Die Offenheit des Staates sollte keine strategische Angelegenheit sein, die auf politische Deklarationsformeln wie „ein wenig mehr Partizipation, gerne auch im Internet“ hinausläuft. Es reicht eben nicht, als Minister oder Bundespräsident gelegentlich eine vorstrukturierte Online-Konsultation durchführen zu lassen. Vielmehr muss eine dauerhafte  Offenheit des Staates selbstverständliches Element einer vitalen Demokratie werden.

Deutschland hat in Sachen offenes Regierungshandeln und offene Verwaltung nach wie vor erheblichen Nachholbedarf. Die oftmals noch spürbare Tradition obrigkeitsgeprägten Verwaltungsdenkens hat fast schon den Rang eines Standortnachteils. Noch immer wird Transparenz, Offenheit und Mitbestimmung an staatlichem Handeln innerhalb der Behörden mehr als störende Einmischung in die bewährten Verwaltungsabläufe verstanden. Damit muss Schluss sein! Den Bürgerinnen und Bürgern ist es nicht länger erklärbar, warum wir die Möglichkeiten von Internet und Digitalisierung nicht endlich stärker nutzen, um Transparenz zu erhöhen und Mitbestimmung zu ermöglichen. Gleichzeitig betreten staatliche Stellen aber auch vielerorts heute schon Neuland.

Dort, wo der Versuch unternommen wird, oftmals eingestaubte Wege  zu verlassen, Neues auszuprobieren  und mehr Transparenz und Partizipation zuzulassen, sind die Erfahrungen, die im Zuge noch zu weniger Leuchtturmprojekte gemacht werden, durchweg positiv. Bürgerinnen und Bürger identifizieren sich stärker mit dem Staat, wodurch unsere Demokratie insgesamt vitalisiert wird. Und – auch dieser Aspekt ist nicht zu vernachlässigen – durch die proaktive Veröffentlichung von Daten in maschinenlesbarer Form entstehen auch schon mittelfristig wirtschaftliche Mehrwerte.

Wir müssen in Zukunft gerade bei den ureigensten öffentlichen Angelegenheiten, den res publica der Gesetzestexte, Staatsverträge, Verordnungen, Bundesgerichtsurteile, Verwaltungsabkommen und völkerrechtlichen Verträgen ansetzen. Dass diese bisher nicht als offene, maschinenlesbare Daten mit Recht zur kostenlosen Weiterverwendung im Internet bereit stehen, ist beklagenswert. Auch Gesetzgebungsprozesse selbst müssen viel öffentlicher werden. Unsere eigenen Erfahrungen damit sind ausgesprochen positiv: Der grüne Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutz ist vor der Einbringung erfolgreich online diskutiert und verbessert worden. Wir haben also als erste Fraktion im Bundestag versucht, hier auch einmal innovative Wege zu gehen. Und, obwohl der Mehraufwand für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Erstellen eines Blogs, Einstellen der Texte, Bewerbung, Beobachten von und Reagieren auf Kommentare etc. pp) nicht unterschätzt werden sollte, sind die Erfahrungen, die wir gesammelt haben, so positiv gewesen, dass wir uns als Bundestagsfraktion gerade dazu entschlossen haben, eine Infrastruktur einzurichten, die auch – weniger technikaffinen – Büros die Möglichkeit eröffnet, eigene Initiativen online diskutieren zu lassen. Andere Fraktionen haben angekündigt, es uns nachmachen zu wollen. Hieran sieht man: Manchmal bedarf es einfach des „Ausprobierens“, um wichtige Erfahrungen zu machen, die später von anderen übernommen und eventuell sogar weiter ausgebaut werden können.  Im Bundestag tut sich also gerade einiges – auch durch die am Anfang der Legislatur eingesetzte Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, die sich mit vielen der hier aufgeworfenen Fragen beschäftigt.

In Deutschland wird das Thema Open Government durch das zum Jahresende angekündigte E-Government-Gesetz der Bundesregierung stärker denn je auf der Tagesordnung stehen. Man fragt sich darum jetzt schon, warum diesen Gesetzgebungsprozess nicht von Anfang an auch online stattfindet? So könnten die Ideen der Bürgerinnen und Bürger, Behörden und der Verwaltungen gebündelt, diskutiert und verbessert werden. Zu befürchten ist aber, dass die Bundesregierung hier wie üblich einen Referentenentwurf durchsickern lässt, der dann wiederum nur halböffentlich zwischen den ohnehin einzubindenden Akteuren diskutiert wird. Transparenz staatlichen Handelns und Beteiligung geht heute anders.

Wir Grünen legen besonderen Wert auf Transparenz und Offenheit in politischen Entscheidungsprozessen. Und daher ist es uns wichtig, dass Open Government in Deutschland nicht nur im Rahmen des wichtigen und notwendigen Diskurses um Verwaltungsmodernisierung eine Rolle spielt. Entscheidend sind vielmehr die Werte, an denen sich staatliches Handeln orientieren sollte, um auch im Internet bürgerfreundlicher zu werden. Hier brauchen wir vor allem:

  • mehr Transparenz in Regierung und Verwaltung, um deren Handeln verständlicher und bürgernäher zu machen,
  • mehr Zusammenarbeit mit innovativen kollaborativen Werkzeuge, Methoden und Systemen, die der Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern dienen und
  • mehr Partizipation an Entscheidungen von Regierung und Verwaltung, die vom Wissen der Bürgerinnen und Bürger profitiert und deren Teilhabe sichert.

Das heißt nicht, dass ab morgen zwingend jedes Amt einen Twitteraccount pflegen und auf allen Kanälen im Netz ständig präsent sein muss. Aber jede staatliche Institution sollte sich Gedanken darüber machen, auf welchen Wegen sie die Bürgerinnen und Bürger am besten erreichen  und dementsprechend handeln kann.

Ein entscheidender Wert des offenen Regierens und Verwaltens ist für uns die Informationsfreiheit. Die grüne Bundestagsfraktion hat daher – nach einer Onlinediskussion des Textes – am 28. Juni 2011 ein Positionspapier zur Informationsfreiheit 2.0 und Open Data verabschiedet. Wir werden dieses am 26. September in einem öffentlichen Fachgespräch im Bundestag vorstellen, zu dem wir schon jetzt alle herzlich einladen.

Darüber hinaus freue ich mich sehr darauf, die Diskussion über die hier behandelten Themen auch in der Projektgruppe „Demokratie und Staat“ der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, deren Vorsitz ich übernommen habe,  ausführlich diskutieren zu können. Ausdrücklich möchte ich an dieser Stelle alle Interessierten herzlich dazu auffordern, sich an der Arbeit der Projektgruppe zu beteiligen und eigene Vorschläge in die Handlungsempfehlungen, die wir am Ende der Arbeit ans Parlament richten werden, einfließen zu lassen. Dies geschieht am besten über das Online-Beteiligungstool „Adhocracy“.

crosspost von gov20.de

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