Vernetzung zu den politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern, Argumentationsmuster, die „alternativlose“ Entscheidungssituationen suggerieren, da sie zum Beispiel viele Arbeitsplätze kosten würden, bestellte Studien, Euphemismen oder Greenwashing – Lobbyismus hat viele verschiedene Erscheinungsmuster, wie wir am Mittwoch, den 6. Juli 2011, auf dem Lobbyismus-kritischen Stadtrundgang* von LobbyControl erfahren konnten.

Wie bereits auf an dieser Stelle angekündigt, dauerte unser Rundgang durch das Regierungsviertel ca. 2 Stunden und umfasste ca. 15 Stationen, darunter der Verband deutscher Bierbrauer, das Institut Neue Soziale Marktwirtschaft, RWE, den Innenhof des ZDF und die mit der Rüstungsfirma Diehl in Verbindung stehende „Gesellschaft für intelligente Wirksysteme“. Mit über 20 interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern liefen wir – am Bundespresseamt bei schönstem Sonnenschein angefangen – vom Bahnhof Friedrichstraße über Unter den Linden bis zum Reichstag, bei dem wir dann als Abschluss von einem Regenguss überrascht wurden.

Die Führung von LobbyControl bot neben großen Zusammenhängen auch viele Details und Antworten auf die Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, zudem konnte ich an einigen Stellen auch Anekdoten aus meiner persönlichen Erfahrung nach fast zwei Jahren im Bundestag sowie meiner früheren Tätigkeit als Anwalt und bei Transparency International ergänzen.

LobbyControl zeigte auf der Führung viele kritische Praktiken der großen Player auf. Dabei ist eine vielfältige Interessenvertretung – die ja nicht nur durch große privatwirtschaftliche Unternehmen, sondern z.B. auch durch Hilfsverbände, Kirchen, Gewerkschaften oder Netzaktivisten wie die des Chaos Computer Clubs, bei dessen Büro wir nach der Führung noch vorbeikamen, durchgeführt wird – durchaus legitim und kann als Informationsquelle und Stimmungsbild für Abgeordnete notwendig sein. Problematisch kann sie jedoch werden, wenn hier Transparenz und Beteiligungschancen fehlen. Als eine mögliche Lösung für einen transparenteren Lobbyismus wurde an der Station „Berliner Vertretung der Europäischen Kommission“ auch ein verbindliches Lobbyregister diskutiert und die Modelle der EU und der USA vorgestellt.

Passend dazu stand am Donnerstag Lobbyismus auch auf der Tagesordnung des Plenums im Bundestag: Nachdem wir Grünen im letzten Jahr den Antrag „Transparenz schaffen – Verbindliches Register für Lobbyistinnen und Lobbyisten einführen“ in den Bundestag eingebracht hatten, sowie die Linke einen Antrag für ein verpflichtendes Lobbyregister stellte, gab es jetzt noch einen ähnlichen Antrag der SPD:  „Interessenvertretung sinnvoll regeln – Lobbyismus transparent machen“ (PDF).

Meine Rede zum neuerlichen Lobbyregister-Antrag:

LobbyControl berichtet von der Debatte:

[…] Während die Oppositionsparteien einvernehmlich den Antrag befürworteten, verweigerten sich die Koalitionsparteien einmal mehr einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema. Während die CDU den Antrag kategorisch ablehnte und ihn als weltfremden und bürokratischen „Schaufenster-“ und „Phantomantrag“ geißelte, verbiss die FDP sich in Detailfragen. So wurde behauptet, dass zeitliche und finanzielle Untergrenzen für verpflichtende Eintragungen ungeeignet und nicht umsetzbar seien. Dass dies jedoch durchaus machbar und wünschenswert ist, zeigt sich am umfangreichen US-Lobbyregister. Insgesamt ähnelten die Argumente gegen das Register denen, die auch gegen die Anträge der Grünen und Linken vor ein paar Monaten hervorgebracht wurden. Hier finden Sie unsere kritische Entgegnung auf diese Argumente.

weiterlesen…

*LobbyControl bietet regelmäßig Lobbyismus-kritische Stadtführungen in Berlin an. Die aktuellen Termine gibt es hier.

Tags

Comments are closed

Archive