Wie wollen wir uns in Zukunft vernetzen? Bereits seit Jahren dauert die Auseinandersetzung mit den Betreibern sozialer Netzwerke um besseren Daten- und Verbraucherschutz an. Die grüne Bundestagsfraktion fordert deshalb in einem Antrag (BT-Drucksache 17/8161) gesetzliche Verbesserungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Die erste Lesung des Antrags findet als letzte Bundestagsdebatte im Jahr 2011 am 16.12.2011, ab 14.25 Uhr statt (Livestream auf www.bundestag.de).
Für Millionen von Bundesbürgerinnen und -bürgern ist der Austausch über die großen Internetplattformen der sozialen Netzwerke bereits Alltag, Tendenz steigend. Sie freuen sich über die größtenteils kostenlosen Möglichkeiten zur Kommunikation, Vernetzung und Selbstpräsentation. Im Gegenzug erfassen und analysieren viele Anbieter soweit als möglich die bei ihnen stattfindenden Vorgänge. Sie erstellen Kundenprofile der Mitglieder und schalten auf der Grundlage ihres Wissens passgenaue Werbung für Drittunternehmen. Was darüber hinaus mit den Daten passiert, bleibt in der Regel unklar.
Mit persönlichen Daten bezahlen?
Auf diese Art und Weise wird die Nutzung zumeist nicht mit Geld, sondern mit persönlichen Daten und der Auswertung individuellen Nutzungsverhaltens „bezahlt“. Gleichzeitig werden laufend neue Funktionen angeboten, beispielsweise Lokalisierungsdienste, die automatisierte Gesichtserkennung, Lebenschroniken oder das Hochladen von Adressbüchern, mit denen weitere Daten und Informationen auch von Dritten erfasst werden, die bislang überhaupt nichts mit dem jeweiligen Anbieter zu tun haben. Hinzu kommt die verstärkte Nutzung durch Personalverantwortliche von Unternehmen, die soziale Netzwerke zur Recherche über Beschäftigte und Bewerber nutzen, auch Sicherheitsbehörden zeigen zunehmend Interesse.
Informationelle Selbstbestimmung – das A und O sozialer Netzwerke
Mit dem Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger, „grundsätzlich selbst bestimmen und entscheiden zu können, wer was wann über sie weiß“ – dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung – sind diese Datenverarbeitungspraktiken kaum in Einklang zu bringen. Dieses Grundrecht gilt mehr denn je auch im Verhältnis von Unternehmen und Verbrauchern und löst Schutzpflichten des Staates aus. Dieser muss mit gesetzlichen Regelungen einen Rahmen vorgeben, wenn die informationelle Selbstbestimmung bei dominant gewordenen Plattformen wie Facebook nur noch teilweise gegeben ist.
Die nahezu uferlosen Allgemeinen Geschäftsbedingungen einiger Anbieter, die meist auf prinzipielle Freigabe aller Daten ausgelegten Grundeinstellungen, mangelhafte Offenlegungen der Verarbeitungszwecke der Anbieter und auch die mangelnde Anerkennung der Geltung bundesdeutscher Standards des Datenschutzes stellen ungelöste Grundprobleme der sozialen Netzwerke dar. Mit nahezu jedem neuen Angebot treten schwerwiegende neue Probleme auf, die aufgrund der Verbreitung der Netzwerke das Potential haben, Rechte auf Privatheit und Selbstbestimmung zu unterlaufen. Dies hat z.B. die Debatte um die Zulässigkeit von integrierten „Gefällt mir“-Buttons auf anderen Websites gezeigt, mit denen das Surfverhalten auch außerhalb der jeweiligen Plattform adressierbar gemacht werden kann.
Klare gesetzliche Regelungen anstelle schwacher Selbstverpflichtungen
Die grüne Bundestagsfraktion teilt deshalb die Einschätzung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Andreas Vosskuhle, wonach die von sozialen Netzwerken ausgehenden Probleme für die Persönlichkeitsrechte dringend einer Klärung bedürfen. Dabei sehen wir vor allem den Gesetzgeber in der Pflicht und bezweifeln, dass Selbstverpflichtungen der Wirtschaft der alleinige Weg seien können. Wir sind uns bewusst, dass wegen der Internationalität des Internets auch flankierende allgemeine Regelungen zum Internetdatenschutz notwendig sind. Die grüne Bundestagsfraktion fordert deshalb die Klarstellung der Anwendbarkeit und Durchsetzbarkeit des bundesdeutschen Rechts, die Überprüfung des sog. Safe-Harbor-Datenabkommens, und neben anderen Forderungen, die Verpflichtung von Webanbietern auf einen Datenschutz „ab Werk“, also bereits bei der Herstellung ihrer Software.
Transparente Datenverarbeitung und informierte Nutzung
Soziale Netzwerke selbst sind in der Regel immer noch zu intransparent im Hinblick auf ihre Datenverarbeitung. Datenschutzfreundliche Grundeinstellungen, verständliche und knappe AGB-Regeln und erweiterte Informationspflichten sind notwendig, um informierte Entscheidungen der Nutzerinnen und Nutzer sicherzustellen. Rechte wie die Löschung selbst eingestellter Inhalte und der jederzeitige Wechsel zwischen Anbietern samt Recht auf Herausgabe der eigenen Daten stärken die Verbraucher. Pseudonyme Nutzungsmöglichkeiten müssen gesetzlich verbürgt und die Freischaltung neuer datenschutzsensibler Dienste wie etwa der Gesichtserkennung darf nur nach hinreichender Vorankündigung und vorab und gesondert erklärter informierter Einwilligung der betroffenen Nutzer erfolgen. Anbieter sozialer Netzwerke, die hohe Maßstäbe für informationelle Selbstbestimmung, Datenschutz und Datensicherheit einhalten und zur Vielfalt des World Wide Web beitragen, unterstützen wir nachdrücklich.
crosspost von www.gruene-bundestag.de/netzpolitik
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