Der Einsatz von rechtswidrigen Überwachungsmethoden mit Computer-Trojanern, für die das Landgericht Landshut im Januar 2011 das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) in die Schranken gewiesen hat, war kein Einzelfall. Dies kam nun im Rahmen von parlamentarischen Anfragen der innenpolitischen Sprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag, Susanna Tausendfreund, ans Tageslicht.

Wie eine Schriftliche Anfrage der Bayerischen Grünen zu Tage gefördert hat, haben die bayerischen Strafverfolgungsbehörden in weiteren vier Fällen Computer mit Trojanern überwacht und dabei jeweils tausende Screenshots gemacht. Eine dieser Überwachungsmaßnahmen dauert trotz eines die Rechtswidrigkeit des Vorgehens attestierenden Beschlusses der Landshuter Richter noch an.

Dazu Susanna Tausendfreund: „Die bayerischen Behörden scheinen keinerlei Unrechtsbewusstsein an den Tag zu legen und offenbaren eine erschreckende Kaltschnäuzigkeit im Umgang mit rechtsstaatlichen Grundsätzen.“

Hintergrund des Beschlusses des Landgerichts Landshut war die Überwachung eines Verdächtigen, gegen den wegen Betäubungsmitteldelikten ermittelt wurde. Weil der Mann nicht über das Handy, sondern nur über Internet kommunizierte, platzierte das LKA heimlich bei einer Zollkontrolle am Flughafen Spionage-Software auf seinem Notebook. Durch diesen Trojaner wurde allerdings nicht nur die laufende Kommunikation überwacht, so wie es die Gesetzeslage zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung in engen Grenzen zulässt. Die Beamten kopierten und speicherten gleich massenhaft Screenshots. Das aber ist nach Auffassung des Landgerichts Landshut rechtswidrig, schließlich sei das Schreiben einer Mail noch keine Kommunikation und es könnten auch andere offene Dokumente auf dem Computer erfasst werden.

Die Grünen im bayerischen Landtag zeigten sich insbesondere durch die hohe Zahl der Screenshots alarmiert. So wurden bei einem Überwachungsfall aus dem Jahr 2009 fast 30.000 Bildschirm-Aufnahmen gemacht, auch in den anderen Fällen lagen die Zugriffe bei weit über 10.000. „Wer wahllos tausende von Seiten kopiert, kann doch kaum sicherstellen, dass nur Informationen gespeichert werden, die mit dem Kommunikationsvorgang in Verbindung stehen“, so Susanna Tausendfreund.

Bezeichnend sei auch, dass es im Fall, den die Landshuter Richter für rechtswidrig erklärt hatten, eben nicht um Terrorismus oder schwerste Straftaten ging, mit denen die Befürworter der Online-Durchsuchung immer wieder versucht hatten, die heiß umstrittene Ausspähung privater Computer zu rechtfertigen, sondern um ein Drogendelikt. „Das schürt nur unseren immer wieder geäußerten Verdacht, dass jeglicher Einsatz von Überwachungstechnik dem Missbrauch Tür und Tor öffnet und die Bürgerrechte Stück für Stück unter die Räder geraten.“

Hierzu Susanna Tausendfreund: „Diese Überwachungsmethoden müssen schleunigst ein Ende haben. Wir fordern den bayerische Innenminister Herrmann auf, hier die Bremse zu ziehen und eindeutig klarzustellen, dass der Staat in Bayern nicht jenseits von Recht und Gesetz in der Privatsphäre seiner Bürger schnüffeln darf.“

UPDATE vom 27.06.2011:

Wie auch heise gestern bereits berichtet, ist in der heutigen Ausgabe des Spiegel zu lesen, dass das Münchener Justizministerium mittlerweile eingeräumt hat, dass der sogenannte „Bayern-Trojaner“ in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt fünfmal zum Einsatz kam, um Straftaten wie banden- und gewerbsmäßiger Betrug oder der Handel mit Betäubungs- und Arzneimitteln aufzuklären.

Angesichts der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht Anfang 2008 hohe rechtliche Hürden für die Ausspähung von Computer festgelegt und betont hat, dass das heimliche Ausspähen von Festplatten nur dann zulässig ist, wenn es tatsächliche Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für ein „überragend wichtiges Rechtsgut“ bestehen, ist stark anzuzweifeln, ob die derzeitige Praxis einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würde. Wir bleiben am Ball.

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