Als grüne Bundestagsfraktion haben wir zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung erst vor Kurzem eine Podiumsdiskussion zu ACTA (Anti Counterfeiting Trade Agreement) in Berlin, bei der Ska Keller, Jan Philipp Albrecht und ich mit Geraldine de Bastion vom Digitale Gesellschaft e.V., David Hachfeld von Oxfam Deutschland e.V. und dem führenden deutschen ACTA-Experten Prof. Axel Metzger von der Universität Hannover über das ACTA-Abkommen und seine vielfältigen Auswirkungen, den weiteren Ratifizierungsprozess auf deutscher und europäischer Ebene und die Chancen der Zivilgesellschaft, ACTA noch zu stoppen, diskutiert haben. Hier findet Ihr eine Aufzeichnung des Streams der Veranstaltung.

Prof. Metzger hat zusammen mit einer Gruppe von Rechtswissenschaftlern deutscher, niederländischer, britischer und spanischer Universitäten in einer gemeinsamen Erklärung die EU-Mitgliedsstaaten sowie das Parlament und die Kommission aufgefordert, dem Abkommen nicht zuzustimmen. Die Experten bemängeln, dass ACTA zahlreiche Verschärfungen zugunsten von Rechteinhabern bringe, beim Rechtsschutz der mutmaßlichen Rechteverletzer aber klar hinter den einschlägigen EU-Richtlinien zurückbleibe und insgesamt in manchen Punkten geltender EU-Gesetzgebung widerspreche. Die Grüne Fraktion im Europäischen Parlament hat über die Sommerpause zwei zusätzliche Studien erstellen lassen. Die eine zur Vereinbarkeit von ACTA mit der EU-Grundrechtecharta der Union, die andere zu den Auswirkungen von ACTA auf die Versorgung von Entwicklungsländern mit Medikamenten. Die  Studien findet Ihr hier (pdf) bzw. hier. Hier findet Ihr einen ergänzenden Blogbeitrag samt Hinweis auf eine Pressekonferenz von Jan Philipp Albrecht.

Am Anfang der Legislatur, noch während das Anti Counterfeiting Trade Agreement verhandelt wurde, hatten wir eine Kleine Anfrage „Stand und Inhalt der Verhandlungen zum Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) und Gewährleistung von Transparenz durch die Bundesregierung“ (pdf) gestellt, in der wir die Bundesregierung u.a. dazu aufgefordert haben, sich für mehr Transparenz der Verhandlungsprozesse einzusetzen. Darüber hinaus haben wir die Bundesregierung befragt, ob sie unsere Meinung teilt, dass es sich bei ACTA um ein sogenanntes „gemischtes Abkommen“ handelt, was nichts anderes zur Folge hat, als dass das durch die Europäische Kommission verhandelte internationale Abkommen durch den  Deutschen Bundestag ratifiziert werden muss. Nach Beantwortung der Kleinen Anfrage war klar, dass dies zutrifft und der Bundestag sich intensiv mit ACTA auseinandersetzen muss.

Es ist immer noch unklar, wann der völkerrechtliche Vertragsabschluss– sowohl auf europäischer als auch auf deutscher Ebene – tatsächlich stattfindet. Dieser Zeitpunkt rückt nun aber einen deutlichen Schritt näher. Nach Auskunft eines Regierungsvertreters während der heutigen Sitzung des Unterausschusses Europarecht des Bundestages, einem Unterausschuss des Rechtsausschusses, ist die Beratung des Abkommens durch das Bundeskabinetts nun bereits für den 30. November 2011 geplant.

Dies entspricht noch keiner Ratifizierung, sonder stellt quasi die Vorstufe auf Regierungsebene dar. Damit wird der ausverhandelte Text nach letzten Prüfungen definitiv als abschließend behandelt. Als nächstes liegt der Ball wieder auf der europäischen Ebene. Nach Zeichnung des Abkommens durch das Bundeskabinett und abschließender Beratung auf europäischer Ebene wird das Abkommen dann an die nationalen Parlamente zurückgespielt, um von diesen ratifiziert zu werden. Die Zeichnung durch das Bundeskabinett bindet das Parlament also rechtlich nicht, ist aber natürlich eine Art politische Vorfestlegung. Wann die Ratifizierung des Abkommens im Bundestag exakt stattfindet, steht also nach wie vor noch nicht fest.

Als Grüne werden wir uns auch weiterhin dafür einsetzen, dass sich das Parlament vor der Ratifizierung intensiv mit den bezüglich ACTA nach wie vor im Raum stehenden Fragen auseinandersetzt. Wie bereits angekündigt, werden wir uns dafür einsetzen, dass Sachverständige in den betreffenden Ausschüssen angehört werden. All diejenigen, denen es ebenfalls ein Anliegen ist, dass sich das deutsche Parlament intensiv mit den möglichen Auswirkungen des ACTA-Abkommens auseinandersetzt, sollten sich jetzt möglichst schnell Gedanken darüber machen, wie es gelingt, einerseits die Öffentlichkeit über ACTA und seine möglichen Folgen zu informieren, andererseits die Abgeordneten des Bundestages dazu zu bewegen, das Thema Ernst zu nehmen und sich ebenfalls für eine angemessene Auseinandersetzung des Parlaments mit der Thematik zu bewegen.

Über den weiteren Verlauf in Sachen ACTA werden wir hier weiter berichten.

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