Wie kann sich Journalismus zukünftig im Netz finanzieren? Werden sich die Inhalte nach der Häufigkeit von Klicks richten? Wird die achte Hochzeit von Lothar Matthäus oder ein Artikel über die beste Zubereitung eines Krustenbratens eine größere Relevanz als investigativer Journalismus haben? “Survival of the Clickest?” war der Titel unseres Workshops auf dem netzpolitischen Kongress, auf dem ich zusammen mit unserem Gast Felix Zimmermann, stellvertretender Vorsitzender von freischreiber, und über 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern neue Vergütungsmodelle und Vermarktungsstrategien für Journalismus diskutiert haben.
Ausgehend von den Annahmen, dass immer weniger Menschen die gedruckte Tageszeitung lesen, sich immer mehr kostenlos im Netz informieren, Zeitungen an Auflagen verlieren, Journalistinnen und Journalisten seltener Festanstellungen haben und die Konkurrenz unter den vielen Freien größer wird, haben wir drei Thesen zur Debatte gestellt.
These 1: In zehn Jahren gibt es nur noch wenige angestellte Print- und Rundfunkjournalisten, die Mehrheit finanziert sich via Pay-per-Click.
Die Mehrheit, wenn auch eine knappe, sprach sich gegen diese These aus. In der Debatte kamen verschiedene Szenarien zur Sprache: Verlage etwa könnten Social Payment wie flattr selbst nutzen oder Internetkommunikationsriesen wie Facebook könnten dieser Bezahlungsmethode flächendeckend zum Erfolg verhelfen. Im Moment sei flattr jedenfalls lediglich dort lukrativ, wo ohnehin bereits eine Fangemeinde bestehe. Es werde sich also de facto weniger am Inhalt, sondern stärker am Namen bzw. der Marke orientiert, was unmittelbar die Frage aufwarf, inwieweit – bei einer am „lautesten Artikel“ orientierten Bezahlung – Online-Journalismus noch die Ausübung der Vierten Gewalt für sich in Anspruch nehmen könne. Ein Teil der Teilnehmenden sah jedoch keinen Unterschied zum Journalismus der Offline-Welt („Bild“ etc.). Eine der spannenden Fragen war in diesem Zusammenhang, ob es einer zusätzlichen Finanzierung von „Edelinhalten“ (Hintergrundrecherchen, langen Beiträgen) oder einer zusätzlichen Basisfinanzierung bedürfe. Hier kamen Stiftungen, aber auch Crowdfunding ins Spiel, denen eine wichtige Aufgabe in der Zukunft zugesprochen wurde. Die später angesprochenen alternativen Finanzierungsmodelle in diesem Zusammenhang (zum einen die Kulturflatrate als journalistische Content-Flat, zum anderen das bedingungslose Grundeinkommen) konnten wir aufgrund der knappen Zeit leider nicht ausführlich besprechen. Klar war jedoch: der Trend geht zum Social Payment, die Frage einer Basisfinanzierung muss geklärt werden, ebenso die der Finanzierung von „Edelinhalten“. Klar war auch, dass die Grenzen zwischen Journalist und Blogger weiter verschwimmen werden, für die Frage einer Basisfinanzierung aber nicht unentscheidend sind (denn wer hätte denn dann Anspruch auf eine solche?).
Bei der zweiten These stellten wir die Frage, welche Inhalte in zehn Jahren die meist geklicktesten sein würden (Lokales, Investigatives, Boulevard, personal interest/Rezepte etc.). Die Mehrheit neigte dazu, dem Lokaljournalismus hier den Zuschlag zu geben. In der Diskussion trat aber auch eine Unsicherheit bzgl. derartiger Prognosen zutage wegen der Schnelllebigkeit des Netzes: Vor zwei Jahren habe auch noch keiner etwa Facebook einen solchen Erfolg prognostiziert; selbst bei Netzaffinen gehe die Zukunft nicht über die nächsten fünf Minuten hinaus. Die Politik sei deshalb vor große Herausforderungen gestellt, sie müsse ja schließlich für die nächsten 20 Jahre denken…
These 3 lautete: Gut aufbereitete journalistische Inhalte kann es in Zukunft nur mithilfe der Politik /staatlichen Mitteln geben.
Die Mehrheit lehnte dies ab. Hier war die Diskussion am kontroversesten. Von: „Bereits jetzt sei doch vieles staatlich finanziert (etwa Studiengänge oder Rundfunkgebühr)“, über: „Es brauche Mindesthonorare (eine einheitliche Gebührenordnung) und klarere staatliche Regelungen für Verlage (unlauterer Wettbewerb etc.)“ bis zu großer Skepsis an staatlichem Eingreifen, war fast jede denkbare Position vertreten. Skepsis wurde insbesondere geäußert, weil die Befürchtung im Raum stand, bei jeder Form staatlicher Förderung letztendlich eine Definition des Journalismus finden zu müssen.
In der Zusammenfassung hob Felix Zimmermann hervor, wie wichtig es sei, dass Journalisten das Handeln nicht der Politik überließen, sondern sich selbst organisierten und ihre Interessen artikulierten. Allgemein attestierte er der Runde eine positive Grundstimmung bzgl. neuer Geschäftsmodelle und eine kritische Haltung zu staatlicher Regulierung.
Mir hat die Diskussion Spaß gemacht. Ich habe einige Anregungen bekommen, die ich in meine weitere Arbeit einfließen lassen werde. Weiterhin bin ich für gute Ideen und den weiteren Austausch dankbar. Im Nachgang kam die Idee einer Vernetzung auf. Das fände ich spannend. Wer sich also über mich/uns vernetzen will: Meine Kontaktdaten findet Ihr unter: www.tabea-roessner.de.
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