Heute beschäftigte sich sowohl der Innen- als auch der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages noch einmal mit dem aktuellen Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg im Breisgau (MPI). Über die Studie hatten wir ausführlich berichtet.

Die Verfasser des Gutachtens, das vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegeben wurde und in den letzten Wochen und Tagen für ganz erhebliche Verstimmungen innerhalb der schwarz-gelben Koalition gesorgt hatte, kommen in ihrer Untersuchung zu dem Schluss, dass die Vorratsdatenspeicherung keinen messbaren Einfluss auf die Aufklärungsquoten der Strafverfolgungsbehörden hat.

Zeitgleich zur heutigen Drohung der Europäischen Kommission, Deutschland aufgrund der Nichtumsetzung der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie nach dem Verstreichen einer letzten vierwöchigen Frist zu verklagen, stellte Professor Albrecht, Direktor des Instituts und verantwortlich für das Gutachten, die Ergebnisse der Untersuchung heute im Rahmen der Sitzung der beiden Ausschüsse vor.

Das Gutachten beschäftigt sich vor allem mit der Frage, ob es die vor allem von konservativer Seite ins Spiel gebrachten „Schutzlücken“ durch den Wegfall der Vorratsdatenspeicherung tatsächlich gegeben hat. Die 270 Seiten umfassenden Studie kommt zu dem Schluss, dass derartige „Schutzlücken“ empirisch nicht nachgewiesen werden konnten. Eine Erforderlichkeit der Vorratsdatenspeicherung für die Strafverfolgungsbehörden konnte somit – einmal mehr – nicht belegt werden. Ergänzend zu den heutigen Sitzungen sei noch angemerkt, dass in diesen Diskussionen die SPD immer wieder den Versuch unternimmt, die Union „sicherheitspolitisch“ zu überholen und sich die zu Wort meldenden Abgeordneten der SPD immer wieder als oberste Verfechter der Vorratsdatenspeicherung aufführen.

In der bisherigen Diskussion um die Wiedereinführung einer verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeichnerung haben wir Grünen immer wieder darauf verwiesen, dass der von den Befürwortern wiederholt zur Legitimation dieses umfassenden Grundrechtseingriffs herangezogene Einzelfall für uns keine Entscheidungsbasis sein kann. Der Einzelfall ist der denkbar schlechteste Ratgeber für den Gesetzgeber, der neben vielen anderen Aspekten aber vor allem auf die Verhältnismäßigkeit achten muss. Nebenbei bemerkt, obliegt es nicht denjenigen, die einen Grundrechtseingriff abwehren wollen, sondern denen die diesen zu begründen suchen, eine belastbare Zahlenbasis zu belegen.

Durch die Ergebnisse der jüngsten Studie fühlen wir uns darin bestätigt, auch weiterhin für eine grundrechtsschonendere Alternative zur Vorratsdatenspeicherung einzutreten. Wir sehen die Befürworter einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung – sowohl auf deutscher wie auch auf europäischer Ebene – in der Pflicht, die tatsächliche Notwendigkeit beziehungsweise Nützlichkeit der Vorratsdatenspeicherung und eine Vereinbarkeit dieser mit EU-Grundrechten nachzuweisen. Ein solcher Beweis steht bis heute aus. Zudem haben die Gutachter vollkommen zu Recht noch einmal darauf verwiesen, dass die Zulässigkeit der Richtlinie zurzeit vom Europäischen Gerichtshof auf Vereinbarkeit mit geltendem EU-Recht überprüft wird und angeregt, diese Entscheidung entsprechend abzuwarten.

Die bisherige Linie der Europäischen Kommission, aber auch der deutschen Befürworter einer Vorratsdatenspeicherung, ist bislang alles andere als überzeugend. Trotz intensiver Bemühungen ist es nicht gelungen, belastbares Zahlenmaterial vorzulegen. Als Grüne warnen wir die Befürworter einer Vorratsdatenspeicherung auch weiterhin davor, jetzt, noch vor der angekündigten grundlegenden Überarbeitung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeichnerung gesetzgeberische Schnellschüsse zu Lasten der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zu produzieren. Stattdessen wären die Befürworter gut beraten, zunächst die eigenen Hausaufgaben zu erledigen.

Hier findet ihr die Schlussfolgerungen des MPI-Gutachtens (pdf, 626 KB) Hier das Gutachten in voller Länge (pdf, 2 MB).

Hier findet Ihr einen Gastkommentar von mir zur aktuellen Vorratsdatenspeicherungsdebatte, der vor Kurzem in der Financial Times Deutschland erschienen ist.

Hier findet Ihr ein Interview, das ich heute dem Deutschlandradio gegeben habe.

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