Wir Grünen stellten bereits im Frühjahr 2010 im Bundestag die erste Kleine Anfrage zu ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) und machten seitdem immer wieder bei Veranstaltungen, in  Publikationen, in Anträgen, in Ausschussanhörungen und auch hier auf die vielfältigen Probleme bei ACTA aufmerksam – genauso wie eine kritische Fachöffentlichkeit und eine engagierte Zivilgesellschaft.

Bislang ignorierte die Bundesregierung die immer wieder geäußerten Bedenken. Erst als im Frühjahr diesen Jahres dann mehrere zehntausend Menschen in ganz Europa gegen das ACTA-Abkommen auf die Straßen gingen, mehrere Länder beschlossen, die Ratifizierung ACTAs auszusetzen und es absehbar auch keine Mehrheit mehr für das Abkommen im Europäischen Parlament gab, beschloss die Bundesregierung, die Ratifizierung ebenfalls auf Eis zu legen. Gleichzeitig gab sie zu Protokoll, dass man an der grundsätzlichen Richtigkeit von ACTA festhalte. Diese Woche hat das Anliegen von über 61.000 Petenten, die sich dafür aussprachen, dass die Bundesregierung die Ratifizierung ACTAs auch tatsächlich aussetzt, Eingang in den Bundestag gefunden. Es zeigt sich immer deutlicher: ACTA steht vor dem Aus.

Bürgerinnen und Bürger fordern eindeutige Abkehr von ACTA
Insgesamt haben sich 61.478 Bürgerinnen und Bürger, über 50.000 binnen der drei Wochen Frist, für die ePetition des Bundestages „Urheberrecht – Aussetzen der Ratifizierung von ACTA“ ausgesprochen. Wir freuen uns über das Engagement des Petenten und der Unterstützerinnen und Unterstützer und teilen das Anliegen. Damit setzen die Bürgerinnen und Bürger ein weiteres deutliches Signal, dass eine weitere Nicht-Positionierung der Bundesregierung  nicht akzeptabel ist.

Wir teilen die vom Petenten in der öffentlichen Anhörung des Petitionsausschusses vorgetragene vielfältige Kritik am Zustandekommen und Inhalt des ACTA-Abkommens. Die geheimen Verhandlungen, die zu erwartende Unvereinbarkeit des Abkommens mit geltendem EU-Recht, die völlig verfehlte Stoßrichtung und die Privatisierung der repressiven Urheberrechtsdurchsetzung, die schwammigen Formulierungen in einem völkerrechtlichen Vertrag und die nicht absehbaren Folgen für Entwicklungs- und Schwellenländer hinsichtlich Generika und Saatgut, lassen keinen anderen Schluss zu als den Schlusssatz des Petenten: Ich bin heute hier, um den Bundestag aufzufordern, dieses Abkommen nicht zu ratifizieren.“

Wieder duckt sich die Bundesregierung in der Urheberrechtsdebatte weg
Selbst der Vertreter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit äußerte öffentlich große Bedenken an den Folgen des Abkommens und gab bekannt, dass sein Ministerium keinem Entwicklungs- und Schwellenland zur Ratifizierung von ACTA raten würde- eine erstaunlich deutliche Aussage angesichts des Festhaltens der Bundesregierung an ACTA. Trotz dieser Deutlichkeit sieht sich die Bundesregierung bis heute nicht in der Lage, sich klar gegen das ACTA-Abkommen zu positionieren. Stattdessen beruft sich der geladene Vertreter des Justizministeriums, Staatssekretär Max Stadler (FDP), darauf, dass, unter anderem durch kurz zuvor bekanntgewordene Äußerungen der EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, klar sei, dass es auf EU-Ebene keine Mehrheit mehr für ACTA gäbe.

Für den vom Petenten geforderten Beschluss der Bundesregierung, die Ratifizierungspläne ebenfalls endgültig aufzugeben, sieht die Bundesregierung keinen Bedarf, da ACTA ohnehin im EU-Parlament scheitern würde. Dass hier eine Momentaufnahme herangezogen wird, um sich vor einem klaren politischen Zeichen zu drücken, ist mehr als offensichtlich. Wieder einmal versucht die Bundesregierung sich rauszulavieren anstatt klar Stellung zu beziehen. Die Haltung untätig zu bleiben, da es plötzlich keine Mehrheit mehr für ein Abkommen gibt, dass die Bundesverbraucherschutzministerin Aigner (CSU) noch Ende letzten Jahres im EU-Rat durchgewunken hatte, spricht leider Bände für die Unfähigkeit der Bundesregierung sich gegen einen völkerrechtlichen Vertrag auszusprechen, dessen undemokratisches Zustandekommen und dessen Grundintention, das bestehende Urheberrecht, anstatt es zu reformieren, rein repressiv durchzusetzen, sind mindestens von gestern.

Bundesregierung hat scheinbar keinerlei Lehren gezogen
Auch hinsichtlich Transparenz und Offenheit ist von der Bundesregierung keine Besserung zu erwarten. Gegen eine Veröffentlichung von Dokumenten wie den Verhandlungsprotokollen führt die Bundesregierung bestehende Vertraulichkeitsregeln an. Genau diese Veröffentlichung versucht gerade ein Bürger durch Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetzes zu erwirken. Auch hier muss zivilgesellschaftliches Engagement der Bundesregierung erst auf die Sprünge helfen.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat die Kritik, die Zivilgesellschaft, Wissenschaft und wir Grüne an ACTA immer wieder geäußert haben, lange ignoriert und scheinbar bis heute nicht verstanden. Der Erfolg der Petition ist ein klarer Ausdruck dessen, was die Demonstrationen der vergangenen Monate gegen ACTA bereits gezeigt hatten: Das bestehende Urheberrecht steckt in einer Akzeptanzkrise. Es hält mit den Herausforderungen, vor die uns Internet und Digitalisierung stellen, nicht Schritt und ACTA würde genau das zementieren. Durch ein rein repressives Vorgehen wird es jedoch nicht gelingen, einen echten Interessenausgleich zwischen allen Beteiligten herzustellen.

Hier findet Ihr eine unvollständige Übersicht unserer bisherigen Aktivitäten gegen ACTA.

Hier die Aufzeichnung der Anhörung im Petitionsauschuss vom 07.05.2012 ( ACTA ab 01:05:27):

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