Der Umgang mit dem Internet und die Kommunikation übers Internet ist für Nutzerinnen und Nutzer aller Altersklassen eine Fähigkeit, die erlernt sein will. Medienkompetenz ist wohl eines der Schlagwörter, das im Zuge netzpolitischer Debatten derzeit am häufigsten zu hören ist – oftmals leider nur, wenn man einmal wieder an die Grenzen der Rechtssetzung gerät und die Medienkompetenz nur allzu gern als potentieller Ausweg aus der Misere aufgezeigt wird.

Darüber, dass eine generationenunabhängige Vermittlung von Medienkompetenz in unserer heutigen Welt von zentraler Bedeutung ist, besteht unter den Mitgliedern der Enquete- Kommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ Einigkeit. Das wurde am Montag, 13. September 2010 als die Enquete Kommission eine Sitzung zum Thema Medienkompetenz abhielt, einmal mehr deutlich.

Ausdruck dieser Einigkeit ist auch die Einsetzung einer Projektgruppe (PG) „Medienkompetenz“ der Enquete, die sich mit der Stärkung der Medienverantwortung bei Anbietern und Nutzern, der Verbesserung der Medienkompetenz und Medienerziehung in Schule, Hochschule sowie Aus- und Weiterbildung im Sinne eines lebenslangen Lernens sowie dem Jugendschutz in den neuen Medien auseinandersetzt.

Die nun vereinbarte Anhörung zum Thema Medienkompetenz findet am
13.12.2010 ab 13 Uhr im Paul-Löbe-Haus des Bundestages statt.

Die Ankündigung findet sich auf der Website der Enquete. Bis zum 8.12.2010 kann man sich für die Teilnahme an der Sitzung noch anmelden.

Die jetzige Anhörung verfolgt das Ziel, sich mit dem Themenfeld  Medienkompetenz tiefgehender zu beschäftigen und grundlegende Fragen mit Hilfe externen Sachverstandes zu erörtern. Hierzu wurden von den Fraktionen Fragen vorbereitet, die die Sachverständigen während der Anhörung beleuchten sollen. Die Fragen wurden grob in drei Blöcke unterteilt:

I. Vermittlung von Medienkompetenz und deren Rahmenbedingungen
II. Zielgruppen und Schutzbedürfnisse: Kinder und Jugendliche, Eltern und Familien, „Silver Surfer“
III. Instrumente digitalen Lernens

Sachverständige

Von uns benannt wurde Harald Gapski. Er promovierte am Fachbereich Kommunikationswissenschaft der Universität GHS Essen, ist Leiter Projektentwicklung des Europäischen Zentrums für Medienkompetenz – ecmc GmbH und Medienkompetenznetzwerk NRW mekonet beim Grimme Institut Gesellschaft für Medien, Bildung und Kultur mbH.

Die weitere Sachverständigen sind:

  • Philippe Gröschel, VZnet
  • Hannes Schwaderer, Initiative D21 e.V.
  • Prof. Dr. rer. nat. Dr. sc. nat. Klaus P. Jantke, Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie
  • Mechthild Appelhoff, Landesanstalt für Medien NRW
  • Uni.-Prof. Dr. Stefan Aufenanger, Universität Mainz
  • Prof. Dr. Helga Theunert, Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis
  • Jürger Ertelt, Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V.
  • Thorsten Unger, work Zone2 Connect GmbH
  • Prof. Dr. Gerd Gigerenzer, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung

Der Fragenkatalaog:

Der vorliegende Katalog ist eine Zusammenstellung der aus den Fraktionen des Deutschen Bundestages eingereichten Fragen zur Öffentlichen Anhörung „Medienkompetenz“ am  13. Dezember 2010. Jeder/jedem Sachverständigen obliegt es selbst, daraus die Schwerpunkte auszuwählen, zu denen sie/er vorab Beiträge verfassen will.

I. Vermittlung von Medienkompetenz und deren Rahmenbedingungen

  • Welche Chancen bietet und welche Herausforderung stellt das Internet an die Medienpädagogik? Welche Bedeutung besitzt Medienkompetenz in der pädagogischen Ausbildung? Wie und in welcher Form kann vor diesem Hintergrund die Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen in Familie, Schule und Ausbildung noch besser gefördert werden?
  • Welchen Einfluss hat die technische Ausstattung bei Kindern und Jugendlichen auf die Erlangung von Medienkompetenz? Wie viele Kinder und Jugendliche haben Zugang zu einem Computer? Können eigene Laptops Bildungschancen eröffnen und den Unterricht unterstützen? Ist die Ausstattung mit Computern oder Spielkonsolen abhängig vom Milieu der Familie? Sind die Bildungschancen in Haushalten geringer, die nur über Spielkonsolen verfügen? Wie kann dem ggf. seitens des Staates entgegengewirkt werden?
  • Welche Instrumente der Medienkompetenzförderung sind erfolgversprechend? Wie können noch mehr Kinder und Jugendliche beispielsweise direkt in sozialen Netzwerken erreicht werden, welche Rolle können dabei virale Kampagnen spielen und gibt es bereits erfolgreiche Beispiele?
  • Wie kann Medienkompetenz besonders erfolgreich vermittelt werden? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?  Welche neuen Strategien zur Vermittlung von Medienkompetenz zeichnen sich ab? Ist die Vermittlung von Medienkompetenz in jedem Alter gleich erfolgreich? Welche altersspezifischen Unterschiede sind bei der Vermittlung von Medienkompetenz zu berücksichtigen?
  • Welche Methoden und/oder Ansätze halten Sie bei der Vermittlung von Medienkompetenz für besonders zielführend und warum?
  • Wo sehen Sie die bislang größten Defizite in der Vermittlung von Medienkompetenz?  Wenn sich die Anforderungen an die Fähigkeiten der Nutzerinnen und Nutzer stetig verändern, was sind dann die Basis-Fähigkeiten, die notwendig sind, um später auf diesen weiter aufzubauen?
  • Wir haben in der Vergangenheit immer erlebt, dass die Aneignung neuer Fähigkeiten dazu geführt hat, dass andere – bereits vorhandene – Fähigkeiten in den Hintergrund gerückt sind (z.B. das Auswendiglernen, nachdem die Schrift erfunden worden ist). Gibt es bei den neuen Informationstechnologien Hinweise darauf, dass „alte“ Fähigkeiten zusehends bedeutungslos werden? Lässt sich – im Gegenzug – erkennen, dass sich durch neue Technologien bei den Menschen auch neue kognitive Fähigkeiten herausbilden?
  • Halten Sie es für sinnvoll, Medienkompetenz zusätzlich zu Lesen, Schreiben und Rechnen als vierte Kulturtechnik zu verstehen und unterrichten oder favorisieren sie ein integriertes Modell, dass Medienkompetenz als Querschnittsthema versteht und sich durch alle Lern- und Lebensbereiche zieht?
  • Die Etablierung von Medien als „Massenmedien“ hat immer verschiedenste Anforderungen mit sich gebracht. Mit der Entstehung der alphabetisierten Schrift und (später) des Buchdrucks wurde z.B. eine Alphabetisierung notwendig. Bei der Etablierung des Rundfunks hat man entsprechende technische Gerätschaften benötigt. Welche Anforderungen werden die internetbasierten Medien mit sich bringen (von den technischen Anforderungen einmal abgesehen)?
  • In welchen Bereichen bestehen strukturell Defizite für Bürgerinnen und Bürger, sich aktiv der für sie wertvollen internetbasierten Dienste selbstbestimmt zuzuwenden?
  • Für welche der bestehenden Defizite existieren bislang keine adäquaten (qualitativ, räumlich, zielgruppengerecht etc.) Angebote?
  • Gibt es strukturelle Defizite bei der Förderung von Medienkompetenz (Wissensmangel, Geldmangel, Kompetenzkonflikte) und wie könnten sie ggf. behoben werden? Empfiehlt es sich, ein lernfähiges System zu etablieren, das frühzeitig neuen Bedarf erkennen und möglichst adäquate Lösungen entwickeln hilft, und wie könnte es ggf. aussehen?
  • Wie definieren Sie die Begriffe Medienkompetenz und Medienbildung und welche Inhalte und Fähigkeiten sollten vermittelt werden? Plädieren Sie für ein bestimmtes Alter, ab dem mit der Vermittlung von Medienkompetenz begonnen werden sollte und auf welche Art und Weise sollte dies erfolgen?
  • Wie beurteilen Sie die Vermittlung von Medienkompetenz in der Europäischen Union sowie vor allem in Deutschland  und in den einzelnen Bundesländern? Gibt es einen gemeinsamen und vergleichbaren „Mindeststandard“ bei der Vermittlung von Medienkompetenz? Wie und mit welchen Maßnahmen kann das aktuelle Vermittlungsdefizit behoben werden, bevor Reformen bei der Lehreraus- und Weiterbildung flächendeckend Wirkung zeigen können?
  • Wie beurteilen Sie die die aktuelle Medienkompetenzvermittlung in der Bundesrepublik? Findet sie ausreichend Berücksichtigung in Aus- und Fortbildung?  Werden die Angebote ausreichend koordiniert zwischen den verschiedenen Bildungsformen, zwischen einzelnen Anbietern, zwischen Bund, Ländern und Kommunen? Medienkompetenz wird durch andauernden Medienwandel zu einem kontinuierlichen und gesamtgesellschaftlichen Lernprozess. Was sollte die Politik tun, um diesen Lernprozess für alle zu ermöglichen?
  • Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Rahmenbedingungen gesellschaftlich;  rechtlich; staatlich / föderalistisch; (netz-)politisch; technisch;  wissenschaftlich; wirtschaftlich für erfolgreiche Medienkompetenzvermittlung?
  • Wie beurteilen Sie die Forschungslage auf dem Gebiet der Medienkompetenz und ihrer Vermittlung? Welche Forschungsvorhaben wären Ihres Erachtens noch nötig, um Handlungsempfehlungen für die Medienkompetenzvermittlung abzuleiten?
  • Wie verändert die Digitalisierung die Voraussetzungen gesellschaftlich-demokratischer Teilhabe und was hat das für Folgen für die Medienbildung? Welche rechtlichen Grundlagen sollten in der Medienbildung vermittelt werden?

II. Zielgruppen und Schutzbedürfnisse: Kinder und Jugendliche, Eltern und Familien, „Silver Surfer“

  • Welche Inhalte und Angebote im Internet übersteigen bei Kindern und Jugendlichen die Fähigkeit sich selbst zu schützen? Lässt sich dies auf einzelne Kategorien von Inhalten eingrenzen? Wie und in welcher Form kann dabei die Zusammenarbeit von Jugendschutz und Medienpädagogik verbessert werden?
  • Bei jedem neuen Medium hat es Versuche von einzelnen Gruppen gegeben, die Gesamtheit davon auszuschließen und das Medium nur auf einen exklusiven Kreis zu beschränken – so z.B. im Mittelalter, wo sich das Schrifttum eine Zeit lang nur auf Vertreter des Klerus beschränkt hat. Sind solche Tendenzen auch bei den internetbasierten Techniken erkennbar?
  • Einmal von Kindern und Jugendlichen abgesehen – welche Personengruppen sollten vorrangig Ziel von Medienkompetenzvermittlung sein und warum? Welche Erfahrungen bei der Medienkompetenzvermittlung gibt es mit verschiedenen Zielgruppen?
  • Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es über die Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen mit Inhalten, von denen im Allgemeinen angenommen wird, dass diese für Minderjährige nicht zugänglich sein sollten?
  • Wie schätzen Sie die präventive Wirkung von Medienkompetenzvermittlung im Hinblick auf Mediensucht bei Kindern/Jugendlichen und Erwachsenen ein?
  • Welche Verantwortung haben Medienanbieter gegenüber Nutzerinnen und Nutzern? Welche Art von Werberichtlinien sind für welche Alterszielgruppe sinnvoll? Wie bewerten sie Micropayment und Abomodelle im Hinblick auf Kinder und Jugendliche?  Halten Sie die Trennung von redaktionellen Inhalten und Werbung insbesondere in digitalen Medien für ausreichend? Sind Nutzungsbedingungen von Medienangeboten ausreichen verständlich gehalten? Wenn Sie eine stärkere Verantwortung von Medienanbietern für nötig erachten, wie soll diese erreicht werden? Reichen hier Selbstverpflichtungen der Anbieter aus oder müsste so etwas gesetzlich festgeschrieben und sanktionierbar werden?

III. Instrumente digitalen Lernens

  • Welche Chancen bieten digitale Spiele sowie insbesondere Serious Games? Wie kann das im Spielerlebnis enthaltene Potential des Lernens ausgeschöpft werden? Welche Voraussetzungen müssen gute Spiele daher erfüllen, um sich erfolgreich beispielsweise in den schulischen Lernprozess oder beim eLearning einzufügen?
  • Welche Komponenten der Medienkompetenz können durch Serious Gaming vermittelt werden? Wo besteht im Bereich des Serious Gaming noch Forschungsbedarf und welche Erkenntnisse beim Erfolg der Kompetenzvermittlung durch Serious Gaming können als gesichert angesehen werden?

Auch im Forum der Enquete könnt ihr weiterhin über Medienkompetenz diskutieren und Eure Vorschläge einbringen.

UPDATE:

Am 22. November tagte die Projektgruppe Medienkompetenz der Enquete und bereitete die Sitzung vom 13.12.2010 vor. Einen kurzen Bericht der Sitzung kann man auf den Seiten der Enquete nachlesen.

UPDATE 10. Dez. 2010: Die bisher eingetroffenen Stellungnahmen der Sachverständigen

Stellungnahme M. Appelhoff
Stellungnahme Aufenanger

Stellungnahme Demmler
Stellungnahme Ertelt

Stellungnahme Gapski

Stellungnahme Gigerenzer

Stellungnahme Gröschel

Stellungnahme Jantke

Stellungnahme Schwaderer

Stellungnahme Unger

UPDATE 12. Jan. 2011: Protokoll der öffentlichen Anhörung eingetroffen:

Protokoll – öffentliche Sitzung Medienkompetenz am 13.12.2010

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