Die erste parlamentarische Sitzungswoche im neuen Jahr ist bereits in vollem Gange. Sie steht ganz im Zeichen der barbarischen Anschläge von Paris, zu denen es am Donnerstag eine Regierungserklärung der Kanzlerin im Plenum des Bundestages geben wird. Während wir gestern vor dem Brandenburger Tor der Opfer gedachten, ist die Debatte um die politischen Konsequenzen in den letzten Tagen voll entbrannt.

Bereits am vergangenen Freitag habe ich hierzu einen Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau verfasst, in dem ich mich für ein friedliches Miteinander und gegen die dumpfen Parolen von Pegida und Co. wende. Gemeinsames gesellschaftliches Anliegen muss es sein, zu verhindern, dass Populisten und Hardliner aus den Taten politisches Kapital schlagen und weiter Zwietracht zwischen den Menschen in unserem Land sähen. Gemeinsam müssen wir entschlossen für unsere Freiheitsrechte, die die Terroristen hassen, einstehen. Sie als Antwort auf die Pariser Morde einzuschränken, wie es vor allem die konservative Seite der Großen Koalition dieser Tage plant, würde letztendlich den Terroristen in die Hände spielen.

Vor diesem Hintergrund nimmt auch der Parlamentarische Untersuchungsausschuss an diesem Donnerstag und Freitag in gleich zwei Sitzungen die Arbeit wieder auf und setzt seine für unseren Grundrechtsschutz so wichtige Aufklärungsarbeit fort. Sowohl am Donnerstag als auch am Freitag stehen weitere Zeugenanhörungen auf den Tagesordnungen.

Am Donnerstag wird die Sitzung unmittelbar nach der Regierungserklärung der Kanzlerin und der darauf folgenden Aussprache beginnen. Am Freitag wird die öffentliche Beweisaufnahme bereits um 9 Uhr beginnen. Wie immer können sich Interessierte für einen Besuch der öffentlichen Sitzungen anmelden. Sitzungsort an beiden Tagen ist der Europasaal des Paul-Löbe-Hauses des Bundestages.

Im Zuge der Sitzung am Donnerstag werden insgesamt vier Zeugen angehört. Neben den beiden bisher nicht gehörten Zeugen, den Herren H. und A. von der Deutschen Telekom, werden zudem Reinhardt Breitfelder, ehemals Leiter der Abteilung „Technische Beschaffung“ des Bundesnachrichtendienstes sowie Frau K.L., die im Jahr 2007 den sogenannten „Schwachstellenbericht“ zur Operation EIKONAL bzw. GRANAT verfasst hat, noch einmal angehört. Die beiden letzten Zeugen hat der Ausschuss schon in der letzten Sitzung am 18. Dezember 2014 in öffentlicher Sitzung vernommen. Am Donnerstag soll nun der nichtöffentliche Teil folgen, der aus Zeitgründen letztes Mal verschoben werden musste.

Von den Zeugen wollen wir vor allem erfahren, wie die Kooperation mit dem BND bei der Operation EIKONAL mit der Telekom zustande kam und konkret ablief. Insbesondere interessiert uns, welche rechtlichen Erwägungen die Telekom anstellte, welche rechtlichen Probleme sie sah und wie es letztlich zum Abschluss des Vertrages zwischen BND und Deutscher Telekom kam, leitungs- und paketvermittelte Telekommunikation aus vermeintlicher Auslands-Auslands-Kommunikation auszuleiten.

Darüber hinaus erhoffen wir uns von einem der Zeugen, der auch mit den technischen Abläufen betraut war, Auskünfte über das genaue Vorgehen bei der Überwachung der Telekommunikation am Glasfaserkabel, über abgreifbare und tatsächlich abgegriffene Datenmengen durch den BND, die Struktur der Daten, die man bei einem solchen Abgriff erhält, z.B. was die Trennbarkeit von Daten angeht, die aus Sicht der Bundesregierung Grundrechtsträgerinnen und -trägern zuzuordnen sind. Insgesamt erhoffen wir uns mehr Klarheit bezüglich der Frage, welche Daten über die Netzinfrastruktur des Betreibers preisgegeben wurden und ggf. werden, aber auch bezüglich weiterer technischer Fragen, die für das Gesamtverständnis und die weitere Aufklärungsarbeit wichtig sind.

Vom ehemaligen Leiter der Abteilungen 6 (Technische Unterstützung) und 2 (Technische Beschaffung) Breitfelder sollen in nichtöffentlicher Sitzung die nach der letzten Dezember-Sitzung offengebliebenen Fragen geklärt werden. Hier interessieren uns insbesondere Fragen nach der weiteren Kooperation mit ausländischen Geheimdiensten, zu anderen Projekten des BND in diesem Zusammenhang, zu den Details bei der Operation EIKONAL und der Zusammenarbeit mit der Deutschen Telekom.

Von Frau L., die von Februar bis August 2007 beauftragt war, über die technischen Abläufe der Operation EIKONAL/GRANAT eine Dokumentation einschließlich einer Schwachstellenanalyse mit Maßnahmenkatalog zu erstellen, wollen wir wissen, welche Schwachstellen sie konkret dokumentiert hat. Hierzu hatte die Zeugin bereits in öffentlicher Sitzung erste Aussagen gemacht. In der Vernehmung am Donnerstag wollen wir genauer die Schwachstellen erörtern, die sich – so stellt es sich für uns dar – von Beginn an gravierend auf die Frage der Rechtmäßigkeit und damit die Fortführung des Projekts hätten auswirken müssen. Mit anderen Worten: Wir wollen dem Verdacht nachgehen, dass bei EIKONAL massenhaft Metadaten von Grundrechtsträgern ohne weitere Prüfung an die NSA weitergegeben wurden. Da der entsprechende Bericht nach wie vor als „geheim“ eingestuft ist, geht dies leider nur nichtöffentlich.

In der Vernehmung im Dezember kam zu sehr später Stunde heraus, dass die Zeugin Mitte Oktober 2014 zu einem Gespräch ins Kanzleramt zitiert wurde und dort konkret über ihren Schwachstellenbericht befragt wurde. Bei diesem Termin waren nach heutiger Kenntnis neben weiteren Personen u.a. auch Staatssekretär Fritsche, BND-Präsident Schindler sowie BND-Unterabteilungsleiter W.K. anwesend. Das Treffen fand nach heutigem Kenntnisstand zu einem Zeitpunkt statt, zu dem der Ausschuss den betreffenden Bericht noch nicht erhalten hatte, wodurch sich weitere Fragen ergeben. Der Zeugin wurde damals offenbar bereits in Aussicht gestellt, dass sie als Zeugin vor dem Untersuchungsausschuss in Betracht käme. Wir halten das für einen gravierenden Vorgang: Die Frage steht im Raum, ob die Zeugin durch Vertreter der Bundesregierung beeinflusst worden sein könnte oder werden sollte.

In der Sitzung am Freitag wird der Ausschuss dann den ehemaligen Bundebeauftragten für den Datenschutz, Peter Schaar, als Zeugen hören. Von Peter Schaar wollen wir zum einen erfahren, wie er seine Aufgabe als zuständige Kontrollinstanz insbesondere gegenüber dem Bundesnachrichtendienst und dem Bundesamt für Verfassungsschutz wahrnehmen konnte. Wurde er jeweils vollständig, richtig und zeitnah informiert? Welche Probleme gab es bei der Kontrolle der Geheimdienste? Diese Fragen interessieren vor allem vor dem Hintergrund, dass der Ausschuss ja auch die – im Einsetzungsbeschluss formulierte – Aufgabe hat, das gesamte Setting der Geheimdienstkontrolle unter die Lupe zu nehmen und Empfehlungen für eine effektive(re) Kontrolle durch Parlament und zuständige Aufsichtsbehörden auszusprechen. Hierfür kann uns Peter Schaar, so unsere Hoffnung, wichtige Hinweise geben.

Zum anderen möchten wir mit dem ehemaligen Bundesbeauftragten unter anderem auch die für seine Aufsichtsmaßnahmen maßgebliche Einschätzung der rechtlichen Problematik der Überwachung unserer Telekommunikation durch Geheimdienste erörtern. Insbesondere vor dem Hintergrund der bisher gehörten – aus unserer Sicht abwegigen – Rechtsaufassungen über „Weltraumtheorien“, „virtuelles Ausland“ und angeblich nicht einschlägige Regelungen zur Datenübermittlung an NSA & Co. ist die Sicht des ausgewiesenen Experten und Zeugen Schaar hier von großem Interesse.

Tags

Comments are closed

Archive