Der bekannte internetabrufbare Dienst Google Street View soll bis Ende des Jahres auch bundesdeutsche Straßen digital und in 3-D abrufbar vorhalten. Dafür wurden drei Jahre lang in ganz Deutschland Bildaufnahmen von Straßen, Häuserfassaden und Plätzen erstellt. Street View stellt eine photographische Momentaufnahme dar. In einigen Ländern werden periodisch erfolgende, aktualisierende Kamerafahrten durchgeführt.

Kritik gibt es in Deutschland an dem geplanten Dienst von Google seit der Ankündigung der Einführung, insbesondere von Datenschützern.

Nach einer internen Einigung der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich erhielt Hamburg in Teilen die Zuständigkeit für Google, weil das Unternehmen dort eine Niederlassung unterhält. Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte verhandelte mit Google Zusagen für die Einhaltung des Datenschutzes für den Einsatz in Deutschland, die nicht immer einfach verliefen und erheblichen Druck durch die Datenschützer erforderlich machten.

Weil die öffentliche Kritik an den Einzelheiten der Datenerhebung nicht abriss, gab Google zudem ein Gutachten in Auftrag, dass die datenschutzrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bestätigte. Wenig später kam allerdings ein von öffentlicher Hand in Auftrag gegebenes Gutachten zum gegenteiligen Ergebnis, insbesondere was die Möglichkeit des Ausspähens von Vorgärten durch die erhöhte Position der Kameras angeht (zwischen 2,50 und 2,90 m Höhe).

Der anhaltende Konflikt um Google Street View wirft grundlegende Fragen auf, die noch lange nicht geklärt sind. Ziel sollte sein, sowohl wichtige Gemeinwohlinteressen als auch die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger im Blick zu behalten.

Die anhaltenden Forderungen – mittlerweile auch recht deutlich aus den Reihen der Union – nach einer gesetzlichen Regelung offenbaren das Komplettversagen der Regierung, allen voran der Symbolministerin Frau Aigner und des eigentlich zuständigen Bundesinnenministers. Seit Monaten ist bekannt, dass Street View vom bisherigen gesetzlichen Schutzkonzept nur unvollständig erfasst wird und dass die BundesbürgerInnen zu Recht einen gesetzlich verbürgten Schutz einfordern. Dabei kann es nicht dem Good Will eines Unternehmens überlassen bleiben, ob und wie ein solches Widerspruchsverfahren für Betroffene auszugestalten ist. Der Erhalt der Panoramafreiheit ist wichtig. Zu Recht dürfen von öffentlichen Straßen aus sichtbare Gebäude und Objekte in Deutschland grundsätzlich uneingeschränkt bildlich erfasst und veröffentlicht werden. Dies dient der Freihaltung öffentlicher Räume von der ausschließlichen Verfügungsgewalt Einzelner. Doch der Hinweis auf die wichtige und richtige Panoramafreiheit greift bei diesem Dienst, der monopolartig den kompletten öffentlichen Raum dauerhaft und aus kommerziellen Interessen ins Netz stellt, zu kurz.

Auch das Argument des Bundesinnenministers, es dürfe kein Lex Google geben, ist vorgeschoben. Niemand hat je eine solche Einzelfallregelung gefordert. Dem Bundestag liegt vielmehr ein Gesetzentwurf des Bundesrates vor, der sich mit Geoinformationsdiensten allgemein befasst. Der Entwurf enthält gute Ansätze, beantwortet manche Frage aber noch nicht ausreichend.

Angesichts des zerstrittenen Zustands der schwarz-gelben Koalition handelt es sich beim Hinweis von Herrn de Maiziere auf Eckpunkte im Herbst um einen Offenbarungseid. Das
Tempo, mit dem große Konzerne im Internet heute Fakten schaffen, duldet auch kein längeres Zögern. Das jetzt vom Innenminister anberaumte Spitzentreffen am 20.September kommt viel zu spät. Trotz der jetzt auf öffentlichen Druck hin von Google eingeräumten Verlängerung der Widerspruchsfrist, will das Unternehmen seinen Fahrplan einhalten. Googles Nachgeben ist reine Flickschusterei. Es ändert nichts am dringenden Bedarf einer gesetzlichen Regelung.

Gerade weil Geodatendienste eine so bedeutende, zentrale und auch nutzenbringende Anwendung darstellen können, ist es wichtig, dass der Staat hier seiner Gewährleistungsverantwortung für Grundrechte und Gemeinwohlinteressen nachkommt und verlässliche Grundsätze beispielsweise für ein Widerspruchsverfahren festlegt. Es ist das gute Recht der betroffenen Bürgerinnen und Bürger, Widerspruch gegen Abbildungen einzulegen, die ihre Persönlichkeitsrechte berühren. Dieses Verfahren muss bürgerfreundlich gesetzlich abgesichert werden. Dazu zählt die rechtzeitige Notifizierung der zuständigen Aufsichtsbehörden genauso wie die Löschpflicht für Rohdaten von zu verpixelnden Daten. Wir fordern außerdem einen Einwilligungsvorbehalt der Betroffenen für die
Verknüpfung der Bilddaten mit weiteren Informationen zu den darin lebenden Personen. Wir unterstützen die Forderung des Bundesdatenschutzbeauftragten, mit einem Register für Widersprüche bei einer unabhängigen Stelle das Verfahren zu verbessern. Daneben bedarf es einer Klarstellung der Anwendbarkeit des Bundesdatenschutzgesetzes auf internationale Unternehmen bei Internetangeboten, die erkennbar auf den bundesdeutschen Markt abzielen.

Der öffentliche Raum bleibt ein öffentliches Gut – auch im Internet. Zugänglichkeit für alle und jeden ist vom Staat auch in der digitalen Welt zu gewährleisten. Sie kann nicht von der Generosität bzw. der wirtschaftlichen Interessenlage eines Konzerns abhängen. Angesichts der Potentiale und Bedeutung von Google Street View muss deswegen auch über die Verpflichtung zu einem freien Zugang bzw. eine Beteiligung der Öffentlichkeit an den Gewinnen einer solchen Anwendung gesprochen werden. Wir stellen uns dagegen, dass ein Unternehmen den öffentlichen Raum im Netz erst privatisiert, dann monopolisiert und schließlich allein kommerzialisiert.

Hier findet Ihr eine Radiodiskussion mit Sascha Lobo, Peter Welchering und Konstantin vom Dienstag, den 17.08. in dem die drei das Thema ausführlich und kontrovers diskutieren.

Und hier eine Radiotalkshow, die gestern (18.09.) im Deutschlandfunk lief, in der Konstantin unter anderem mit Jan Kottmann von Google Deutschland diskutiert.

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