Gastkommentar von Jerzy Montag

Bei der gestrigen Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages wurde unter anderem die Frage diskutiert, ob man die Ermittlungsmaßnahme der nicht-individualisierten Funkzellenabfrage „gegen unbekannt“ neu regulieren müsse. Einig waren sich alles Sachverständigen darin, dass aufgrund der Vielzahl von Grundrechtseingriffen sowohl die Einführung als auch die Durchführung einer solchen Ermittlungsmaßnahme unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit stehe. Die Sachverständigen Rechtsanwälte, insbesondere auf Seiten des DAV, verlangte sogar den Verzicht auf diese Ermittlungsbefugnis, da ihr Nutzen bisher nicht nachgewiesen sei. Demgegenüber warnten die Vertreter aus den Reihen der Staatsanwaltschaft vor dieser Abschaffung, erst recht falls dies nur aufgrund der – auch aus ihrer Sicht – nicht unproblematischen Vorfälle aus Dresden geschehe. Der Fall habe aber bereits zu einem deutlich sensibleren Umgang geführt, und man müsse den Ermittlungsbehörden auch vertrauen, dass sie sich an Recht und Gesetz hielten.

Der Stellvertreter des Sächsischen Datenschutzbeauftragten wies noch einmal auf die mit dessen Bericht erfolgte Beanstandung der Dresdner Ermittlungsbehörden hin. Möglicherweise sei der Einsatz dieser Maßnahme auch zur Ermittlung von Zeugen – wie in Dresden zu Unrecht geschehen – kein Einzelfall. Jerzy Montag, der rechtspolitische Sprecher der Grünen, betonte, dass eine rechtstaatlich und bürgerrechtskonforme Ausgestaltung der Funkzellenabfrage möglich sei und fand mit dem Grünen Gesetzentwurf auch Fürsprecher bei mehreren Sachverständigen.

Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin, empfahl vor dem Hintergrund der – unwidersprochen – geschilderten Praxis der schon vorformulierten und nur abgezeichneten richterlichen Beschlüsse die Entscheidung des Richters künftig „durch Normierung eines konkreteren Prüfungsprogramms zu strukturieren und anzuleiten“. Der Gesetzentwurf der Grünen erschien ihm dafür „grundsätzlich geeignet“. Auch der Stellvertreter des Sächsischen Datenschutzbeauftragten befand, dass der Gesetzentwurf der Grünen die Problematik „zutreffend erfasse“ und zudem eine „sinnvolle Ergänzung“ der derzeitigen Gesetzeslage darstelle.

Dem Vorwurf der Staatsanwälte, der Gesetzentwurf der Grünen sei, soweit darin auch für die Weitergabe bereits erhobener Daten ein Richtervorbehalt eingeführt werde, „überflüssig, systemwidrig und bürokratisch“ wurde ausdrücklich widersprochen. Für einige der Sachverständige verblüffend war dagegen der beiläufige Hinweis eines Staatsanwaltes, dass einmal so erhobene Daten in der Praxis auch „in einem Panzerschrank“ zur weiteren Verwendung gelagert werden könnten. Dies würde dann allerdings ohne Wissen der Betroffenen geschehen, denn eine Benachrichtigungspflicht gibt es in all diesen Fällen bisher nicht. Der Vertreter des Datenschutzbeauftragten sah daher eine gesetzliche Pflicht zur Löschung bei den Strafverfolgungsbehörden ebenfalls als „dringend erforderlich“ an.

Festzuhalten bleibt, dass der grüne Gesetzentwurf in dieser Anhörung viel Zustimmung erfahren hat und die Anhörung wenigstens zu einem Nachdenken auf der Koalitionsseite geführt haben dürfte. Der Datenschutzbeauftragte bat die regierungstragenden Fraktionen noch einmal, sich „im Interesse der Rechtssicherheit“ noch einmal einer Anpassung des Gesetzes anzunehmen. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Bitte Gehör findet.

Jerzy Montag ist rechtspolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion.

Hier findet Ihr unseren grünen  Gesetzentwurf „Entwurf eines Gesetzes zu einer rechtsstaatlichen und bürgerrechtskonformen Ausgestaltung der Funkzellenabfrage als Ermittlungsmaßnahme“.  Über die bevorstehende Anhörung hatten wir hatten hier und hier ausführlich gebloggt. Dort findet Ihr auch die von den geladenen Experten abgegebenen Stellungnahmen.

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