Kaum ein Thema hat in den vergangenen Monaten so sehr die Gemüter erhitzt wie die Uploadfilter. Gerade habe ich in einem Blogpost skizziert, wie wir seit langem versuchen, darauf aufmerksam zu machen, dass sie längst nicht nur im Bereich des Urheberrechts, sondern beispielsweise auch beim Kampf gegen terroristische Online-Inhalte drohen. Die Gefahr eines Overblocking und negativer Auswirkungen auf die Meinungs- und Informationsfreiheit sind also auch hier sehr real. Gerade findet im Europäischen Parlament eine wichtige Abstimmung über #Terrorfilter in #Artikel6 und eine einstündige Löschfrist in der sogenannten #TERREG-Verordnung statt.

In einem Gastbeitrag, den ich für die Deutsche Richterzeitung (DRiZ) (Ausgabe 03|19) zur Thematik verfasst habe, skizziere ich noch einmal die Gefahren, die von entsprechenden Filtertechnologien und derartig kurzen Fristen zur Entfernung von Inhalten ausgehen. Den Beitrag veröffentlichen wir hier mit freundlicher Genehmigung der Richterzeitung. Wie immer gilt: Über Eure Kommentare und Kritik freue ich mich.

Bundesregierung muss sich gegen Uploadfilter einsetzen!

von Konstantin v. Notz

Vor kurzem hat die EU-Kommission ihre lange angekündigten Vorschläge zum Umgang mit terroristischen Online-Inhalten vorgestellt. Die Intention der Kommission ist grundsätzlich zu begrüßen: Vor dem Hintergrund der zunehmenden Verbreitung derartiger Inhalte über Online-Plattformen und der Gefahr, die hinsichtlich einer Radikalisierung von ihnen ausgeht, müssen die Bemühungen, ihre Verbreitung möglichst effektiv einzudämmen, zweifellos intensiviert werden. Die bisherigen Anstrengungen der Plattformen, terroristische Inhalte schnellstmöglich auf Grundlage von intransparenten Selbstverpflichtungen zu entfernen, reichen nicht aus.

„Die Vorschläge der Kommission schießen weit über´s Ziel hinaus.“

Hier brauchen wir Vorgaben für ebenso rechtsstaatliche wie transparente, zumindest zwischen den EU-Mitgliedsstaaten abgestimmte, Verfahren. Gerade in diesem Bereich ist es zwingend notwendig, besonnen und rechtsstaatlich vorzugehen. Genau das tut die Europäische Kommission jedoch nicht. Eine erforderliche Rechtsgüterabwägung wurde offensichtlich nicht vorgenommen. So schießen die Vorschläge der Kommission insgesamt weit über das Ziel hinaus: Die vorgegebene einstündige Frist zur Entfernung derartiger Inhalte wird absehbar dazu führen, dass versucht wird, dieser Vorgabe durch die Implementierung einer technischen Filterinfrastruktur zu entsprechen. Die Diskussion um derartige Upload-Filter führen wir derzeit in ganz unterschiedlichen Kontexten, beispielsweise auch im Zusammenhang der jüngsten Vorschläge zur EU-Urheberrechtsreform. Deutlich wird, dass wir derzeit die rechtsstaatlich fragwürdige Entwicklung erleben, derartige Inhalte nicht mehr einer händischen Überprüfung nach Kenntnisnahme zu unterziehen, sondern diese mehr und mehr durch Technik ersetzt werden soll, die zukünftig als Vorinstanz Inhalte vor deren Freischaltung prüft.

„Gefahr, dass Informations- & Meinungsfreiheit unverhältnismäßig eingeschränkt werden, ist extrem groß.“

Tatsächlich funktionierende Filter gibt es jedoch bis heute nicht. Die Fehleranfälligkeit bestehender Systeme ist groß und die damit verbundene Gefahr des „Overblocking“ durchaus real. Denn Filter können nicht leisten, was Mitarbeiter verantworten. Die Gefahr, dass es durch die jüngsten Vorschläge zur Einschränkung der Informations- und Meinungsfreiheit kommt, ist extrem groß. Gleichzeitig wird durch das Vorgehen der EU-Kommission das bestehende, über viele Jahre entwickelte „notice and takedown“-Verfahren weiter in Frage gestellt – wohlgemerkt während dies durch die Große Koalition auf nationalstaatlicher Ebene gerade durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) konkretisiert wird.

Bundesregierung muss Uploadfiltern klare Absage erteilen, aus Fehlern bei NetzDG lernen.“

Angesichts der bisherigen Unzulänglichkeiten automatisierter Filtertechniken, der skizzierten Gefahren sowie einer Entwicklung, die zusehends auf Technik setzt, wo diese absehbar nur scheitern kann, müssen wir uns fragen, ob es nicht bei Weitem besser wäre, die bisherige Verfahren zu effektivieren, ihre Transparenz zu erhöhen und Verstöße gegen sie effektiv zu sanktionieren. In diesem Sinne sollte sich die Bundesregierung proaktiv in die weitere Debatte über die Vorschläge der EU-Kommission auf EU-Ebene einbringen. Ziel muss sein, Uploadfiltern eine klare Absage zu erteilen und gleichzeitig aus den Fehlern, die wir im Zuge der Implementierung des NetzDG gemacht haben, zu lernen. So braucht es beispielsweise zwingend Verfahren zur rechtsstaatlichen Überprüfung gelöschter Inhalte. Der notwendige Kampf gegen Terrorismus darf nicht dazu führen, dass die grundrechtlich geschützte Meinungs-und Informationsfreiheit gefährdet wird, wenn fälschlicherweise Inhalte gelöscht oder Accounts gesperrt werden.

Dr. Konstantin von Notz (MdB), stellv. Fraktionsvorsitzender Bündnis 90 / Die Grünen im Deutschen Bundestag.

Tags

Comments are closed

Archive