Nahezu täglich erreichen uns neue Hiobsbotschaften bezüglich des größten Abhörskandals in der Geschichte der westlichen Demokratien. Dies ist vor allem der Verdienst des Whistleblowers Edward Snowden, der durch die Veröffentlichung dieser Daten eine Diskussion über die Rolle sich offenbar verselbstständigter Geheimdienste erst ermöglichte. Es ist aber auch der Verdienst zahlreicher Journalistinnen und Journalisten, die für verschiedene Medien arbeiten und seit Monaten die Snowden-Dokumente journalistisch aufarbeiten. Neben dem deutschen Spiegel hat sich hier vor allem der britische Guardian besonders verdient gemacht.

Während der Spiegel seiner Arbeit weitestgehend unbehelligt nachgehen kann, werden der Guardian und die für ihn arbeitenden Journalistinnen und Journalisten in den letzten Wochen und Monaten immer wieder, sowohl von den Geheimdiensten selbst als auch von führenden  britischen Politikern massiv unter Druck gesetzt. Der immer wieder vorgebrachte Vorwurf: Diejenigen, die auf die höchst fragwürdigen Praktiken der Geheimdienste und ein System des europaweiten Ringtausches geheimdienstlich erlangter Daten hinweisen, würden hierdurch die innere Sicherheit massiv gefährden. Diese höchst zweifelhafte, einem demokratischen Rechtsstaat unwürdige Argumentation, die wir sonst  aus autoritär geführten Staaten kennen und dort notwendigerweise kritisieren, hat nur ein Ziel:  Sie soll öffentlichen Druck aufbauen und weitere, unliebsame Veröffentlichungen verhindern.

Diese Einschüchterungsstrategie verstößt gegen fundamentale Grundsätze der Presse- und Meinungsfreiheit, die in Verfassungen weltweit als überragendes Schutzgut anerkannt wird. Denn die Meinungs- und Pressefreiheit ist die zentrale und unerlässliche Grundlage für das Funktionieren von Demokratien. Statt diejenigen, die unsere Verfassungen offenbar systematisch und sehr bewusst umgehen, in ihre Schranken zu weisen und endlich die notwendigen Konsequenzen aus den Enthüllungen der letzten Wochen und Monate zu ziehen, soll auf diesem Wege eine öffentliche Debatte um die Rolle der Geheimdienste in demokratischen Rechtstaaten verhindert werden.  Statt sich für den Schutz unserer Grundrechte einzusetzen, werden auf diesem Wege andere, den Rechtsstaat konstituierende Grundrechte offen in Frage gestellt. Das ist absolut nicht hinnehmbar.

Wenn Geheimdienste in Redaktionsräume einreiten, um Festplatten zu zerstören, wenn Partner von Journalisten unter Verweis auf terroristische Aktivitäten an Flughäfen festgehalten werden, wenn der Premier eines Landes, statt sich bei den Enthüllern des größten Überwachungs-Skandals zu bedanken,  diese an den Pranger und sich offen gegen die Medien- und Publikationsfreiheit stellt, zeigt dies das ganze Ausmaß des Skandals und wie dringend dessen lückenlose Aufklärung tatsächlich ist. Dass die Europäische Union angesichts dieser, mit den Werten der Union nicht zu vereinbarenden Praktiken seit Monaten nicht geschlossen für den Erhalt von Freiheit und Demokratie einzutreten vermag, ist beschämend und enttäuschend. Wir dürfen dazu nicht schweigen.

Wir unterstützen diejenigen, die sich heute in London zusammenfinden, um ein Zeichen gegen staatliche Maulkorbpolitik zu setzen. Es muss deutlich werden, dass völker- und menschenrechtswidrige Handlungen dieses Ausmaßes in die Öffentlichkeit gehören, wo auch immer sie geschehen. Wir solidarisieren uns mit all denjenigen, die sich seit Monaten für die Aufklärung dieses massiven Überwachungsskandals und den Schutz unserer Grundrechte unter höchstem persönlichen Einsatz verdient gemacht haben und dies auch weiterhin tun werden. Wir werden uns auch weiterhin dagegen wehren, dass die Aufklärung dieses Skandals, egal von welcher Regierung, bewusst verhindert und verschleppt wird. Wir werden für den Schutz unserer Grundrechte und der Presse- und Meinungsfreiheit unsere Stimmen erheben.

Das Endspiel um die Zukunft unserer freiheitlichen und demokratischen Verfassungen ist im vollen Gange. Wir werden es nicht zulassen, dass unsere Grundrechte unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung de facto abgeschafft werden, für die Menschen in Europa und in den USA gleichermaßen jahrhundertelang gekämpft haben.  Tatsächliche Konsequenzen aus diesem Skandal zu ziehen verlangt angesichts der Widerstände der tatbeteiligten Regierungen von uns allen großen Mut und Entschlossenheit. Wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir unsere Zusammenarbeit verstetigen und eine wirkungsvolle Allianz gegen das internationale Überwachungs-Kartell  schmieden können. Hierbei wollen wir unseren Beitrag leisten. In Kürze hierzu mehr.

Tags

Comments are closed

Archive