Der heutige „Safer Internet Day“, ein von der Europäischen Union initiierter jährlich veranstalteter weltweiter Aktionstag für mehr Sicherheit im Internet, macht noch einmal deutlich, IT-Sicherheit und der Schutz unserer digitalen Bürgerrechte sind wichtiger denn je. Von der Bundesregierung ist leider kein Einsatz zu erwarten. Beim digitalen Datenschutz- und Verbraucher duckt sie sich weg und lässt die Nutzerinnen und Nutzer im Stich. Sie weigert sich beharrlich, den Grundrechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen. Wir fordern die Bundesregierung noch einmal mit Nachdruck dazu auf, hier endlich tätig und ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Wir brauchen dringend rechtlich verbindliche Sicherheitsschutzziele, Verpflichtungen für datenschutzfreundliche Voreinstellungen (“Privacy by Design”) sowie neue, dem mobilen Internet angepasste Formen des Verbraucher- und Datenschutzes.

Unser Leben ist immer mehr digital und vernetzt. Die Sicherheit unserer Kommunikation und die Integrität digitaler Infrastrukturen sind, das haben die Enthüllungen von Edward Snowden und einer Handvoll mutiger Journalistinnen und Journalisten gezeigt, auch weiterhin massiv gefährdet. Der „Safer Internet Day“ zeigt noch einmal drastisch, dass angesichts des andauernden Überwachungs- und Ausspähskandals und immer wieder bekannt werdender eklatanter IT-Sicherheitslücken, aber auch vor dem Hintergrund datenhungriger IT-Unternehmen, die unsere umfassende Ausforschung zum Geschäftsmodell gemacht haben, ein Paradigmenwechsel für einen entschlossener Einsatz für die Einhaltung der digitalen Bürgerrechte nötiger denn je ist.

Von der Bundesregierung ist ein vehementes Eintreten für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger in der digitalen Welt nicht zu erwarten. Ihren vollmundigen Ankündigungen, den Daten- und Verbraucherschutz zu einem Schwerpunkt dieser Wahlperiode machen zu wollen, folgten leider bis heute keine Taten. Die ganze Doppelzüngigkeit der Großen Koalition beim Thema IT-Sicherheit wurde durch jüngste Äußerungen des Innenministers Thomas de Maiziere noch einmal deutlich.

Angesichts des anhaltenden Ausspäh- und Überwachungsskandals und der eigenen Untätigkeit  forderten Vertreter der Großen Koalition die Bürgerinnen und Bürger auf, den Schutz der eigenen Daten selbst in die Hand zu nehmen. Das kam einer politischen Bankrotterklärung gleich. Nun werden plötzlich generelle Hintertüren in Verschlüsselungssoftware für Geheimdienste verlangt. Geheimdienste sollen einen Schlüssel zu den Räumen unserer vertraulichen Kommunikation bekommen, als ob die Missbrauchsgefahr durch Unternehmen, Geheimdienste und Kriminelle nicht offenkundig wäre. Damit wird einerseits deutlich, dass das Versprechen der Digitalen Agenda, „Deutschland zum Verschlüsselungsland Nummer eins zu machen“, kaum mehr als Makulatur ist. Andererseits wird der Unwillen der Großen Koalition deutlich, die rechtsstaatlich notwendigen Konsequenzen zum Schutz unserer privaten Kommunikation und digitaler Infrastrukturen endlich zu ziehen und die Bürgerinnen und Bürger vor Überwachung und Ausspähung effektiv zu schützen.

Datenschutz – Öffentliche Briefe statt überfälliger Regulierung
Ähnlich luftig und widersprüchlich verhält sich die Bundesregierung beim Thema Datenschutz, eines der wichtigsten Grundrechte in der digitalen Welt. Angesichts des gerade begangenen europäischen Datenschutztages und der AGB-Änderungen von Facebook, denen NutzerInnen und Nutzer weitestgehend hilflos ausgesetzt sind, schreibt die Bundesregierung appelative, öffentliche Briefe, anstatt den Grundrechtsschutz der 25 Mio. deutschen Nutzerinnen und Nutzer sicherzustellen.

Gleichzeitig läuft seit mehreren Jahren der EU-Datenschutzreformprozess. Statt die Möglichkeit zur Ergreifen einen starken und effektiven Datenschutz für alle Bürgerinnen und Bürger in der EU durchzusetzen, haben die Bundesregierungen unter Angela Merkel die EU-Datenschutzreform bislang mit allen Mitteln ausgebremst. Dies hat die grüne Bundestagsfraktion immer kritisiert und auf die aus unserer Sicht notwendige und schnellstmögliche Umsetzung der EU-Datenschutzreform verwiesen, auch mit Hilfe parlamentarischer Initiativen. Je länger die Reform ausgebremst wird, desto mehr ist die Bundesregierung in der Bringschuld für nationale Reformen des Datenschutzes.

Gleichzeitig unterstützt die Bundesregierung erneut EU-Vorschläge zu anlasslosen Sammlung von Daten (Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten) als Instrumente der anlasslosen Massenüberwachung, die für mehr Sicherheit sorgen sollen, im Endeffekt aber das genaue Gegenteil erreichen. Nicht nur haben sowohl das Bundesverfassungsgericht, auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)  die entsprechende EU-Richtlinie und das deutsche Gesetz für grundrechtswidrig erklärt. Auch der effektive Nutzen der Vorratsdatenspeicherung für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger ist mehr als zweifelhaft. So haben die Anschläge von Paris einmal mehr gezeigt: Statt immer größerer Datenberge und einen die ganze Bevölkerung treffenden Generalverdacht brauchen wir eine sehr viel zielgerichtetere Polizeiarbeit.

IT-Sicherheit – Feigenblätter statt umfassendes Schutzkonzept
Wie die bisherigen Enthüllungen von Edward Snowden drastisch gezeigt haben, ist die  Sicherheit digitaler Infrastrukturen massiv gefährdet und damit auch die Nutzerinnen und Nutzer weitgehend ungeschützt. Die Bundesregierung plant ein IT-Sicherheitsgesetz. Dieses betrifft allerdings weitestgehend nur Betreiber von kritischen Infrastrukturen, sieht zahlreiche Ausnahmen vor und nimmt staatliche Stellen komplett aus der Verantwortung. Die Initiative ist nicht ansatzweise vom Gedanken getragen, das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte „Grundrecht auf Gewährleistung, Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ durch eine effektive  Förderung der IT-Sicherheit sicherzustellen. Die bürgerrechtliche Dimension wird in dem Stückwerk komplett außer Acht gelassen, als ob es die Diskussion der vergangenen gut anderthalb Jahre, die Erkenntnisse aus den Snowden-Dokumenten und die Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Abhör- und Ausspähskandal nie gegeben hätte. Der vorgelegte Entwurf wird den Herausforderungen für den effektiven Schutz digitaler Infrastrukturen nicht ansatzweise gerecht. Wir werden daher im Zuge der weiteren parlamentarischen Beratungen eine eigene parlamentarische Initiative vorlegen.

Der ,,Safer-Internet-Day” bietet die Gelegenheit, sich den Herausforderungen beim Umgang mit den eigenen Daten im Internet bewusst zu werden und gleichzeitig die politisch Verantwortlichen an ihre Verpflichtung, den Schutz unserer privaten Daten sicherzustellen, zu erinnern. Für die Bürgerrechte in der digitalen Welt bedarf es politischer Antworten, die technisch flankiert werden müssen. Solange die Bundesregierung die Bürgerinnen und Bürger im Regen stehen lässt, finden Interessierte umfangreiches Informationsmaterial zum Selbstdatenschutz u.a. auf https://www.klicksafe.de.

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