber nicht alleine zu entscheiden. Hier geht es um eine gesellschaftliche Frage, man kann sie aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln diskutieren und zu verschiedenen Ergebnissen kommen. Für mich persönlich überwiegen die Gründe, eSport als Sport zu begreifen.

Egal zu welchem Ergebnis man aber kommt: eSport wird weiter existieren und weiter wachsen, das sagen alle Prognosen voraus. Eine Absage des DOSB oder des IOC an den eSport wird diese Entwicklung  nicht aufhalten. Und genau deswegen wäre  die Politik gut beraten, sich mit dem Thema  eSport angemessen zu beschäftigen, denn auch abseits der sportpolitischen Fragestellungen gibt es neue Herausforderungen durch das eSport-Wachstum:

Ist Deutschland ein konkurrenzfähiger eSport-Standort oder brauchen wir neue Visa-Regelungen für internationale eSportler? Sind die Jugendschutzgesetze noch passend für eSport-Veranstaltungen? Brauchen kleinere Streamer von eSport-Events wirklich eine Sendelizenz? Wie schaffen wir es, den Stromverbrauch bei riesigen eSport-Turnieren möglichst gering zu halten? Wie schaffen wir es, endlich für mehr Geschlechtergerechtigkeit im eSport zu sorgen? Welche Präventions- und Beratungsangebote schaffen wir für von Computerspielsucht betroffene Gamer und eSportler?

Die Liste an offenen Fragen lässt sich noch x-beliebig fortsetzen. Gehen wir sie an! Und lassen Sie uns mit der Gemeinnützigkeit für eSport-Vereine anfangen, denn hier wird wertvolles ehrenamtliches Engagement geleistet, das die Politik unterstützen sollte.

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