Aus unserer Reihe „Aus den Ländern“: Die Grüne Landtagsfraktion in Sachsen hat die Staatsregierung in einer großen Anfrage nach dem Stand des Breitbandausbaus im Freistaat befragt. Jens Reichmann, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Netzpolitik, berichtet von den Ergebnissen:

Teilhabe am gesellschaftlichen und beruflichen Leben, am demokratischen Meinungsbildungsprozess, aber auch Informationsbeschaffung und unternehmerische Tätigkeit — immer größere Teile des täglichen Lebens hängen von einem Internetzugang ab, der schnell genug ist, um die immer größeren Datenmengen, die moderne Internetanwendungen benötigen, zu übertragen. Für den Zugang zum Internet gilt nicht: „Weniger ist mehr.“ Breitbandversorgung ist Infrastruktur und kann wichtiger sein als der „x-te“ Straßenausbau.

Nach einer ersten Auswertung der Antwort unserer Großen Anfrage Breitbandausbau im Freistaat Sachsen bezweifeln wir, dass die Sächsische Staatsregierung sich dessen bewusst ist.

Besonders im ländlichen Raum – aber nicht nur dort – gilt es die Lücke in der Verfügbarkeit von Internetzugängen mit Bandbreiten von mindestens 6 Mbit, die wir aktuell als Minimalversorgung ansehen, zu schließen.

Die Sächsische Staatsregierung bleibt in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage zum Breitbandausbau in Sachsen eine klare Definition von Breitband schuldig, erkennt aber an, dass dies, im Sinne der zukünftigen technischen Entwicklungen, dynamisch ausgestaltet werden muss. In Sachsen gilt aktuell ein Datendurchsatz bis zu 2Mbit als unterversorgt und förderungswürdig.

Die Ziele der europäischen Digitalen Agenda – Verfügbarkeit für 50% der Haushalte bis 2020 mit über 50MBit – und die Breitbandstrategie der Bundesregierung – Verfügbarkeit für 75% der Haushalte bis 2014 über 6MBit – werden von der Sächsischen Staatsregierung anerkannt, allerdings gibt es keine konkreten Hinweise in der Antwort wie diese Ziele erreicht werden sollen.

Eine Anerkennung der Breitbandversorgung als Daseinsvorsorge und die Absicht einer Verankerung eines verpflichtenden Breitband-Universaldienstes im Telekommunikationsgesetz, gehen aus der Antwort nicht hervor und werden offensichtlich als nicht notwendig erachtet. Unserer Meinung nach sind dies jedoch die wesentlichen Voraussetzungen, für eine umfassende Breitbandversorgung.

Da die Sächsische Staatsregierung keine Übersicht über weiße Flecken in Sachsen hat, verweist sie auf den Breitbandatlas der Bundesregierung, der für detaillierte, ortsteilgenaue Erhebungen jedoch nur bedingt geeignet ist. In welchen unterversorgten Gebieten der Ausbau nicht vorangeht (aus Förder- oder sonstigen Gründen) ist der Staatsregierung genauso wenig bekannt, wie Lage und Ausbaustufen des Kabel- und Glasfasernetzes. Direkte Rückmeldungen aus den Landkreisen über den Ausbau wären deshalb nötig, um alle Einzelheiten erfassen zu können. Denn die Bedingungen sind im Land regional sehr unterschiedlich – Leerrohr- und Verteilerkastennutzung sind oft Gegenstand umfangreicher Rechtsstreitigkeiten.

Die Umsetzungsstrategien der Förderung des Breitbandausbaus auf kommunaler Ebene sind laut der Antwort unterschiedlich. Sammelanträge von Landkreisen haben sich als deutlich erfolgreicher erwiesen als Einzelanträge der Kommunen:

Die Landkreise Vogtland und Bautzen konnten durch Bündelung von Förderanträgen europaweite Ausschreibungen mit einem Volumen von 12 Mio. Euro durchführen und hatten dadurch mehr Möglichkeiten am Markt als das bei nur einer einzelnen Ausschreibung über z.B. 100.000 Euro einer Kommune der Fall gewesen wäre.

Besonders hervorheben möchten wir die Initiative „Datenautobahn Erzgebirge“ der Grünen Jugend Erzgebirge. Sie hat inzwischen ca. 200 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden. Mit diesen Daten kann gut nachvollzogen werden, wo es im Erzgebirgskreis Probleme mit dem Breitbandausbau gibt. Kleine Anfragen zeigen zudem, dass verfügbare Fördergelder nur langsam bewilligt werden und der Breitbandausbau zu langsam vonstatten geht. Zur sachsenweiten Qualität der Förderverfahren und der Beratungsleistungen macht die Staatsregierung in ihrer Antwort zur Großen Anfrage jedoch keine aussagekräftigen Angaben.

Folgende Fragen konnten durch die Große Anfrage zum Breitbandausbau in Sachsen nicht beantwortet werden: Wo liegen die Probleme der Bewilligung? Welche konkreten Ausbauziele verfolgt die Staatsregierung? Welche Bedeutung bekommen Glasfaserkabel als nachhaltiger Netzausbau in Zukunft? Kann man die Förderanträge der Kommunen, die noch keinen Antrag gestellt haben, zusammenfassen?

Wir Grünen in Sachen fordern die Staatsregierung auf, die Förderung langfristiger Projekte zukünftig nicht mehr auf 200.000 Euro zu deckeln.Außerdem müssen kurzfristige Lösungen zur Breitbandversorgung ebenfalls gefördert werden, um eine möglichst schnelle Versorgung mit Breitbandinternet zu ermöglichen. Im Interesse eines möglichst strahlungsarmen Netzausbaus muss die ausschließliche Versorgung über den Mobilfunkstandard LTE auf die Regionen beschränkt bleiben, in denen eine Anbindung über Mobilfunk die einzige Lösung ist.

Gerade für öffentlich geförderte Projekte – Wirtschaftsminister Morlock (FDP) setzt hier einseitig auf Vertragsfreiheit – fordern wir Netzneutralität vorzuschreiben. Versteckten Nutzungseinschränkungen in Geschäftsbedingungen der Anbieter, welche bestimmte Dienste (z.B. Internettelefonie) ausschließen, sind nicht hinnehmbar. Internet ist Grundversorgung und muss auch endlich diesen Stellenwert haben.

Gastbeitrag von Jens Reichmann, Sprecher der LAG Netzpolitik von Bündnis 90/Die Grünen Sachsen.

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