Die Diskussion über die Störerhaftung bei WLan wird seit Jahren intensiv geführt. Es liegen seit langem mehrere, sehr deutliche Aufforderungen einzelner Länderparlamente, des Bundesrats, aber zum Beispiel auch der Justizministerkonferenz etc. vor, die alle das gleiche Ziel verfolgen, nämlich die bestehende Rechtsunsicherheit zu beheben und die im Telemediengesetz vorgesehene Privilegierung auszuweiten. Genauso liegen derzeit verschiedene Initiativen hierzu im Bundestag vor. Heute haben sich eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen bei uns erkundigt, warum wir uns denn beim Antrag der SPD enthalten hätten. Einige freundlicher, andere weniger.

Denjenigen, die es trotz einer seit Monaten hierzu intensiv geführten Diskussion immer noch nicht verstanden haben, warum wir uns in diesem Fall bezüglich des Antrags der SPD enthalten haben, erklären wir das gerne auch an dieser Stelle noch einmal.

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat im September 2012 im Rahmen des „Zukunftsforums Urheberrecht“ in Berlin angekündigt, prüfen zu wollen, welche Möglichkeiten bestehen, ein eventuell bestehendes Ungleichgewicht bei der Störerhaftung für WLAN-Betreiber auszugleichen. Obwohl die Justizministerin seitdem immer wieder, auch vor dem Hintergrund der deutlichen Aufforderung ihrer LänderkollegInnen, angekündigt hatte, sich der Sache noch vor Ende der Legislatur annehmen zu wollen, hat sie dies Unterfangen als einen der letzten Punkte des „3. Korbs“ vor einigen Wochen endgültig abgeblasen. Konstantin hatte hierzu immer wieder Fragen an das Ministerium gestellt, die wir hier in aller Ausführlichkeit dokumentiert haben.

Derzeit liegen auch im Bundestag verschiedene Initiativen zu dem Thema Störerhaftung vor, zu denen auch entsprechende Anhörungen in den Fachausschüssen stattgefunden haben. Auch hierauf hatten wir wiederholt aufmerksam gemacht. Derzeit liegt konkret ein Antrag der SPD und ein Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke vor. Wir unterstützen als Grüne die Initiative der Linken, die auf einem Vorschlag der Digiges aufbaut und sehr konkrete Vorschläge der Ausweitung der Privilegierung macht, und enthalten uns als Grüne bei dem Antrag der SPD.

Unsere Enthaltung gegenüber dem Antrag der SPD ergibt sich vor allem aus folgenden Punkten: Erst einmal ist es uns ehrlich gesagt nicht ganz klar, was es nun bringt, die Bundesregierung ein weiteres Mal, reichlich unkonkret, aufzufordern, hier tätig zu werden. Entsprechende Forderungen liegen ja seit langem vor, das Problem ist eben nicht das Fehlen entsprechender Forderungen, sondern die schwarz-gelbe Ignoranz ihnen gegenüber und der Unwille, sich der Sache anzunehmen.

Genauso kritisieren wir jedoch den genauen Wortlaut der Initiative, in der es heißt, dass die Bundesregierung „zwecks Erhöhung der Rechtssicherheit und unter Einbeziehung von Zumutbarkeitskriterien“ aufgefordert wird, „Schutzmaßnahmen, die die Betreiber von WLAN-Netzen zur Vermeidung ihrer Verantwortlichkeit für unbefugte Nutzung durch Dritte“ zu ergreifen haben, so „zu konkretisieren, dass Betreiber bei Erfüllung dieser Anforderungen ihre WLANs ohne Haftungs- und Abmahnungsrisiken betreiben können“.  Was genau unter „technischen Maßnahmen“ oder „Zumutbarkeitskriterien“ und „Schutzvorkehrungen“ zu verstehen ist, bleibt indes leider unklar.

So sehr wir die Intention der Initiative der SPD einer Erhöhung der Rechtssicherheit für Anbieter von WLAN-Netzwerken begrüßen, so fraglich ist, ob den Verfassern die möglichen Auswirkungen ihrer Formulierungen bei einer – ob nun bewusst oder unbewussten – falschen Auslegung im Klaren sind. Hierdurch, aber auch durch die vage Formulierung von Prüfbitten in Richtung Bundesregierung, erscheint zumindest fraglich, ob die Initiative letztendlich ihr eigentliches Ziel, einen Beitrag zur Verminderung der Rechtsunsicherheit für private und gewerbliche Betreiber von WLAN-Netzen und einen verbesserten Zugang für Dritte, tatsächlich zu ermöglichen, zu leisten im Stande ist. Auch hierauf haben wir immer wieder aufmerksam gemacht.  

Auch uns scheint der von der Linken eingeschlagene Weg, mit Hilfe einer sehr viel konkreteren Vorlage, die eine solche rechtliche Klarstellung direkt in Form eines Gesetzes vornimmt, sehr viel erfolgsversprechender. Die Linke hat eine entsprechende Initiative der „Digitale Gesellschaft e.V.“ vom Juni 2012 aufgegriffen. Diese Initiative aus der Mitte der Zivilgesellschaft begrüßen wir und finden auch nichts Verwerfliches daran, wenn eine Fraktion des Deutschen Bundestages sich dafür entscheidet, eine solche gute Initiative aus der Zivilgesellschaft zu übernehmen.

Für den Fall, dass die Bundesregierung es sich doch noch überlegt hätte, eine eigene Initiative vorzulegen, haben wir uns die Möglichkeit offengehalten, ebenfalls einen eigenen Gesetzesentwurf vorzulegen. Da dies nicht geschehen ist, unterstützen wir die Initiative der Linken – genauso, wie die Linke derzeit verschiedene Initiativen von uns unterstützt. Das hat Konstantin unter anderem in der Plenardebatte, die hierzu stattgefunden hat, auch sehr deutlich so benannt.

Diejenigen, die uns nun unterstellen, wir würden dem Thema durch unsere Enthaltung gegenüber dem Antrag der SPD einen Bärendienst erweisen, wären nächstes Mal vielleicht ganz gut beraten, einfach mal kurz nachzufragen, bevor sie ihre Unfähigkeit, eine seit langem geführte Diskussion kurz nachzuvollziehen, dokumentieren und lieber gegen diejenigen ranten, die sich heute schon im Bundestag für eine progressive Netzpolitik einsetzen.

Hintergrund:
Im Mai 2010 hat der BGH im „Sommer unseres Lebens“-Urteil in Sachen Störerhaftung und WLan (I ZR 121/08) entschieden. Das Urteil hat zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit auf Seiten von WLan-Betreibern geführt. Dreh- und Angelpunkt der Diskussion ist die Frage nach der Haftung bei Rechtsverletzungen (nicht nur im Bereich des Urheberrechts) bei offenen WLan. In seinem Urteil stellt der BGH klar, dass der Betrieb eines offenen WLan grundsätzliche eine Gefahrenquelle (für Rechtsverletzungen durch Dritte) darstellt und legt demjenigen, der ein WLan in Betrieb nimmt, gewisse Pflichten zu dessen Sicherung auf, um so Rechtsverstöße zu vermeiden. Unterbleiben die gebotenen Sicherungsmaßnahmen greift die sogenannte „Störerhaftung“.Um es zum Beispiel Internetcafés, Hotels,  aber eben auch Privatpersonen zu ermöglichen, den Kunden bzw. anderen Personen auch weiterhin ein (ungesichertes) WLan anzubieten und den Betreiber so aus der Störerhaftung zu nehmen, wurde und wird intensiv die Frage diskutiert, inwieweit die vom Gesetzgeber vorgesehenen Privilegierungen für Access-Provider aus dem Telemediengesetz auch für WLan-Betreiber Anwendung finden können. Kritiker des BGH-Urteils weisen darauf hin, dass der BGH sich in dem Urteil gar nicht mit den einschlägigen Paragraphen des TMG (§ 8) beschäftigt hat und die so begründbare Ablehnung der im TMG vorgesehenen Privilegierung v.a. deswegen nicht nachvollziehbar sei, da es sich im Zuge der Bereitstellung eines WLan lediglich um eine Durchleitung von Informationen Dritter handele, nicht jedoch um eine Speicherung und ein Betreiber eines WLans somit durchaus auch als Access-Provider angesehen werden kann, weshalb sich der BGH zwingend mit der Vorschrift des §8 TMG hätte beschäftigen müssen.

Hier findet Ihr weitergehende Informationen, Hinweise auf die vorliegenden Anträge, Gesetzesentwürfe, stattgefundene Anhörungen etc. zum Thema Störerhaftung.

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