Zu Beginn der Woche hatte ich Gelegenheit, an einer ungewöhnlich besetzten Veranstaltung teilzunehmen. Die Gesprächsrunde „Geodaten in Stadt und Land“ – de Maizières Reaktion auf die Sommerloch-Debatte um Google Street View. Die Veranstaltung war hochrangig besetzt und begrüßenswerter Weise hatte das Innenministerium mit uns Grünen auch die Opposition eingeladen. Die Bundesregierung lief mit gleich drei Fachministern in der Neuen Mälzerei in Berlin auf und auch die Wirtschaft war gut vertreten, etwa mit dem Telekom-Chef persönlich. Auch an einer solchen Besetzung wird wohl die Erkenntnis der Regierung deutlich, dass man bislang in Sachen Datenschutz die Zeichen der Zeit ziemlich verschlafen hat und nun zumindest nach außen demonstrieren möchte, aufgewacht zu sein.

Der zuständige Bundesinnenminister stellte zu Beginn der Veranstaltung relativ überraschend ein Eckpunktepapier vor, das am Ende der Gesprächsrunde wie ein Ergebnis der Veranstaltung rüberkam, obwohl es offensichtlich bereits im Vorfeld formuliert worden war, ohne Ergebnisse des Austauschs aufzunehmen.
Die konkurrierenden Ministerinnen Leutheuser-Schnarrenberger und Aigner konnten nichts ähnliches vorweisen und wirkten entsprechend schlecht vorbereitet. Das Gespräch verlief in recht konzentrierter Atmosphäre und machte die sehr unterschiedlichen und schwierigen inhaltlichen Facetten der Thematik deutlich. Inhaltlich liefert das Eckpunktepapier des BMI wenig Neues. Es dokumentiert eher den Unwillen des Ministers, gesetzlich tätig zu werden. Das mag ihm zwar erstmal ein kantigeres Profil verschaffen, allerdings dürfte diese Haltung wegen der vielen offenen Problemen und Unsicherheiten bei Geodatendiensten noch erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Sicherlich ist das Abbilden der Hausfassade nicht die Kernproblematik der neuen datenschutzrechtlichen Herausforderungen im Internetzeitalter. Aber durch die Gefahr der Verknüpfung dieser Daten mit anderen personenbezogenen Daten werden die Schwierigkeiten und der Regelungsbedarf auch bei StreetView deutlich.

Während die anwesenden Verbandsvertreter der Geodatenwirtschaft sich zum Teil deutlich und unter Verweis auf mögliche Behinderungen des Wachstums eines noch jungen Marktes gegen etwaige Regelungen stellten, entspann sich ein bemerkenswert kritischer Dialog zwischen Herrn Schindler von Google und dem Chef der Telekom Obermann. Schindler betonte die Notwendigkeit von Geodaten am Beispiel von Eltern, die in eine neue Stadt ziehen und sich über die nächstgelegenen Krankenhäuser für etwaige Notfälle informieren wollen. Obermann bezog sich auf dieses Beispiel und erklärte die Probleme begönnen, wenn diese Daten gespeichert und in Bezug mit vergleichbaren Suchanfragen aus dieser Straße oder dem Stadtteil gesetzt würden, um diese entsprechend zu Marketingzwecken verwerten zu können. Während Jens Best erneut mögliche Regelungsvorhaben im Hinblick auf Straßenzüge und Häuserfassaden als unzulässigen Eingriff in die Panoramafreiheit wertete, betonte Schaar, dass in der angekündigten Veröffentlichung von Bildern der Häuser von Widersprechenden ein fehlender Respekt vor gerade den Teilen der Zivilgesellschaft und dem Willen der Einzelnen zum Ausdruck komme, für die die Vertreter der Panoramafreiheit eigentlich sprechen wollen. Seine Forderung nach einem Widerspruchsregister wurde u.a. von Herrn Balz von der Telekom AG unterstützt.

Die offenbar hohe Anzahl bereits erhobener Widersprüche gegen Google Street View dokumentiert einen erheblichen Unwillen und den Widerstand in Teilen der Bevölkerung gegen die digitale Bilderfassung des Wohnortes im Internet.
Wir kritisieren, dass der – auch im Hinblick auf den Ende des Jahres anstehenden Start von Google Street View sowie anderer angekündigter Dienste notwendige gesetzliche Schutz – erneut verschoben und damit der Datenschutz bei Geodatendiensten weiterhin dem GoodWill einzelner Unternehmen überlassen wird. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass sich die interessensmäßig stark divergierenden Geodatenunternehmen in so kurzer Zeit auf eine brancheninterne Regelung zum Datenschutz bei Geodatendiensten werden einigen können – bislang gibt es kein einziges Beispiel einer solchen Regelung – entgegen der seit Jahren anhaltenden Bemühungen der Datenschutzbeauftragten.

Das geradezu pathetisch betonte Plädoyer des Innenministers für die Bewahrung freier Nutzung öffentlicher Räume sucht argumentativ die Nähe zu Teilen der Netzcommunity. Inhaltlich aber meint de Maiziere die Freiheit der Wirtschaft. Die Partei, die wie keine andere den Ausbau der Videoüberwachung öffentlicher Räume zu verantworten hat, der Vorratsdatenspeicherung und den Netzsperren das Wort redet, ist in puncto „Bewahrung der Freiheit öffentlicher Räume“ im Netz schlicht unglaubwürdig.
Grüne Eckpunkte des Umgangs mit Geodaten stellen das Interesse der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt, ohne dass dafür der noch junge Markt der Geodatenwirtschaft über Gebühr belastet würde. Denn mit der Gewährung von Rechtssicherheit durch klare gesetzliche Regelungen wird einheitlich Planungssicherheit auch für Unternehmen geschaffen.
Wir Grüne treten vehement für die Verfügbarkeit öffentlicher Räume für alle Bürgerinnen und Bürger ein und wollen dabei auch Wissenschafts- und Pressefreiheit erhalten. Wie stets sind diese auch grundrechtlich abgesicherten Positionen aber mit anderen Grundrechten wie dem Persönlichkeitsrecht und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Einklang zu bringen.

Die einfachgesetzlich abgesicherte Einschränkung von Urheberrechten durch die Panoramafreiheit ist uns ebenfalls wichtig. Sie kann allerdings nicht die Funktion übernehmen, verfassungsrechtlich abgesicherte Persönlichkeitsrechte zu beschneiden. Wir fordern daher weiterhin eine rasche grundlegende gesetzliche Regelung im Hinblick auf die Wahrung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung bei Geodatendiensten. Dazu zählt auch das in Gesprächen mit Google zu Street View ausgehandelte Widerspruchsrecht. Wir teilen damit die Forderungen der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder.

Category
Tags

Comments are closed

Archive