Heute Morgen meldete das Deutschlandradio, das die Vorratsdatenspeicherung für die Koalition in dieser Legislaturperiode offenbar vom Tisch sei.

Nach Informationen des Deutschlandradio-Hauptstadtstudios soll Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger nicht mehr zu einer Gesetzesvorlage zur Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie gedrängt werden. Hintergrund ist neben dem Streit zwischen der FDP-Politikerin und Innenminister Friedrich die Situation auf EU-Ebene. Wie aus dem Innenausschuss des Bundestages verlautet, hat dort ein Vertreter der Brüsseler Kommission angekündigt, dass diese nicht rückwirkend finanzielle Strafen gegen Deutschland beantragen werde. Man wolle zunächst die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten.

Über die gestrige Anhörung im Innenausschuss hatten wir ja bereits berichtet. Auch netzpolitik.org hatte die gestrige Ausschussdebatte aufgegriffen.

Der Bericht der EU-Kommission im Innenausschuss des Deutschen Bundestages zur Zukunft der Vorratsdatenspeicherung hat vor allem eines gezeigt: Die Doppelstrategie der schwarz-gelben Koalition trägt nicht.

Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger lässt sich auf Parteitagen als Jeanne d` Arc der Bürgerrechte feiern. Gleichzeitig lassen sich die Konservativen in der Union als Garanten der Sicherheit preisen, weil sie für die anlasslose Vorratsdatenspeicherung sind. Dieser Konflikt in der Koalition hat uns bisher eine weitere verfassungswidrige Umsetzung der Richtlinie erspart. Aber auf Dauer trägt dieses Reden in beide Richtungen nicht – denn Brüssel macht immer mehr Druck auf die Bundesrepublik, nun endlich die Richtlinie erneut in deutsches Recht zu gießen. Heute wissen wir: Diese Regierung ist bei der Vorratsdatenspeicherung zu einer Lösung weder willens noch in der Lage. Stattdessen nutzte sie das Thema bislang zur jeweiligen Profilierung.

Wenn die Koalition sich nun tatsächlich von der Vorratsdatenspeicherung verabschiedet hat, wäre dies der einzig richtige Weg aus einem selbst verschuldeten Koalitionschaos. Pauschale Massenspeicherungen der Telekommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger auf Vorrat, losgelöst von jeglichem Tatverdacht oder Gefahrenlage, beschädigen das Vertrauen in unsere Kommunikationsinfrastrukturen und missachten die Bürgerrechte grundlegend.

Leider handelt die Koalition noch immer nicht aus höherer Einsicht. Sie hat sich über mehr als zwei Jahre in einem unwürdigen Schauspiel gegenseitig diffamiert und selbst zerlegt. Auch Frau Merkel war offenbar weder fähig noch willens, dem unsinnigen Treiben der Law & Order-Fraktion in ihren Reihen ein Ende zu setzen. Damit hat sie ihr Desinteresse an zentralen Grundrechtsfragen dokumentiert. So ist wertvolle Zeit verloren gegangen, um die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten von der Unsinnigkeit anlassloser Massenspeicherungen zu überzeugen.

Nachdem die Befürworter einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung weder einen über Einzelfälle hinausgehenden Beleg des Nutzens, noch die verfassungsrechtlich saubere Umsetzbarkeit von Massenspeicherungen nachweisen konnten, bleibt der Bundesregierung nur eine Möglichkeit: Sie muss sich auf Europäischer Ebene mit aller Vehemenz für die Aufhebung der zugrundeliegenden Richtlinie aussprechen. Darüber hinaus muss sie sich auch für die sofortige Beendigung zahlreicher weiterer grundrechtsintensiver EU-Massenspeicherungen wie der Fluggastdatenspeicherung stark machen. Hierzu fordern wir sie seit langem auf.

Die Zeit des Taktierens ist vorbei. Die Bundesregierung darf sich nicht länger zurücklehnen. Sie muss dem Ausverkauf der Grundrechte endlich Einhalt gebieten und sich aktiv und vehement für den verfassungsrechtlichen garantierten Grundrechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger einsetzen.

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