Heute haben SPD und Grüne, die nach den gerade stattgefundenen Bremer Wahlen erneut eine rot-grüne Koalition eingehen werden, ihren Koalitionsvertrag (pdf) vorgelegt.

Wie schon die jüngst ausgehandelten Koalitionsverträge nehmen wir an dieser Stelle auch den Bremer Koalitionsvertrag einmal genauer unter die Lupe.Um es gleich mal vorweg zu nehmen: Aus netzpolitischer Sicht liest sich der Koalitionsvertrag sehr gut. So sind diejenigen Themen, die ganz oben auf der netzpolitischen Agenda stehen, in erfreulicher Art und Weise in das Vertragswerk aufgenommen worden.

Medienkompetenz

In dem Kapitel „Medienpolitik, Datenschutz und Informationsfreiheit“ heißt es gleich zu Beginn auf S. 120:

„Medien sind Bestandteil unseres Alltags. Sie sind in allen Lebensbereichen von Bedeutung und eröffnen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten. Politik ist gefordert, die daraus resultierenden Chancen zu ergreifen und möglichen Gefahren vorzubeugen“, soweit so gut. Weiter heißt es, man wolle „die Teilhabe und den Zugang zum Wissen“ erweitern, wobei „ein diskriminierungsfreier, barrierefreier und einfacher Zugang zu allen Medien eine grundlegende Voraussetzung, um eine weitere Spaltung der Gesellschaft zu verhindern“ sei.

Es folgt ein Bekenntnis, Medienkompetenz, auch vor dem Hintergrund, dass diese ein „zentraler Schlüssel“ für ein lebensbegleitendes Lernen „über die Schulzeit hinaus“ sei, stärker vermittel zu wollen, wofür man plane, sowohl mit der Kita Bremen als auch mit freien Trägern in Verbindung zu treten und die Vermittlung von Medienkompetenz „verbindlich“ und durch „Kontrakte“ zu verankern. Weiter heißt es:

„Wir werden die umfassende gesellschaftliche Debatte über die Gewährleistung von Jugend-, Verbraucher- und Datenschutz sowie die informationelle Selbstbestimmung im digitalen Zeitalter führen. De unbeschränkte Zugang zu Informationen und die Möglichkeit, Informationen frei verbreiten zu können, sind zentrale Grundrechte. Sie müssen selbstverständlich auch im Netz gelten.“

Vorratsdatenspeicherung

Der Koalitionsvertrag spricht sich, gerade vor dem Hintergrund der Positionierung sämtlicher SPD- Innenminister der letzten Tage, in erstaunlicher deutlicher Art und Weise gegen die Wiedereinführung einer verdachtsunabhängigen Speicherung der Verbindungsdaten aller Bürgerinnen und Bürger auf Vorrat aus. Wörtlich heißt es in dem Koalitionsvertrag hierzu:

„Eine anlasslose Telekommunikationsüberwachung lehnen wir ab. Deshalb sprechen wir uns auch gegen eine Wiedereinführung der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Vorratsdatenspeicherung aus. Wir werden uns auf europäischer Ebene gegen die EU-Richtlinie 2006/24/EG aussprechen.“

Eine ähnlich deutliche Formulierung hätte man sich in den letzten Tagen auch in anderen Koalitionsverträgen gewünscht. Auch wäre es schön gewesen, wenn diese Position bereits auf der gerade in Frankfurt stattgefundenen Innenministerkonferenz bereits in die Debatten eingespeist worden wäre.

Statt für eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung wollen sich die Koalitionäre dafür einsetzen, „dass Staat und Wirtschaft viel sparsamer im Sammeln von Daten werden.“ Wo der Staat für notwendige Planungen Daten der Menschen brauche, müssten diese „so schnell wie möglich annonymisiert“ werden. Außerdem wollen sich die Bremer vor dem Hintergrund, dass Datenschutz, genauso wie der Schutz der Persönlichkeit oder das Post- und Fernemeldegeheinmis, ein Bürgerrecht sei, dafür einsetzen, „den Datenschutz ins Grundgesetz aufzunehmen.“

Netzsperren

Zum Thema Netzsperren äußert sich der Koalitionsvertrag ebenso deutlich. So heißt es in einem Abschnitt zum jüngst gescheiterten Jugendmedienschutzstaatsvertrag (JMStV) auf Seite 121 des Vertragswerk, das man Netzsperren „in jeder Form“ ablehne und stattdessen für den Grundsatz „löschen statt sperren“ eintreten werde – eine Formulierung, die einem bereits aus anderen Koalitionsverträgen, die in jüngster Zeit verhandelt wurden, bekannt vorkommt und deutlich den Punkt macht, dass Netzsperren, zu welchem Zweck auch immer, als Instrumentarium insgesamt abgelehnt werden.

Netzneutralität

Auch zum Thema Netzneutralität finden sich erstaunlich deutliche Worte. So heißt es hierzu im Koalitionsvertrag:

„Netzneutralität sehen wir als Schlüssel, um einen diskriminierungsfreien Zugang zum Internet ohne unangemessene staatliche oder wirtschaftliche Eingriffe sicherzustellen. Wir werden uns daher im Bundesrat für die gesetzliche Absicherung der Netzneutralität einsetzen.“

Das Land Bremen wird also über den Bundesrat eine Initiative anstoßen, die die anderen Ländern zwingt, hier Farbe zu bekennen. Insgesamt könnte sich hieraus neuer Schwung für die Debatte um eine gesetzlich verankerte Netzneutralität ergeben.

Informationsfreiheitsgesetz

In dem Kapitel „Informationsfreiheit und Datenschutz“ sprechen sich die Koalitionäre dafür aus, das Informationsfreiheitsgesetz weiterzuentwickeln und zu stärken. Man setze sich dafür ein, „dass die bremische Verwaltung transparenter wird und ihren Veröffentlichungspflichten nach dem Bremischen Informationsfreiheitsgesetz noch stärker nachkommt.“ So sollten auch Verträge der öffentlichen Daseinsvorsorge „im Regelfall“ veröffentlicht werden.

Beschäftigtendatenschutz

Zum Beschäftigtendatenschutz heißt es in dem vorliegenden Vertragswerk, dass Beschäftigte nicht gezwungen werden dürften, mehr von ihrer Privatsphäre preiszugeben, als für das Beschäftigungsverhältnis nötig sei. Sie müssten sich ohne Angst vor Nachteilen gegen Eingriffe wehren können. Videoüberwachung und Rasterfahndungsmethoden in Betrieben seien vor diesem Hintergrund „nicht hinnehmbar“.

Wie geht es weiter?

Der nun zwischen den zukünftigen Koalitionspartner ausgehandelte Vertrag muss noch von den Landesparteitagen der beider Parteien abgenommen werden. Der Landesparteitag der SPD findet am 25. Juni, der der Grünen am 27. Juni 2011 statt.

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