Seit der von der Großen Koalition beschlossenen Änderung des Präventionsgesetzes im vergangenen Jahr, die wir Grüne abgelehnt haben, müssen Krankenkassen ihren Versicherten sogenannte Bonusprogramme für gesundheitsbewusstes Verhalten anbieten. Mittlerweile bezuschussen einige private und auch gesetzlichen Krankenkassen über ihre Programme auch den Kauf von Smartwatches (sogenannten Wearables) und Fitness-Trackern – noch ohne diese Zahlungen mit der Übermittlung gesammelter Daten zu verknüpfen, doch die Richtung scheint schon heute klar.

Gemeinsam mit unserer gesundheitspolitischen Sprecherin Maria Klein-Schmeink haben wir immer wieder auf die dadurch entstehende Gefahr einer Aushöhlung des Solidarprinzips hingewiesen, zuletzt in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung über die unklare Verwendung der durch Apps und Wearables generierten Daten. Über die Antwort berichtete bereits netzpolitik.org.

Die Antwort der Bundesregierung zeigt deutlich, dass sie in Bezug auf die Ausgestaltung der Bonusprogramme durch die Kassen völlig ahnungslos ist. Sie hat weder Erkenntnisse über die Verwendung der durch Apps und Wearables generierten Daten, noch über den Kreis der hierdurch tatsächlich Begünstigten. Die Problematiken für das Solidarprinzip und den Datenschutz verkennt sie.

In ihren Stellungnahmen zu den Fragen nach der Nutzung der durch Apps und Wearables generierten Daten wirft die Bundesregierung insgesamt mehr Fragen als Antworten auf. Eine Übermittlung personenbezogener Daten an die Krankenkassen sei „nicht als valider Nachweis einer Teilnahme des Versicherten an einer qualitätsgesicherten Maßnahme […] anzusehen“ und daher unzulässig. Auch den Einsatz externer Dienstleister schließt die Bundesregierung aus. Wenn aber weder eine Übermittlung an die Krankenkassen noch eine Speicherung oder Verarbeitung bei externen Dienstleistern, wie z.B. den App- Anbietern, rechtlich möglich ist, bleibt fraglich, wie der Einsatz solcher Apps möglich sein soll.

Nicht nur gesetzliche, sondern auch private Krankenversicherer belohnen die Nutzung von Fintnessapps. Hier gibt die Bundesregierung sich völlig ahnungslos. Sie gibt an, keine privaten Versicherer zu kennen, die über Apps und Wearables Gesundheitsdaten ermitteln würden. Dass die Generali Versicherung bereits am 18. November 2014 die geplante Einführung ihrer Vitality-App in Deutschland bekannt gegeben hat und hierdurch eine intensive Debatte über die zukünftige Nutzung von Versichertendaten und die Folge für bestehende Solidarsysteme ausgelöst wurde, scheint an der Bundesregierung komplett vorbei gegangen zu sein.

Obwohl die Bundesregierung in ihren Antworten anerkennt, dass das reine Dokumentieren „gesunder Werte“, ohne dass diese eine gesundheitsfördernde Verhaltenskomponente beinhalten, dem Grundgedanken des Gesetzes zuwider läuft, behauptet sie: „Eine Aushöhlung des Solidarprinzips, das in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) insbesondere durch die Einkommensabhängigkeit der Beiträge gekennzeichnet ist, findet durch Boni nicht statt.“

Unsere gesundheitspolitische Sprecherin Maria Klein-Schmeink kritisiert diese ignorante Haltung scharf:

„Insbesondere im Bereich der privaten Krankenversicherung ist der Einsatz von Apps und Wearables, welche die Versicherten potentiell bis ins kleinste Detail vermessen, ein weiteres Einfallstor für eine fortschreitende Aushöhlung des, in der PKV sowieso nur rudimentär vorhandenen, Solidargedankens. Indem die Bundesregierung hier komplett wegschaut, offenbart sie wieder einmal, wie wenig ihr an einer starken Solidarität aller Versicherten gelegen ist.“

Auf Bedenken von Datenschützern, dass es durch die Verwendung von Apps und Wearables zu Problemen im Bereich des Datenschutzes und zu einer Entsolidarisierung im Gesundheitssystem kommen könnte, geht die Bundesregierung nicht ein. Auch auf die im April verabschiedete Forderung der Verbraucherschutzministerkonferenz an das Justizministerium, Maßnahmen zur Regulierung von Wearables und Gesundheitsapps zu ergreifen, ist bislang keine Reaktion erfolgt.

Wir fordern die Bundesregierung noch einmal mit Nachdruck auf, dem Aufruf von Datenschützern und Verbraucherschutzministern endlich zu folgen und die Verwendung anfallender Fitnessdaten gesetzlich zu regulieren, um so die informationelle Selbstbestimmung der Versicherten zu stärken und eine weitere Schwächung bestehender Solidarsysteme zu verhindern.

An dieser Stelle dokumentieren wir die Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage (pdf).

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