Im ganzen JMStV-Trubel ist eine Sache vollkommen untergegangen: Die EU-JustizministerInnen haben sich am heutigen Freitag in Brüssel auf eine gemeinsame Linie für die Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie geeinigt. Sie diskutierten über die von der liberalen EU-Kommissarin Cecilia Malmström vorgelegte Richtlinie der Kommission zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornographie.

Diese sieht neben einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung der Mitgliedsstaaten unter anderem auch neue Regelungen vor, z.B. schärfere Strafen gegen Sextourismus und „Grooming“, wobei es die diesbezüglichen Regelungen im Deutschland bereits gibt.

Artikel 21 Abs. 1 der Richtlinie sind unter anderem auch verpflichtende Netzsperren vorgesehen. Dort heißt es:

1.           Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, damit der Zugang von Internet-Nutzern zu Webseiten, die Kinderpornografie enthalten oder verbreiten, gesperrt wird. Die Zugangssperrung erfolgt vorbehaltlich angemessener Schutzvorschriften; insbesondere soll sichergestellt werden, dass die Sperrung auf das Nötige beschränkt wird, dass die Nutzer über die Gründe für die Sperrung informiert werden und dass Inhalteanbieter im Rahmen des Möglichen darüber unterrichtet werden, dass sie die Entscheidung anfechten können.

Was bislang in der Richtlinie vollkommen fehlt und von Thomas Stadler zurecht bemängelt wird, ist eine geplante Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung der betreffenden Straftaten. Offenbar hat die Kommission vor, die gleichen Fehler, die bereits in Deutschland gemacht wurden, auf europäischer Ebene zu wiederholen. Heute diskutierten also die EU-JustizministerInnen unter anderem auch über die Frage, ob EU-Staaten zum Sperren von Kinderpornografie-Seiten im Internet per Richtlinie gezwungen werden sollten.

Die grüne Bundestagsfraktion hatte gegen die Vorgaben der EU eine so genannte Artikel 23-Stellungnahme (Art 23 GG = „Europa-Artikel“ des Grundgesetzes) abgegeben. Art. 23 des Grundgesetzes sichert dem Parlament ein durch den Vertrag von Lissabon nochmals erweitertes Mitbestimmungsrecht in europapolitischen Angelegenheiten zu. Konstantin hatte einen ausführlichen Blogbeitrag zur Subsidiaritätsrüge geschrieben.

Art. 23 GG Abs. 3 lautet:
Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union. Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahme des Bundestages bei den Verhandlungen. Das Nähere regelt ein Gesetz.

Außerdem haben wir in unseren Antrag Sexuellen Missbrauch effektiv bekämpfen – Netzsperren in Europa verhindern die Bundesregierung noch einmal aufgefordert, sich gegen Netzsperren auch auf Europäischer Ebene zu engagieren. Für die Grünen hat Konstantin im Plenum gesprochen. Darüber hinaus fanden im Bundestag gerade verschiedene Anhörungen zum Thema Netzsperren statt. Am 25.10.2010 im Unterausschuss Neue Medien und am 10.11.2010 im Rechtausschuss.

Heute diskutierten also die EU-JustizministerInnen über die Frage, ob EU-Staaten zum Sperren von Kinderpornografie-Seiten im Internet per Richtlinie gezwungen werden sollten. Um es kurz zu machen: Während sich Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit Hinweis auf die in Deutschland geführte Debatte gegen eine solche Verpflichtung aussprach, plädierte eine Mehrzahl der EU-Justizminister dafür, kinderpornographische
Internetseiten aus dem Netz zu löschen und, sollte das nicht möglich sein, entsprechende Seiten auch zu Sperren.

Mit ihrer gemeinsamen Position wollen die EU-Justizminister jetzt mit dem Europaparlament in Verhandlungen treten. Dort haben zahlreiche Abgeordnete sowohl im Kultur- als auch im Innenausschuss Vorbehalte gegen das Sperren kinderpornografischer Webseiten angemeldet. Die abschließende Abstimmung im Plenum des Europaparlaments ist dann in etwa im Februar 2011 zu erwarten.

Die nächsten Monate werden also für den Kampf gegen Netzsperren, das tritt angesichts der derzeitigen Diskussionen um den JMStV leider etwas in den Hintergrund, von entscheidender Bedeutung sein. Was es bedeuten würde, wenn sich das Europäische Parlament nicht durchsetzen würde, und Netzsperren in der Richtlinie weiterhin als verpflichtender Bestandteil stünden, kann sich jede/r selbst ausmalen. Nun heißt es also am Ball zu bleiben und die Abgeordneten im EP von der Unsinnigkeit von Sperren zu überzeugen. Wie dies geht, könnt ihr bei u.a. bei hier nachlesen.

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