Anlässlich höchst widersprüchlicher Aussagen von Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung in Sachen ACTA habe ich im Rahmen der heutigen Parlamentarischen Fragestunde mehrere Fragen an die Bundesregierung gerichtet. Wir hatten gestern ja bereits ausführlich über die Fragen und die Gründe, warum wir explizit diese Fragen gestellt haben, berichtet.
Die von mir eingereichten Fragen lauteten wie folgt:
Was ist die augenblickliche inhaltliche Position der Bundesregierung bezüglich des Anti Counterfeiting Trade Agreements („ACTA-Abkommen“) – auch vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidung der Europäischen Kommission, das Abkommen durch den Europäischen Gerichtshof überprüfen lassen zu wollen – und wie wird der weitere Ratifizierungsprozess in Deutschland in zeitlicher Hinsicht aussehen?
Wir sich die Bundesregierung, die ja bereits vor geraumer Zeit der „Friends of Transparency-Initiative“ beigetreten ist, gegenüber den Verhandlungspartnern für eine Offenlegung sämtlicher Dokumente, die im Zusammenhang der einzelnen Verhandlungsrunden erstellt wurden, einsetzen?
Leider wurden unsere Fragen im Rahmen der heutigen Fragestunde, für die immer nur ein bestimmtes Zeitfenster vorgesehen ist, nicht mehr aufgerufen, wodurch ich keine Gelegenheit hatte, entsprechende Nachfragen zu stellen. In diesem Fall beantwortet die Bundesregierung die eingereichten Fragen schriftlich. Die schriftlichen Antworten der Bundesregierung liegen nun vor:
Antwort auf Frage 1:
Das ACTA-Abkommen soll die weltweite Bekämpfung der Produktpiraterie verbessern, weil die unerlaubte Nachahmung von Produkten die deutsche Wirtschaft schädigt und Risiken Ni. die Verbraucher hat Bezüglich der Regelungen zum Internet hat ACTA allerdings Besorgnis und Widerstände in der Öffentlichkeit ausgelöst, die Beachtung verdienen. Einige Staaten haben bereits angekündigt, die Zeichnung bzw. das Ratifikationsverfahren auszusetzen. Auch im Europäischen Parlament gibt es eine Debatte über die Auswirkungen von ACTA. Die Europäische Kommission wird das Abkommen dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorlegen. Das Bundeskabinett hat am 30. November 2011 der Zeichnung von ACTA durch die Bundesrepublik Deutschland zugestimmt. Ein konkreter Zeichnungstermin und zeitliche Planungen zum Ratifikationsverfahren stehen derzeit nicht fest.Antwort auf Frage 2:
Deutschland hat sich zusammen mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union für eine Offenlegung der Verhandlungsdokumente eingesetzt („Friends of Transparency“). Dies hat dazu beigetragen, dass die entscheidenden Dokumente zu ACTA offengelegt worden sind, Hierzu zählt die Veröffentlichung der Verhandlungetexte aus dem April 2010, vom 2: Oktober 2010 und vom 15. November 2010 sowie des endgültigen Vertragstexts vom 3. Dezember 2010. Eine weitere Offenlegung ist entsprechend der allgemeinen Praxis bei Verhandlungen von Freihandelsabkommen nur im Einvernehmen mit den Beteiligten möglich. Die Wahrung der Vertraulichkeit entspricht der allgemeinen Praxis bei Freihandelsabkommen.
Kurzbewertung der Antworten der Bundesregierung:
Große Teile der Antworten der Bundesregierung sind natürlich vollkommen nichtssagend, da sie nur noch einmal auflisten, was lange bekannt ist. Interessant ist vor allem der letzte Satz der Antwort auf meine erste Frage, in dem es heißt, dass es derzeit noch keinen konkreten Zeichnungstermin und zeitliche Planung zum Ratifikationsverfahren gibt. Diese Formulierung ist natürlich vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass die Bundesregierung offensichtlich auch weiterhin beabsichtigt, das Abkommen zu ratifizieren. Es geht und ging der Bundesregierung also nie nicht um die Frage, „ob“ man ACTA ratifizieren soll, sondern nur um die Frage „wann“ dies geschehen soll. Hier will man offenbar nun abwarten, bis sich die Wogen etwas geglättet haben.
Auch weite Teile der Antwort der Bundesregierung auf meine zweite Frage sind hinlänglich bekannt. Hier ist vor allem die Formulierung, dass „die entscheidenden Dokumente“ bereits offengelegt worden seien auffalend. Die Frage, ob es nicht auch für die Bewertung des Abkommens von ganz entscheidender Bedeutung ist, dass alle Dokumente auf den Tisch kommen, negiert die Bundesregierung demnach offenbar. Sie plant also, obwohl sie nach unserer Kleinen Anfrage vom April 2010 selbst der „Friends of Transparency“-Initiative beigetreten ist, nicht, sich für die Veröffentlichung sämtlicher Dokumente, die im Zuge der einzelnen Verhandlungsrunden erstellt wurden, einzusetzen. Stattdessen verweist sie darauf, dass eine weitere Offenlegung entsprechend der allgemeinen Praxis bei Verhandlungen von Freihandelsabkommen nur im Einvernehmen mit den Beteiligten möglich sei und die „Wahrung der Vertraulichkeit“ der „allgemeinen Praxis“ entspreche. Davon abgesehen, dass auch dies seit langem bekannt ist, wird klar: Ein solches Einvernehmen aller Beteiligten zur Offenlegung sämtlicher Unterlagen herzustellen, ist offenbar nicht Ziel der Bundesregierung.
Obwohl meine Fragen heute im Rahmen der Fragestunde nicht aufgerufen wurden, hatte ich dennoch die Gelegenheit, die Bundesregierung mündlich kurz zu ACTA zu befragen. So bestätigte mich der Parlamentarische Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums, – das ja gerade eine Studie zu Warnhinweismodellen hat erstellen lassen – Staatssekretär Otto, in der Ansicht, dass eine Überprüfung von ACTA auch die Frage beleuchten müsse, inwieweit das Abkommen einer benötigten Reform des Urheberrechts im Wege stehen könnte.
Neben dem Plenum beschäftigten sich heute gleich mehrere Ausschüsse des Bundestages mit dem Anti Counterfeiting Trade Agreement. So stand das ACTA-Abkommen neben dem Verbraucherschutzausschuss auch im Rechtsausschuss auf der Tagesordnung. Im Rechtsausschuss bekräftigte die Bundesjustizministerin noch einmal – in einer nicht-öffentlichen Sitzung – die grundsätzliche positive Haltung der Bundesregierung bezüglich ACTA, die ja auch vom Regierungssprecher bereits zu Protokoll gegeben und in den Antworten der Bundesregierung auf meine Fragen auch nicht widerlegt wurde. Als Grüne werden wir weiterhin alles daran setzen, dass sich die Bundesregierung doch noch mit der Frage auseinandersetzt, ob das ACTA-Gutachten nicht eine dringend notwendige Form des Urheberrechts blockieren könnte und es auch vor diesem Hintergrund nicht zwingend ist, das Abkommen endgültig abzulehnen und nicht zu ratifizieren.
Zu mündlichen parlamentarischen Fragen im Allgemeinen:
Grundsätzlich hat jeder MdB die Möglichkeit, pro parlamentarischer Fragestunde zwei mündliche Fragen an die Bundesregierung zu richten. Diese müssen im Vorfeld schriftlich eingereicht werden und werden dann während der Fragestunde (in der Regel von einem Staatssekretär, gelegentlich aber auch von der Ministerebene persönlich) beantwortet. Zu jeder Antwort können spontan zwei Nachfragen gestellt werden. Diese müssen nicht vorher schriftlich eingereicht werden. Grundsätzlich kann jedes Mitglied des Bundestages auch zu den Antworten auf die Fragen, die ein anderer MdB eingereicht hat, Nachfragen stellen.
Hier findet Ihr ein Interview, das ich gestern mit bundestag.de zu den von mir eingereichten Fragen geführt habe, hier eine Übersicht zu unseren Aktivitäten in Sachen ACTA.
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