Am 18. Januar veranstaltete die Grüne Bundestagsfraktion ein Vorab-Screening des Dokumentarfilms „National Bird“, der am 18. Mai 2017 in die Kinos kommt. Der Film beschäftigt sich mit dem völkerrechtlich hoch umstrittenen internationalen Drohnenkrieg. Auch über die US-Militärbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz werden als Relaisstation Drohnen gesteuert. Mein Kollege Hans-Christian Ströbele hat deshalb Strafanzeige gestellt gegen die Verantwortlichen in Deutschland und den USA.

Die Dokumentarfilmerin Sonia Kennebeck sprach mit Whistleblowern aus den US-Drohnenprogrammen und besuchte mit einer Veteranin Opfer eines Angriffs in Afghanistan. Der Film zeigt die verheerenden Folgen für die Zivilbevölkerung sowie die Auswirkungen auf die beteiligten Militärangehörigen. Im Anschluss an den Film haben Hans-Christian Ströbele und ich mit den VölkerrechtlerInnen Andreas Schüller und Maria Scharlau diskutiert.

An dieser Stelle dokumentieren wir den Bericht über das Filmscreening und die Diskussion, den Ihr auch auf der Seite der Grünen Bundestagfraktion findet. Einen Audiomitschnitt der Diskussion stellt die Technische Aufklärung auf ihrer Seite bereit.

Lisa, Heather und Daniel haben im geheimen Drohnenprogramm der USA gearbeitet. Der Film National Bird (ab 18. Mai im Kino) begleitet die drei Whistleblower und lässt sie ihre schockierende Geschichte erzählen. Sie berichten von der Grausamkeit, täglich Live-Videos von Drohneneinsätzen auswerten zu müssen, von den Sanktionen und Einschüchterungen, seit sie an die Öffentlichkeit gegangen sind, und von der Angst, dass das System der Totalüberwachung und des entgrenzten Krieges per Joystick außer Kontrolle gerät.

„Sie werden Dinge sehen und hören, die sie nie zuvor gesehen oder gehört haben, und Sie werden das Kino mit Einsichten verlassen, die Ihnen zuvor verschlossen geblieben sind“, prophezeit Produzent Wim Wenders. Regisseurin Sonia Kennebeck geht es mit ihrem Dokumentarfilm darum zu zeigen, „welche Auswirkungen das Programm auf die betroffenen Menschen hat, die ehemaligen Soldaten und Überlebenden von Angriffen, die menschliche Seite dieses Krieges.“

Ströbele: Strafanzeige gegen die Verantwortlichen in Deutschland und den USA

Die grüne Bundestagsfraktion hat am 18. Januar den Film vorab im Eiszeit Kino in Berlin gezeigt. Auch Deutschland spielt eine Rolle beim völkerrechtlich höchst umstrittenen Drohnenprogramm. Denn die Amerikaner nutzen ihre Relaisstation auf der Air Force Base in Ramstein, um die unbemannten Flugobjekte per Satellit zu steuern. Mit deutschem Recht ist nicht vereinbar, wenn mittels bewaffneter Drohnen Menschen jenseits bewaffneter Konflikte getötet werden. Deswegen hat Hans-Christian Ströbele Strafanzeige gegen die Verantwortlichen in Deutschland und den USA gestellt. Bei der Vorabpremiere diskutierte er mit den Völkerrechtlern Andreas Schüller, Maria Scharlau und seinem Kollegen im NSA-Untersuchungsausschuss Konstantin von Notz.

Schüller erklärte, dass es sich bei den Drohnen keinesfalls um Präzisionswaffen handelt. Denn entscheidend ist, dass die USA häufig nur vage Informationen darüber haben, auf wen sie eigentlich schießen. Daraus folgt so Schüller, dass die USA „im Großen und Ganzen nicht wissen, wer in welchen Strikes getroffen wird und dann kann man auch nicht mehr von Präzision reden.“ Sehr vereinfacht gesagt bedeutet das, erst wird geschossen, dann wird nachgesehen, wer getroffen wurde.

Deutsche Hilfe bei Drohnenkrieg wäre Beihilfe zum Mord

Am 21. Februar 2010 beschoss eine amerikanische Drohne einen Fahrzeug-Konvoi in Afghanistan. 23 Menschen sterben darunter viele Kinder, aber kein einziger Terrorist. Im Film berichtet Hinweisgeber Daniel weiter, dass Personen im Umkreis von „Zielpersonen“ als Komplizen quasi mitverurteilt werden. „Illegale Hinrichtungen“ sind das für Hans-Christian Ströbele. „Wenn das hier von Deutschland mit deutscher Hilfe geschieht, würde das den Paragraf 211, dem Mordparagrafen entsprechen. Das ist dann Beihilfe zu Mord oder Mittäterschaft.“

Für Konstantin von Notz eröffnet der Film aber auch eine weitere Facette des „Geheimen Kriegs“. Wenn demokratische Rechtsstaaten im Geheimen weltumfassend anlasslose Überwachungssysteme aufbauen, von denen weder Öffentlichkeit noch das Parlament genau wissen, wie sie funktionieren, kann am Ende eben auch die illegale Tötung mithilfe eben dieser Daten stehen. Wer sich diese Abgründe im Film ansieht, bekomme eine Ahnung, „wohin die Reise gehen kann, wenn man da nicht hart gegenhält“, so von Notz.

Zwei Jahre lang war Lisa im Rahmen der Missionen Iraqi Freedom und Enduring Freedom an der Identifizierung von rund 121.000 „aufständischen Zielen“ beteiligt. So steht es auf einer Urkunde, die die Protagonistin aus dem Dokumentarfilm zu ihrer Entlassung bekommen hat. Das Gefühl Soldaten im Auslandseinsatz durch ihre Arbeit mit den Drohnen zu mehr Sicherheit verholfen zu haben, hat Lisa schon lange nicht mehr. „Ein Krieg im Ausland, mit dem uns nichts anderes verbindet als Kabel und Tastaturen“, so sieht sie den Drohnenkrieg heute und mahnt: „Wenn Ihnen das keine Angst einjagt, mir tut es.“

Drohnensteuerung über Ramstein

Spätestens seit dem 30. November 2016 leugnet nun auch die Bundesregierung nicht mehr, dass US-Anlagen in Ramstein als Relaisstation zur Steuerung von US-Drohnen genutzt werden. Die Bundesregierung stellt sich dabei weiterhin auf den Standpunkt, die Zusicherung der USA gelte nach wie vor, „dass Aktivitäten in US-Militärliegenschaften in Deutschland im Einklang mit dem geltenden Recht erfolgen.“ Der Bundesregierung zufolge handeln die USA entlang des Völkerrechts; die Bundesregierung selbst möchte „nicht generell von einem völkerrechtswidrigen Verhalten sprechen.“ Die Frage, inwiefern Deutschland damit mitverantwortlich und essentieller Bestandteil des tödlichen US-amerikanischen Drohnenkrieges ist, ist nach wie vor nicht geklärt. Gezielte Hinrichtungen ohne jedes Gerichtsurteil sind mit unseren im Grundgesetz verankerten Werten, der Unantastbarkeit der Würde des Menschen, dem Recht auf Leben und dem Verbot der Todesstrafe nicht zu vereinbaren. Die Bundesregierung muss endlich Verantwortung übernehmen und die sofortige Beendigung jeglicher völkerrechtswidriger Praxen in Ramstein von den USA verlangen.

Drohnen für die Bundeswehr?

Die grüne Bundestagsfraktion hat sich seit Jahren immer wieder gegen die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr ausgesprochen. Die Gefahren, die mit der Nutzung solcher Waffensysteme einhergehen, sind vielfältig und kaum abschätzbar. Die zunehmende Automatisierung und Autonomisierung unbemannter bewaffneter Systeme drängt die menschliche Kontrolle immer weiter an den Rand. Der Einsatz militärischer Gewalt und die Entscheidung über Leben und Tod werden sukzessive an intelligente Waffensysteme übertragen. Zudem können solche Systeme die Hemmschwelle zum Einsatz militärischer Gewalt senken, da eigene Opfer in geringerem Maße zu erwarten sind. Die Bundesregierung hat die zahlreichen Warnungen vor den Implikationen solcher Waffensysteme weggewischt und sich auf den Pfad der Beschaffung von Kampfdrohnen begeben. Diesen Schritt lehnen wir klar ab.

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