Jan Philipp Albrecht, Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments für die EU-Datenschutzreform, im Fachgespräch zur Neuordnung des europäischen Datenschutzrechts

Jan-Philipp Albrecht, Christine Kamm und Dr. Thomas Petri v.l.n.r.

München. Datenschutzbeauftragte verschiedener Unternehmen, Wissenschaftler, Rechtsanwälte, Fachpolitiker und interessierte Bürgerinnen und Bürger haben sich für ein Fachgespräch im bayerischen Landtag getroffen. Christine Kamm, Sprecherin für Datenschutz der grünen Landtagsfraktion und Mitglied im Europaausschuss hatte anlässlich der anstehenden Neuordnung des europäischen Datenschutzrechts zu dieser Veranstaltung eingeladen. Als Referenten informierten Jan-Philipp Albrecht, Mitglied im Justizausschuss des europäischen Parlaments und Dr. Thomas Petri, Datenschutzbeauftragter des Freistaats Bayern, die Teilnehmer. Unter den zahlreich anwesenden fachkundigen Gästen befand sich auch Thomas Kranig, Leiter des bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht.

Was will das neue Datenschutzrecht für Europa?

In ihrer Begrüßung wies Christine Kamm darauf hin, dass die Neuordnung des europäischen Datenschutzes durch eine Datenschutz-Grundverordnung und eine Richtlinie zum Datenschutz im Bereich Inneres und Justiz geplant ist. „Bereits im März ist das Thema im Bundesrat und wir als Landtag müssen bis dahin unsere Subsidiaritätsbedenken eingebracht haben. Wünsche zu eventuellen Änderungen können später lediglich außerhalb formeller Beteiligungsrechte des Landes eingebracht werden“, so Kamm. Ihre Zielvorstellung sei, dass eine EU Verordnung, den Mitgliedsstaaten einen Spielraum geben müsse, über europäische Datenschutzstandards hinaus weitergehendes nationales Recht zu schaffen. Es müsse jetzt auch genau überprüft werden, an welchen Stellen nationale oder bayerische Standards durch den aktuellen Verordnungsentwurf in Frage gestellt werden. „Doch ist uns klar, dass es Bereiche gibt, die dringend auf europäischer Ebene geregelt werden müssen, so zum Beispiel Datenweitergabe an die USA oder Datenschutz im Internet“, stellte Kamm fest.

Mehr Europäischer Datenschutz ist dringend erforderlich – aber zu viele Kompetenzen der Kommission

Jan-Philipp Albrecht, MdEP und Mitglied im Ausschuss für Justiz des europäischen Parlaments stellte in seinem Vortrag klar, dass die angedachten Regelungen auf die Neuregelungen im Lissabon-Vertrag beruhen. So hätte beispielsweise für die Zusammenarbeit im Bereich Inneres und Justiz bisher lediglich ein Rahmenvertrag bestanden. „Durch den Lissabon-Vertrag ist die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit Bestandteil des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens“, so Albrecht.

Das nun anstehende Reformvorhaben zum Europäischen Datenschutzrecht baue auf einem langen Konsultationsprozess auf. Alle Fraktionen im europäischen Parlament unterstützten diesen Reformprozess. „Die bisherige Richtlinie 95/46 EG zum Datenschutz ist eine gute Grundlage aber leider mittlerweile in die Jahre gekommen“, stellte Albrecht fest. Daten würden mittlerweile oft international bearbeitet. Darum sei es besonders wichtig, Rechtssicherheit und Sanktionen europaweit durchsetzbar zu gestalten. Grundsätzlich formuliere die Grundverordnung viel Fortschrittliches, wie Löschungs- und Auskunftsrechte für Bürgerinnen und Bürger und deutliche Sanktionen bei Datenschutzverstößen. „Wir müssen aber aufpassen, dass das Thema Datenschutz in der Hand des europäischen Gesetzgebers bleibt“, forderte Albrecht unter Hinweis auf die zahlreichen Ermächtigungen der Kommission zum Erlass weiterer Rechtsakte. Außerdem will er, dass für die Mitgliedsstaaten weiterhin die Möglichkeit besteht, im nationalen Bereich über europäische Datenschutzstandards hinaus zu gehen.

Sorge vor Absenkung von Datenschutzstandards

Deutliche Kritik an der neuen Datenschutz-Grundverordnung formulierte der bayerische Datenschutzbeauftragte Dr. Thomas Petri. Die Verordnung zwinge beispielsweise die Aufsichtsbehörden in einen bürokratisierten Kooperationsprozess. Petri kritisierte auch die hohe Zahl an Ermächtigungen zu weiteren Rechtsakten für die Kommission. Er befürchtet zudem Schutzobergrenzen und daher Absenkungen bisheriger nationaler Standards, z.B. beim Verarbeiten von Sozialdaten. „Es ist in einigen Teilbereichen durchaus wünschenswert, dass ein einheitliches europäisches Schutzniveau besteht. Die jetzt angedachten Regelungen gehen jedoch zu weit. Sie führen dazu, dass das bayerische Datenschutzgesetz und das Bundesdatenschutzgesetz in weiten Teilen nicht mehr anwendbar sind. Auch die Rechtsprechung wird auf europäische Ebene verlagert“, so Petri. Er forderte, statt einer Verordnung lieber eine Richtlinie zu erlassen und diese auf Kernbereiche des Binnenmarkts zu beschränken.

Appell an Brüssel: Nationale Standards nicht aufweichen!

In der Diskussion waren sich die Teilnehmer einig, dass es nun wichtig sei, dass durch die europäische Regelung einzelne nationale Standards nicht reduziert werden. Dazu sei erforderlich, dass Landtag und Staatsregierung eine klare Botschaft an das europäische Parlament und die Kommission richten. „Wir wollen vor allem, dass die Anzahl der Ermächtigungen für die Kommission zu weiteren Rechtsakten deutlich reduziert wird“, so Christine Kamm. Außerdem wurde kontrovers diskutiert, inwieweit die rechtliche Kontrolle des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung mit der Reform vom bayerischen Verfassungsgerichtshof und vom Bundesverfassungsgericht an den EuGH übergeht. Christine Kamm kündigte an, diese Fragen im Landtag ausführlich zu diskutieren und dazu einen Antrag einzubringen. „Bayern soll die EU-Initiative unterstützen, aber Verbesserungen und den Bestand der Kontrollrechte des Bundesverfassungsgerichts einfordern“, so Kamm.

Vorschlag der EU-Kommission für eine Datenschutz-Grundverordnung

Vorschlag der EU-Kommission für eine PJZ-Datenschutzrichtlinie

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