In unregelmäßigen Abständen berichten wir in unserer Rubrik “Aus den Ländern” über Initiativen, Veranstaltungen und Debatten aus dem Bereich Innen- und Netzpolitik in den Bundesländern. An dieser Stelle berichtet Benjamin Adjei, Sprecher für Digitalisierung der Fraktion der Grünen im bayerischen Landtag, stellvertretender Vorsitzender der bayerischen Datenschutzkommission und Mitglied des Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung, über das Engagement der Fraktion, die Gaming-Szene zu unterstützen und gleichzeitig die in dem Bereich immer wieder anzutreffenden Probleme entschlossen anzugehen.
Galten Videospiele vor einigen Jahren noch als Freizeitbeschäftigung von sozialen Sonderlingen, ist das Gamen mittlerweile zum Volkssport herangewachsen. Fast die Hälfte der Menschen in Deutschland spielt zumindest gelegentlich Videospiele und spätestens durch das Massenphänomen „Pokémon Go“, als Horden von Menschen – Männer wie Frauen, jung wie alt – zum Monsterfangen durch die Straßen irrten, ist die gesellschaftliche Relevanz von Videospielen in den öffentlichen Fokus gerückt. Und während der Corona-Krise hat die Bedeutung von Gaming noch weiter zugenommen. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen wurde eSport paradoxerweise für einige Wochen der einzige Sport, den man ausüben durfte und viele Bürger*innen griffen zu Videospielen, um trotz der Kontaktbeschränkungen soziale Kontakte und Interaktionen mit anderen Menschen halten zu können.
Doch in weiten Teilen der Politik hält sich weiterhin ein durchweg negatives Bild von Computerspielen und Gamer*innen. Die generelle Diffamierung der diversen Szene als rechtsextremistisch und das Heraufbeschwören von „Ballerspiel-Debatten“ beleidigen sowohl die Communities als auch die Opfer rechtsextremer Gewalt. Die Gaming-Szene darf nicht als Feigenblatt vergeigter Sicherheitspolitik und missverstandener Kultur herhalten. Games, Communityboards und Chatrooms sind Teil des öffentlichen Diskurses und haben mit denselben Problemen zu kämpfen wie andere Teile der Gesellschaft. Fördern statt Spalten heißt die Devise! Statt polemischer Kommentare müssen Politiker*innen – besonders jene, die selbst bisher keinen Kontakt mit Videospielen hatten – intensiver auf die Community zugehen.
Wir wollen die wichtige und zukunftsorientierte Gaming-Branche aus dem Schattenbereich holen und gezielt unterstützen. Mit dieser Zielsetzung haben wir ein umfassendes Antragspaket in den Landtag eingebracht.
Gaming-Communities stärken
Gaming-Communities sollen lebendig und divers sein und einen virtuellen Raum für sozialen Austausch und Diskurs bieten. Um gegen Akteure vorzugehen, die eine solche Diversität und Vielfalt ablehnen, wollen wir die Communities von innen heraus stärken. Dafür müssen die Selbstregulierung der Plattformen, Foren und Gruppen unterstützt und Communityprojekte und Initiativen – aus der Gaming-Szene, für die Gaming-Szene – aktiv gefördert werden, ähnlich den Fanprojekten im Sport. Die antirassistische Initiative „Keinen Pixel den Faschisten“ ist ein großartiges Beispiel dafür, welch positiven Einfluss Communityprojekte entfalten können.
eSport endlich anerkennen
Zu einer aktiven, lebendigen Community gehört auch das Zusammenfinden in Vereinen. eSport-Vereine helfen aktiv in der Jugend- und Sozialarbeit, bieten Schutzräume und ein stabiles soziales Umfeld und leisten damit einen wichtigen Beitrag zu Suchtprävention, bieten Schutz vor Vereinsamung und mindern auch die Empfänglichkeit für extremistische Ideologien.
Um diese wichtige gesellschaftliche Arbeit von eSport-Vereinen zu unterstützen und ausreichend wertzuschätzen, müssen eSport-Vereine endlich als gemeinnützige Vereine anerkannt werden.
Radikalisierungsnetzwerke effektiv bekämpfen
Man darf die Community aber nicht mit der Herausforderung durch extremistische und ideologische Strömungen und Netzwerke allein lassen. Die Instrumentalisierung von Online- und Gamingplattformen ist zwar grundlegend bekannt, gilt aber trotzdem noch in vielen Bereichen als Blackbox. Besonders bei der Verbreitung von rechten Ideologien und der Rekrutierung neuer Mitglieder durch extremistische Gruppen auf Gaming-Plattformen besteht noch großer Forschungsbedarf. Deshalb wollen wir einen vielschichtigen und interdisziplinären Forschungscluster aufbauen, um Gegenstrategien zu entwickeln.
Zudem müssen Polizist*innen besser auf die Herausforderungen des digitalen Zeitalters vorbereitet und entsprechend ausgebildet werden, um Vernetzungsstrategien von Extremist*innen zu verstehen und Gefahren rechtzeitig abwehren zu können.
Digitale Bildung für mehr Mediensouveränität
Kinder und Jugendliche werden heutzutage mit mehr Medienformaten und -inhalten konfrontiert als jede Generation zuvor. Um damit auch vernünftig umgehen zu können, müssen junge Internetnutzer*innen für Gefahren wie Hetze, und Hass im Netz sensibilisiert und ihre Medienkompetenz gestärkt werden. Gleiches gilt für die verantwortlichen pädagogischen Fachkräfte in Schulen und der Jugendarbeit. Deshalb müssen die Weiterbildungsangebote ausgebaut werden, um den Bereich digitale Spiele deutlich zu verstärken und hier mehr der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen zu entsprechen.
Hier ein Überblick, der vorgebrachten Initiativen:
- Antrag I (PDF): Sichere und vertrauensvolle Gaming-Communities schaffen
- Antrag II (PDF): Forschungscluster über u.a. rechtsextremistische Radikalisierungsprozesse und Netzwerke in Gaming und Kommunikationsplattformen und Subkulturen im Internet
- Antrag III (PDF): Medienbildung für pädagogische Fachkräfte in Schulen stärken
- Antrag IV (PDF): Medienbildung für pädagogische Fachkräfte in Jugendhilfe und -arbeit stärken
- Antrag V (PDF): Anerkennung von eSport
- Antrag VI (PDF): Sicherheitskräfte für das digitale Zeitalter stark machen
- Antrag VII (PDF): Lagebild zu Radikalisierung, Rassismus, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit auf Online-Plattformen
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