Gestern schrieb zeitonline bereits über ein Papier der Bundesnetzagentur, dass die Kosten der Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung, in dem Papier selbst ist – rhetorisch etwas retro – von der „Vorratsdatenspeicherung 2.0.“ die Rede.

Konstantin hat in einem Beitrag zur Frage, wie es nun, nach der Anhörung des federführenden Rechtsausschusses des Bundestages und der Anmeldung grundlegender Bedenken der Europäischen Kommission sowohl parlamentarisch als auch außerparlamentarisch mit der Vorratsdatenspeicherung weitergeht, u.a. auch auf diese Frage Bezug genommen.

Sie ist v.a. von Interesse hinsichtlich der Frage, wie realistisch es ist, dass auch Unternehmen gegen die Neuauflage der Massenspeicherung erneut vor das Verfassungsgericht ziehen. An dieser Stelle veröffentlichen wir die Präsentation der Bundesnetzagentur (pdf) vom 17.07.2015, die an die Bundestags-Ausschüsse verschickt wurde, so dass sich jeder ein eigenes Bild machen kann.

Die Pläne der Bundesregierung der Einführung der Vorratsdatenspeicherung sind nicht nur verfassungsrechtlich äußerst bedenklich. Sie sind auch Gift für das Vertrauen der Nutzer in digitale Infrastrukturen. Deutlich wird nun auch, welch enorme Belastungen auf die Wirtschaft zukommen.

So werden die Provider auf rechtsstaatlich fragwürdige Weise zu Hilfssheriffs gemacht – und müssen dafür sogar noch erhebliche Kosten von bis zu 15 Millionen Euro stemmen. Die BNetzA schätzt die reinen Investitionskosten der Unternehmen auf ca. 260 Mio. Euro, wobei die jährlichen Kosten für die Aktualisierung der Systeme auf 10 bis 25 Prozent geschätzt werden. Auch sind Personalkosten noch nicht berücksichtigt. Die Kosten pro Provider können demnach auch durchaus höher ausfallen.

Sicher ist schon heute, dass der vorliegende Entwurf gerade für kleine Anbieter eine durchaus existenzielle Bedrohung darstellt. So weist die Agentur ausdrücklich darauf hin, dass gerade diese Anbieter durch das Vorhaben „außerordentlich stark belastet“ werden. Die Frage, wie viele Unternehmen von dieser außerordentlichen starken Belastung betroffen wäre, kann nicht beantwortet werden.

Deutlich wird jedoch, dass die GroKo-Initiaitive absehbar dazu führen wird, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Anbieter die Kosten nicht wird stemmen können. Das heißt wiederum, dass diese Kosten entweder durch eine Entschädigung kompensiert werden müssen, was bedeutet, dass der Steuerzahler für seine eigene Überwachung zahlen muss, oder, geschieht dies nicht,  eine weitere Konzentration von Marktmacht bei wenigen, ohnehin schon sehr großen Anbietern die direkte, absehbare Folge wäre.

Interessant ist auch die „Abschätzung der Abfragehäufigkeit von Verkehrsdaten“ je nach Größe der Anbieter. So haben Anbieter „auf Grundlage der jetzigen statistischen Abfragehäufigkeit bei den Unternehmen (IST-Stand) mit bis zu 1000 Kunden nach Berechnungen der Bundesnetzagentur durchschnittlich alle 2 Jahre mit einer Verkehrsdaten-Abfrage zu rechnen, Anbieter mit bis zu 10.000 Kunden alle 2 Monate, Anbieter mit bis zu 100.000 Kunden haben mit 70 Abfragen pro Jahr zu rechnen und Anbieter mit bis zu 30 Mio. Teilnehmer mit ca. 20.000 Abfragen pro Jahr. Spannend ist natürlich die Frage, in welchem Ausmaß sich die Anzahl der Abfragen nach Vorlage des Gesetzes der Großen Koalition zur Vorratsdatenspeicherung signifikant ändern werden.

Eine fundierte Kostenkalkulation ist bis heute nicht möglich, auch da die Anforderungen an die Speichersysteme noch unbestimmt sind und der entsprechende Anforderungskatalog erst erstellt werden muss. Dennoch will die Bundesregierung in Kürze ihr Gesetz beschließen. Die Gefahr, dass die Provider nun erhebliche Kosten eingehen und das Gesetz in wenigen Monaten von den Verfassungsgerichten wieder einkassiert wird, ist daher enorm groß. Dass sich gerade der Bundeswirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende Gabriel in der Vergangenheit wiederholt für die Vorratsdatenspeicherung eingesetzt hat, irritiert vor diesem Hintergrund zusätzlich.

Auch die Kosten für die Bundesnetzagentur, der die Aufgabe zukäme, die Einhaltung der gesetzlichen und technischen Vorgaben zu überprüfen, Anpassungen an den Anforderungskatalog vorzunehmen und das Sicherheitskonzept fortlaufend zu überprüfen, wären nicht unerheblich. So sind 25 zusätzliche Planstellen hierfür vorgesehen. Allein hierfür werden jährliche Personalkosten in Höhe von 2,9 Mio. € veranschlagt. Hinzu kommen Kosten für die Einrichtung von Testanlagen zur Überprüfung durch die Bundesnetzagentur. Nach dem vorliegenden Papier ist die Höhe möglicher Entschädigungskosten „zum Ausgleich unbilliger Härte“ für Unternehmen, die zur Speicherung verpflichtet werden, „nicht bezifferbar“.

Zusammenfassend hält das Papier fest, dass „derzeit keine fundierte Erhebung möglich“ ist, was die Kosten einer „Vorratsdatenspeicherng 2.0“ angeht. Auch ist die Anzahl der betroffenen Unternehmen unbekannt. Nach „grober Abschätzung der Hersteller“ belaufen sich die reinen Investitionskosten auf die oben bereits erwähnten 260 Mio. Euro, ohne das hierbei bislang Personalkosten berücksichtigt sind.

Zudem wird, das ist interessant, der Vorschlag unterbreitet, eine „Marginaliengrenze“ für kleine Anbieter einzuführen, wodurch keine „größeren Nachteile für die Strafverfolgung“ entstehen, diese Anbieter aber direkt entlastet würden. Die Frage, wie in diesem Fall verhindert werden soll, dass Kriminelle oder Terroristen sich bewusst diese Anbieter auswählen, wird nicht beantwortet.

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