Die Mitglieder der Projektgruppe „Demokratie & Staat“ der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages hat sich in ihrer Sitzung am 12. Juni 2012 intensiv über die auf der Beteiligungsplattform Adhocracy von den Bürgerinnen und Bürgern eingereichten Vorschläge ausgetauscht. Die Mitglieder der Projektgruppe verständigten sich im Zuge der Sitzung darauf, dass verschiedene Vorschläge von der Projektgruppe als Handlungsempfehlungen in den derzeit in der Erarbeitung befindlichen Projektgruppenbericht aufgenommen werden. Andere Vorschläge hingegen stießen aus verschiedenen Gründen auf Skepsis.

Vorschlag 1: Open Data

Der bei Adhocracy unter der Projektgruppe „Demokratie & Staat“ am höchsten bewertete Vorschlag „Transparenz fördern durch Open Data“ fand die Zustimmung der Projektgruppe. Man war sich einig: Die Bereitstellung öffentlicher Daten dient der Transparenz staatlichen Handelns. So heißt es in dem Vorschlag zu Recht: „Nur so können sich die Bürger informieren, eine fundierte Meinung bilden, Missstände kritisieren – und die Bildung letzterer im Vornherein vermeiden.“

Vorschlag 2: Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes

Bezüglich des Vorschlags mit der zweithöchsten Unterstützung „Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes allgemein verfügbar machen“, gemeint sind die Gutachten, die vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages erstellt werden, gab es im Zuge der Debatte auf einige Nachfragen: Wie steht es mit den Urheberrechten der Autoren? Sollte auch offengelegt werden, wer Auftraggeber einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes ist? Welche Gründe sprächen dafür oder dagegen? Nach intensiver Aussprache einigten sich die Mitglieder der Projektgruppe darauf, zunächst weitere Informationen einzuholen und unter anderem auch noch den Fortgang eines derzeit vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin laufenden Verfahrens abzuwarten.

Vorschlag 3: Live-Streams der Ausschüsse

Für grundlegende Diskussionen sorgte auch der am drittbesten bewertete Vorschlag „Live-Streams aller Ausschüsse der Parlamente durchführen“. Die Mitglieder der Projektgruppe waren sich einig, dass es grundsätzlich nötig ist, mehr Transparenz im Parlamentsbetrieb herzustellen. Dies schließe auch die Übertragung von Ausschusssitzungen ein. Jedoch könne man sich nicht einfach der Maximalforderung anschließen, alle Sitzungen in allen Parlamenten ohne weitere Einschränkungen zu übertragen. Vielmehr müsse die Möglichkeit der Abwägung gewahrt bleiben. Schließlich gebe es durchaus Schutzbedürfnisse, vor allem datenschutzrechtlicher, aber auch sicherheitspolitischer Natur, die zwingend berücksichtigt werden müssten. Insgesamt war man sich innerhalb der Projektgruppe einig, dass es hier eine differenzierte Betrachtungsweise brauche.

Vorschlag 4: Verträge der öffentlichen Hand

Der nächste Vorschlag „Offenlegung aller Verträge der öffentlichen Hand“ stieß ebenfalls auf ein geteiltes Echo. Grundsätzlich teile man die Auffassung, dass Transparenz auch hier eine wichtige Kontrollfunktion erfüllen könne. In diesem Zusammenhang wiesen einige Mitglieder der Projektgruppe darauf hin, dass es Unternehmen und Privatpersonen durchaus zuzumuten sei, besondere Transparenz-Regeln zu akzeptieren, wenn sie Geschäftsbeziehungen mit der öffentlichen Hand eingingen. Allerdings gebe es auch hier legitime Schutzbedürfnisse. So müsse man darauf achten, dass mehr Transparenz nicht am Ende zu negativen Folgen für die Bürgerinnen und Bürger führe. Sonderkonditionen, die der öffentlichen Hand teilweise von Unternehmen eingeräumt würden, könnten gestrichen werden, was dazu führen könne, dass bestimmte Dienstleistungen letztendlich teurer würden. Als Beispiel wurde die Hansestadt Hamburg genannt. Hier gebe es die Initiative für ein Transparenzgesetz, das zum Beispiel eine öffentliche Übersicht der Verträge vorsehe. Insgesamt gehe es darum, sinnvolle Abwägungsregeln aufzustellen, um praktikable Lösungen zu finden.

Vorschlag 5: Globale Online-Konzerne

Den Vorschlag „Maßnahmen gegen die Vereinnahmung des Internets durch globale Online-Konzerne“ bezeichnete ein Mitglied der Projektgruppe als ein „dickes Brett“. Man wolle die Anregung gerne aufnehmen, müsse aber gleichzeitig zu bedenken geben, dass die Projektgruppe hierzu keinen gesonderten Text vorlegen könne. Vor diesem Hintergrund sei es schwierig, tatsächlich eine Handlungsempfehlung abzugeben. Ein Mitglied bezweifelte, ob die Projektgruppe überhaupt der richtige Ort für das Thema sei. Vielmehr gehöre es in die Projektgruppe Kultur, Medien, Öffentlichkeit. Andere Projektgruppenmitglieder legten dar, dass es sich bei diesem Thema um ein Problem der Machtkonzentration und -verschiebung handele, also ein originär staatliches Feld berührt werde. Man einigte sich schließlich darauf, eine Übersicht zu erstellen, die sich mit offenen Fragen beschäftige, auf die man im Laufe der Arbeit gestoßen sei. Hier könne man den Vorschlag dann aufnehmen.

Vorschlag 6: Offene und freie Formate

Der Vorschlag „Verbindliche Festlegung von offenen und freien Formaten bei allen Prozessen des Staates“ berührt nach Auffassung der Mitglieder technische Standards und gehört daher in die gerade konstituierte Projektgruppe Interoperabiliät, Standards, Open Source. Die Projektgruppenmitglieder werden sich dafür einsetzen, dass der Vorschlag in diese, für das Thema zuständige Projektgruppe übermittelt und dort diskutiert wird.

Vorschlag 7: Beteiligungen von Abgeordneten

Beim folgenden Vorschlag „Offenlegung der Beteiligungen eines Abgeordneten“ stellten die Mitglieder der Projektgruppe zunächst fest, dass dies bereits geltendes Recht sei. Dennoch könne man die Anregung zum Anlass nehmen, darüber nachzudenken, welche Probleme es bei der derzeit gültigen Rechtslage gebe und wie diese behoben werden könnten. Allerdings berühre der Vorschlag ein viel allgemeineres Politikfeld. Insgesamt sei das Thema kein „internetspezifisches“, so ein Mitglied der Projektgruppe.

81 Vorschläge

Die Projektgruppe hatte sich dazu entschieden, von den insgesamt 81 über die Beteiligungsplattform eingegangenen Vorschläge die zehn am besten bewerteten während der Sitzung zu diskutieren. Drei Vorschläge konnten aus Zeitgründen nicht mehr aufgerufen werden.  Die bisher noch nicht behandelte Vorschläge werden daher in der nächsten Projektgruppensitzung noch einmal aufgerufen. Auch die Frage, wie genau die einzelnen Adhocracy-Vorschläge schließlich in den Bericht einfließen, wird Gegenstand der nächsten Sitzung sein.

Textarbeit abgeschlossen

Bei der vorhergehenden Textarbeit hatte die Projektgruppe die Beratung über alle wesentlichen noch ausstehenden Passage des abschließenden Berichtes im Konsens abgeschlossen. Lediglich beim Unterkapitel  „Regieren und Verwalten in der digital vernetzten Welt: Chancen und Herausforderungen von E-Government“ kam man nicht überein. Die nächste Sitzung der gesamten Enquete findet am 25. Juni statt. Über die bevorstehende Sitzung und darüber, wie Ihr Euch dazu anmelden könnt, hatten wir ja berichtet. In dieser Sitzung werden alle Kommissionsmitglieder über den Bericht der Projektgruppe, mit Ausnahme der Handlungsempfehlungen, beraten und entscheiden.

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