Die heutige Sondersitzung des Ausschusses „Digitale Agenda“ des Bundestages zur gleichnamigen „Agenda“ der Bundesregierung, bei der leider kein Minister der „drei federführenden Ministerien“ anwesend war, hat vor allem eines gezeigt: Die Bundesregierung stolpert weiter durch´s Neuland. Sie hat keinerlei Fahrplan für das weitere netzpolitische Vorgehen in dieser Wahlperiode. Aus der geradezu vernichtenden Kritik der letzten Monate an ihrem Vorhaben scheint sie nicht lernen zu wollen. So herrscht auch weiterhin völlige Unklarheit über das weitere Vorgehen in Sachen „Digitaler Agenda“, vor allem, was die Einbeziehung des gleichnamigen Internet-Ausschusses und der Zivilgesellschaft in den weiteren Arbeitsprozess angeht. Der neue „Internetausschuss“ wird auf dem politischen Abstellgleis geparkt.
Obwohl in der „Agenda“ selbst anders angekündigt, wurde der Bundestag im Vorfeld nicht an der Erarbeitung der „Digitalen Agenda“ beteiligt. Gleiches gilt für die Zivilgesellschaft. Beide hatten erst die Gelegenheit, sich inhaltlich mit der Agenda zu beschäftigen, nachdem diese letztendlich geleakt wurde. Wir hatten, auch über das Ausschusssekretariat, mehrfach versucht, an aktuelle Entwürfe der „Digitalen Agenda“ zu gelangen – ohne Erfolg. Während diese anderen Ausschüssen offenbar zugeleitet wurden, vergaß man auf Seiten der Regierung offenbar den neu eingerichteten „Internet-Ausschuss“ gleichen Namens. Parallel zur Vorstellung der Agenda durch die Minister Gabriel, de Maiziere und Dobrindt wurde eine Online-Plattform gestartet, auf der man die – wohlgemerkt innerhalb der Bundesregierung final abgestimmte – Agenda nun kommentieren darf. Das zeigt: Die Bundesregierung ignoriert nicht nur den neu eingerichteten gleichnamigen Ausschuss des Parlaments, sie hat auch die Vorteile einer modernen, partizipativen Politik für das digitale Zeitalter noch immer nicht erkannt. Leider fand auch die heutige Sitzung erneut unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. So wird eine öffentliche Diskussion über die Inhalte der Agenda nach wie vor massiv erschwert. Das kann eigentlich in niemandes Interesse sein.
Die Kritik am Vorgehen der Regierung angesichts der sich seit Monaten abzeichnenden Nicht-Beteiligung von Parlament und Zivilgesellschaft wurde auch von den anderen Fraktionen explizit geteilt. Um der Bundesregierung zu signalisieren, dass der Ausschuss ein großes Interesse hat, über die „Digitale Agenda“ zu diskutieren und im weiteren Prozess dringend benötigte Nachbesserungen vorzunehmen, hatten sich die Abgeordneten aller Fraktionen vor der Sommerpause verständigt, in der Sommerpause eine Sondersitzung zur „Agenda“ durchzuführen. Diesem Ansinnen wurde jedoch von Seiten des Bundestagspräsidenten nicht entsprochen, da u.a. die Notwendigkeit einer Beschäftigung mit der Thematik während der parlamentarischen Sommerpause nicht gesehen wurde. Nun hat sich der Ausschuss heute im Rahmen einer Sondersitzung mit der “Digitalen Agenda” beschäftigt. Zur Sitzung wurden die Vertreterinnen und Vertreter der „drei federführenden Ministerien“ in den Ausschuss geladen.
Die Ausführungen der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre während der heutigen Ausschusssitzung unterschieden sich kaum von denen, die die drei Internet-Minister Gabriel, de Maiziere und Dobrindt während der Pressekonferenz zum Besten gaben: So reihten sich die seit Jahren in der Diskussion befindlichen Buzzwords „Big Data“, „Industrie 4.0“, „Innovationsstandort“ aneinander, ohne dass diese inhaltlich mit Leben gefüllt und konkrete gesetzgeberische Handlungen in Aussicht gestellt wurden. Auch auf direkte Nachfragen, zum Beispiel wann mit Gesetzesentwürfen zur Störerhaftung, zur Sicherung der Netzneutralität, zur Verschlüsselung von Projekten wie DeMail oder dem elektronischen Personalausweis zu rechnen sei, erfuhr man nichts Neues von Seiten der Bundesregierung.
Wie Bundestag und Zivilgesellschaft – auch im Rahmen des IT-Gipfels am 21. Oktober 2014 in Hamburg – in die weitere Arbeit an der „Digitalen Agenda“ einbezogen werden sollen, steht weiterhin in den Sternen. Genauso unklar ist das weitere parlamentarische Vorgehen. Wir hatten angekündigt, die heutige Sitzung dazu zu nutzen, um neben den zahlreichen inhaltlichen Fragen, die wir zur „Digitalen Agenda“ haben, auch Fragen bezüglich des geplanten weiteren parlamentarischen Vorgehens zu stellen. Auch hierzu erhielten wir keine zufriedenstellende Antworten von der Bundesregierung. Nur so viel: Offenbar soll die „Digitale Agenda“ gar nicht in Gänze im Bundestag debattiert werden.
Aus heutiger Sicht steht vielmehr zu vermuten, dass es immer wieder einzelne „Single-Auskopplungen“ geben wird, die dann federführend in den jeweiligen Fachausschüssen des Bundestages beraten werden. Das bedeutet nichts anderes, als dass der neu geschaffene Bundestages-Ausschuss „Digitale Agenda“ über die „Digitale Agenda“ selbst nur mitberatend, also ohne irgendeine Federführung, diskutieren kann. Es ist also de facto so gekommen, wie wir es seit langem befürchtet und wovor wir Bundesregierung und Koalitionsfraktionen wiederholt gewarnt haben: Durch die Nicht-Beachtung der Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission und Nicht-Bündelung netzpolitischer Kompetenzen auf Regierungsseite wurde auch der neu geschaffene Bundestags-Internetausschuss endgültig auf´s politische Abstellgleis gestellt.
Nach dem heutigen Tag scheint sich leider zu bewahrheiten: Diese „Digitale Agenda“ ist nicht nur ein Sammelsurium längst bekannter Ankündigungen bar jeder Vision, wohin die netzpolitische Reise gehen soll, sondern ein Potemkinsches Dorf, das mit großer Monstranz im Vorfeld des nächsten IT-Gipfels von der GroKo aufgebaut wurde, letztendlich aber zu keinerlei Verbesserungen bezüglich der nach wie vor völlig unkoordinierten Netzpolitik der schwarz-roten Bundesregierung führen wird. Das ist angesichts der Tiefe, mit der netzpolitische Diskussionen in den letzten Jahren, auch und vor allem in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Bundestages, geführt wurden, und der Fülle von – interfraktionell verabschiedeten – Handlungsempfehlungen an den Gesetzgeber äußerst bitter.
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