In unregelmäßigen Abständen berichten wir in unserer Rubrik “Gastbeiträge“ von eigenen Publikationen in Zeitschriften und Büchern oder aber geben anderen Menschen die Gelegenheit, hier zu veröffentlichen. Von dieser Möglichkeit machen heute Jeanne Dillschneider, stellvertretende Landesvorsitzende der Grünen und Sprecherin der Grünen Jugend im Saarland, und Tjark Melchert, Sprecher der LAG Wirtschaft und Finanzen der Grünen in Niedersachsen, Gebrauch. Sie beiden engagieren sich seit längerem in grünen Strukturen wollen unseren Fokus auf das Thema E-Sports lenken. Sie haben sich gefragt, warum ausgerechnet dieses Thema, bei dem die Grünen in den vergangenen Jahren sehr umtriebig waren, keinen Eingang in den Wahlprogramm-Entwurf für die Bundestagswahl im Herbst dieses Jahres gefunden hat – und haben hierzu einen entsprechenden Änderungsantrag verfasst.

Mitte März stellen die Grünen ihren Programm-Entwurf für die Bundestagswahl vor. Doch ein wichtiges Thema wurde fast komplett ausgespart: E-Sports. Dabei handelt es sich doch um die Bundestagswahl 2021?

Ja, es ist 2021. Und E-Sports sind längst kein Nischenthema mehr, sondern er ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Fast 400.000 Besucher*innen haben vor der Pandemie die Videospielmesse Gamescom besucht. Das sind viel mehr Menschen als in jedes Fußball-Stadion der Welt passen könnten. Das digitale Freizeit- und Sportangebot ist in den vergangenen Jahren immer breiter geworden: Das Kräftemessen in der digitalen Arena ist beliebter Freizeitvertreib. Gefordert sind dabei Teamwork, strategisches Denken und eine gute Reaktionsfähigkeit. So zieht die Faszination Gaming immer mehr Menschen in ihren Bann, mittlerweile gibt es allein in Deutschland mehr als 30 Millionen Spieler*innen. Dieses extrem breite Interesse erkennen wir an, weshalb wir es als Aufgabe der Politik sehen, E-Sports einen rechtlichen Rahmen zu geben und ihn zu fördern. Die institutionelle E-Sports-Förderung ist wichtig, um Spieler*innen auch medienpädagogisch zu begleiten. Gleichzeitig können ehrenamtliche Aspekte und das Zusammenkommen von Menschen gestärkt werden.

E-Sports als Chance für die Vielfalt und Vereinskultur

Zu dieser Förderung gehört etwa die Unterstützung von E-Sports-Treffs, die eine gute Anlaufstelle für diejenigen sein können, die E-Sports aktiv betreiben wollen. E-Sports sind eine Chance, die Bindung von Jugendlichen an die Vereinskultur auch in Zukunft zu sichern: Jeder Sportverein betreibt Jugendarbeit und berücksichtigt dabei pädagogische Aspekte, das sollte bei E-Sports nicht anders sein. In enger Zusammenarbeit mit Jugendverbänden können E-Sports auch in Jugendarbeit und die bestehenden Strukturen vor Ort eingebunden werden. Damit kann auch ein effektiverer Jugendschutz gewährleistet werden. Große, professionelle Sportvereine wie der FC Bayern München haben bereits E-Sports-Abteilungen aufgebaut, im Breitensport fehlen solche Strukturen häufig noch.

Vielfalt ist auch beim Zusammenspiel von digitalem und analogem Sport eine Stärke. Deshalb sollte es selbstverständlich sein, auch für E-Sports gute Rahmenbedingungen in Deutschland zu schaffen, insbesondere im Breiten-E-Sport bei kleineren Vereinen. Es sollte auch beim Gaming gezielt gefördert werden, wenn sich Menschen in einem Verein zusammenfinden, um ihrem Hobby nachzugehen. Schließlich geht es bei E-Sports genau wie bei jedem Mannschaftssport um Teamgeist und Zusammenhalt. E-Sports-Vereine sollen deswegen genauso von der Gemeinnützigkeit profitieren wie andere Sportvereine: Weniger Bürokratie, steuerliche Erleichterungen, Zugang zu kommunalen Räumen und vieles mehr.

Gesellschaftliche Integration und Zusammenhaltstärken gehören auch zu den Aufgaben von E-Sports. Durch die räumliche Flexibilität und zeitliche Verfügbarkeit gelingt dies besonders gut. Aus allen Altersschichten, allen Geschlechtern, allen gesellschaftlichen Schichten aus allen Ländern dieser Welt kommen Menschen in digitalen Arenen zusammen und spielen zusammen. So werden Menschen zusammengebracht und tauschen sich aus, die sonst vermutlich nicht zusammenfinden würden. Dies stiftet einen enormen gesellschaftlichen Mehrwert, der nicht zu unterschätzen ist. E-Sports bieten darüber hinaus eine Chance für mehr Teilhabe körperlich eingeschränkter Menschen. Barrierefreiheit kann durch eine gezielte Förderung des E-Sports verbessert werden.

So wie auch die Digitalisierung einen immer größeren Einfluss auf unser Leben gewinnt, prägen auch Games Kultur und Alltag. Waren unter den Held*innen in den 70ern noch Franz Beckenbauer und David Bowie, so sind es heute für viele Ash Ketchum, Lara Croft und Link. Popkultur reflektiert die Realität und beeinflusst sie, woraus sich auch die Chance bietet, als Medium Videospiel Vorbild für ein modernes Weltbild zu sein: Dies beinhaltet etwa die positive Repräsentation von marginalisierten Gruppen und das Aufbrechen von klischeehaften Genderrollen. So können Games als Teil einer popkulturellen Entwicklung dazu beitragen, diskriminierende Vorurteile zu bekämpfen. Diese Chancen können wir nutzen, wenn wir Spieleentwicklung gezielt begleiten und fördern.

E-Sports als Chance für die Wirtschaft und Wissenschaft

Der Aufstieg der E-Sports ist ein globales Phänomen. Immer mehr Menschen zocken und nutzen ihre Endgeräte auch zum Spielen. Mit drei Milliarden Spieler*innen weltweit wird die Gaming-Szene auch immer mehr zum Wirtschaftsfaktor. Dieser Markt wird 2018 allein in Deutschland auf knapp fünf Milliarden Euro geschätzt. Ein Großteil dieses Geldes wird heute im Ausland verdient. Laut Prognosen wird dieser Markt auch in Zukunft weiter stark wachsen. Daher ist es wichtig, die Gründungen und Institutionen aus der Game-Entwicklung auch bei uns zu fördern.

Die Förderung der E-Sports geht mit einer engeren Begleitung der Entwicklungen in der E-Sports-Szene einher. So entstehen auch Potentiale für die IT-Branche und Kreativwirtschaft. Spieleentwicklung wirkt nicht nur in kulturelle Bereiche rein, sondern ist ein wichtiger Treiber von Innovation und Digitalisierung. Deswegen müssen wir die Rahmenbedingungen für eine lokale Spieleentwicklung schaffen und die Forschung und Lehre in diesem Bereich stärken. Studiengänge mit Games-Bezug können in enger Vernetzung mit der E-Sports-Branche entstehen und gleichzeitig einen Impuls für die Entwicklung von IT-Sicherheit und Künstlicher Intelligenz geben.

Chancen über Chancen: Deshalb gehört E-Sport ins Wahlprogramm

Im Koalitionsvertrag hat die Große Koalition in Berlin der E-Sports-Szene große Versprechungen gemacht bei Finanzierung, Gemeinnützigkeitsrecht und Sportpolitik. Bislang wurde politisch das Gegenteil umgesetzt. Die große Koalition hat im Haushalt 2020 die Zuschüsse für die Gameswirtschaft wieder auf Null gesetzt. Es wird Zeit, dass der Staat diesen Bereich mit seiner Bedeutung wieder sieht und beginnt, diesen zu fördern. Die Bundestagswahl 2021 ist dafür ein guter Zeitpunkt. Die Grünen sind Zukunftspartei. Deshalb sollen sie auch die Partei sein, die E-Sports als Sport- und Kulturangebot, aber auch als Wirtschaftszweig in Deutschland, voranbringt. Es ist 2021. Deshalb gehören E-Sports auch ins Grüne Wahlprogramm.

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