Auf die drängenden gesellschaftlichen Fragen des digitalen Zeitalters gab das Frontaltheater – gegeben wurde das Stück „IT-Gipfel“ – im Internationalen Congress Center Dresden keine Antworten. Stattdessen wurden stark kritisierte Großprojekte wie der elektronische Personalausweis und De-Mail in überdimensionierten Videostatements über den grünen Klee gelobt. Innenminister Thomas de Maizière stellte die Vorratsdatenspeicherung treuherzig als eine „Mindestspeicherfrist“ dar, wie es sie ja offline schon längst gäbe. Dazu sagen wir: Eine anlasslose, flächendeckende Überwachung der Bevölkerung trägt aber in keinem Fall dazu bei, das Vertrauen in Informationstechnologien zu stärken. Auch Wirtschaftsminister Brüderle redete ganz unliberal vorzugsweise von IT-Sicherheit als Daueraufgabe vor dem Horizont eines „Cyberwar“.

Gestaltungsverweigerung beim Daten- und Verbraucherschutz

Trotz vehementer Forderungen durch den Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar und Gerd Billen, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband, kamen Daten- und Verbraucherschutz auch bei diesem IT-Gipfel entschieden zu kurz. Die Mängel der vom Innenministerium vorgelegten „Roten Linie“ zum Schutz von Geodaten wurden erneut offenbar. Dass diese zumindest „nicht ganz ausreichend“ sei, betonte Verbraucherschutzministerin Aigner nachdrücklich. Sabine Leutheusser-Schnarrenbergers im Vorfeld lauthals platzierte Ankündigungen für einen besseren Datenschutz verpufften angesichts der vorweihnachtlichen Selbstbeweihräucherung von Politik und Wirtschaft. Nutzerinnen und Nutzer müssen sich wohl weiterhin vor allem selbst schützen, solange die Koalition weiter uneins ist.

Wirtschaftspolitik aus dem letzten Jahrhundert

Eins hat auch dieser IT-Gipfel wieder unmissverständlich klar gemacht: Der Bundesregierung gilt die Informationstechnologie zwar als Standortfaktor. Sie setzt aber weiter vor allem auf fragwürdige staatliche Großprojekte, die kaum ohne einen Tropf von Steuergeldern auskommen. Die Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen bleibt dabei ein Lippenbekenntnis, über das auch die Erfolge von „Silicon Saxony“ nicht hinwegtäuschen können. Schwarz-gelb hat immer noch nicht verstanden, dass die Zukunft kommunikativen, webbasierten Geschäftsmodellen gehört. Der Fachkräftemangel bleibt in diesem Sektor eklatant hoch, während die Union eine konstruktive Lösung zur Fachkräfte-Zuwanderung nach wie vor verweigert.

Breitband-Schönrederei, keine Sicherung der Netzneutralität

So tritt Deutschland in Sachen Informations- und Kommunikationstechnik im globalen Vergleich auf der Stelle, ohne dass die halbgare IKT-Strategie der Bundesregierung dem abhelfen kann. Beim Breitbandausbau klafft nach wie vor eine eklatante Lücke zwischen den Erfolgsmeldungen der Koalition und den real existierenden schwarzen Löchern mitten in Deutschland. Ein Megabit pro Sekunde wird nicht reichen, die Innovationspotenziale des Cloud Computing zu entfalten. In Sachen Netzneutralität redet die Bundesregierung den großen Telekommunikationsunternehmen das Wort. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für neutrale Datenübermittlung im Internet bleibt sie den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin schuldig.

Netzpolitik ohne Zivilgesellschaft?

Der IT-Gipfel dokumentierte ein weiteres Mal die netzpolitische Verweigerungshaltung der schwarz-gelben Koalition. Anstatt sich Expertinnen und Aktivisten einzuladen, sperrt sie die Zivilgesellschaft zugunsten einer Schauveranstaltung mit schlechten Computeranimationen aus. Wirtschaftsminister Brüderles unsachgemäßer Vergleich von US-Dokumenten bei Wikileaks mit Stasi-Akten setzte dem die unrühmliche Krone auf. Der notwendige Diskurs über die Gestaltung unserer digitalen Gesellschaft wird an anderen Stellen stattfinden müssen.

Soweit unser Bericht. Wir freuen uns über Eure Kommentare und Hinweise auf weitere lesenswerte Texte.

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